
Dendritische Zellen als Therapie – quo vadis?
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Michael Micksche
Ehem. Leiter des Instituts für Krebsforschung, MedUni Wien
Dendritische Zellen (DC) spielen eine zentrale Rolle bei der Orchestrierung der T-Lymphozyten-Immunität gegenüber Tumoren. DC-Funktion im Tumor-Mikroenvironment hängt von exogenen und intratumoralen Faktoren ab, die die Tumorimmunität hemmen oder fördern. Vakzine-Therapie mit DC, oft in klinischen Studien bei fortgeschrittener Krebserkrankung untersucht, ist als relativ wirkungsarm einzustufen. Dennoch könnte sie kombiniert mit Immun- oder Standardtherapien eine Zukunft haben.
Dendritische Zellen (DC) sind potente antigenpräsentierende Zellen (APC), die im peripheren Gewebe für Aufnahme, Prozessierung und Präsentation von Peptidantigenen an spezifischen antigennegativen T-Lymphozyten in Kombination mit Haupthistokompatibilitätskomplexen verantwortlich sind. Es handelt sich um heterogene Zellpopulationen, die sich in Bezug auf Herkunft, Phänotyp, Reife und Funktion unterscheiden und eine komplexe Klassifikation aufweisen. Verschiedene DC-Subtypen sind auch Bestandteil des Tumor-Mikroenvironments (TME), in dem sie einen onkogenen bzw. antitumoralen Phänotyp repräsentieren bzw. diese Funktionen ausüben können. DC interagieren im TME mit anderen zellulären Komponenten wie regulatorischen T-Zellen, natürlichen Killerzellen und anderen Lymphozyten, Fibroblasten und Makrophagen. Diese APC sind essenziell für Stimulation, Regulation und Erhaltung von verschiedenen Immunantworten wie von CD8+ T-Zell-Immunität und Antitumor-Immunität. DC sind aber oft funktionell ineffizient durch fehlende Reife bzw. tumorzellassoziierte Gegenregulationen im Sinne von Escape-Mechanismen aus der Immunosurveillance. DC werden seit vielen Jahren als Zelltherapie bzw. als Vakzine bei Krebserkrankungen eingesetzt. Ziel dieses Therapieansatzes ist, dass DC eine spezifische Immunabwehr gegen Tumorzellen aktivieren bzw. induzieren. Dazu wurden DC – aus Monozytenkulturen gereift (MoDC) – mit Tumorzellen/Extrakten oder isolierten Tumorantigenen/Neoantigenen in der Gewebekultur beladen, mit Zytokinen stimuliert und Patient:innen reinfundiert. Neuerdings werden kurze Proteinsequenzen (Peptide) oder die Informationen (mRNA, DNA) für diese bzw. auch Hybridzellen für dieses Priming verwendet.
Klinische Studien zur/mit DC-Therapie haben neben der Induktion einer tumorspezifischen Immunantwort einen gewissen Einfluss auf Tumorprogression, aber auch geringe Überlebensvorteile bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen wie Melanom, Ovarialkarzinom und Glioblastom dokumentiert. Die Krebsimpfung mit MoDC wurde 2010 in Form von Sipuleucel-T als eine besondere Präparation der Krebsimmuntherapie zur Behandlung von Prostatakarzinomen erstmals von der US-Gesundheitsbehörde FDA zugelassen. Diese standardisierten autologen MoDC wurden mit einem Fusionsprotein gepulst, bestehend aus prostataspezifischer Phosphatase als Antigen und GM-CSF als Wachstumsfaktor. Die DC-Vakzine war Patient:innen mit kastrationsresistentem metastasiertem Prostatakarzinom dreimal im Abstand von zwei Wochen als Infusion appliziert worden. Die Ergebnisse mehrerer Studien mit insgesamt mehr als 4500 Patient:innen bildeten die Basis für die Zulassung. Auch in Europa gab es eine kurzfristige Zulassung, die aber vom Hersteller wieder zurückgezogen wurde: „Zu teuer für die marginale, d.h. oft fehlende Wirksamkeit.“
Limitationen der DC-Therapie
Technische Hürden bei der Isolierung und Kultivierung von Monozytenpräparaten, um DC zu generieren, sind vielfältig, wobei eine besondere Kontrolle von Produktion und Qualität in zertifizierten Laboren sicher notwendig ist. Quelle und Untergruppen von eingesetzten DC, Migrationsfähigkeit von DC zu den Lymphknotenstationen, Selektion der Antigene für die Aktivierung von CD8+ und CD4+ T-Zellen, Infiltration ins Tumorgewebe, niedrige Zytotoxizität bei soliden Tumoren und die generelle Dysfunktion des Immunsystems bei fortgeschrittener Erkrankung; all diese Punkte, aber auch Route bzw. Art der Applikation, können Barrieren bedeuten und damit die Wirksamkeit der DC-Therapie beeinflussen.
Problematisch ist sicher die Präsenz von Escape-Mechanismen in malignen Tumoren, verursacht durch Komponenten des TME. Immunsuppression, geringe Expression von Tumorantigenen/Maskierung, Überexpression von Checkpoint-Molekülen und geringe Aktivität von TAA-spezifischen T-Lymphozyten sind Kernphänomene dieser Barriere. Die Überwindung dieser Mechanismen sowie die Applikation mit geeigneten Adjuvanzien für die Induktion der DC-Reifung sind daher notwendige Maßnahmen zur Verbesserung.
Zukünftiger Einsatz der DC-Therapie
Generell sind die Therapieergebnisse mit MoDC als suboptimal einzustufen. Sie lassen dennoch eine Kombination mit anderen Immuntherapien wie z.B. Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) als Möglichkeit für einen zukünftigen Einsatz sinnvoll erscheinen. Bereits mehrfach wurden ICI in Kombination mit Krebs-Vakzinen und da besonders auch mit MoDC-Vakzinen untersucht. So wurde demonstriert, dass Peptid-gepulste autologe DC-Vakzinen eine gesteigerte Immunogenität in Kombination mit ICI im Vergleich zur alleiniger Peptid-Vakzine induzieren. Um in Zukunft die Wirksamkeit von DC-Vakzinen zu verbessern, ist Investition in Grundlagenforschung nötig, also in Charakterisierung der DC-Subtypen, Strategien für die Überwindung des immunsuppressiven TME und die Identifizierung von neuen Biomarkern bzw. immunologischen Markern.