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Debatte zur Erstlinientherapie mit AR-gerichteten Therapien
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Ine Schmale
30
Min. Lesezeit
28.05.2015
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<p class="article-intro">Die Advanced Prostate Cancer Consensus Conference überzeugte mit hochkarätigen Experten und einem auf die klinische Praxis gerichteten Blick. Eine der drängenden Fragen für die Praxis ist derzeit, ob in der Erstlinientherapie des metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (mCRPC) mit Abirateronacetat oder Enzalutamid begonnen werden soll. In einer Debatte argumentierte Prof. William K. Oh, Mount Sinai Hospital, New York/USA, für Abirateronacetat plus Prednison und Dr. med. Tomasz M. Beer vom OHSU Knight Cancer Institute, Portland/USA, für Enzalutamid. </p>
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<p class="article-content"><h2>Abirateronacetat plus Prednison als bevorzugte Erstlinientherapie</h2> <p>An Gründen, warum Abirateronacetat in der Erstlinientherapie verwendet werden sollte, gab Oh an, dass erstens die Senkung der Androgenproduktion effektiver sei als die Hemmung der Genexpression zur Regulierung des Androgenrezeptors. Oh führte aus, dass für das hormonsensitive Prostatakarzinom die Ligandendepletion (bzw. Kastration) effektiver sei als eine Monotherapie mit AR-Antagonisten der ersten Generation. Beim CRPC habe die weitere Androgendepletion mit Abirateronacetat zur Verlängerung des Überlebens geführt.</p> <div>Prednison ist eine aktive Therapie beim Prostatakarzinom, von der Patienten profitieren können. Im Praxisalltag wird Abirateronacetat von den Patienten gut toleriert, wogegen die Fatigue bei Enzalutamid ein Problem darstellen kann. - Prof. William K. Oh</div> <p>Zweitens würde Abirateron von den Patienten besser toleriert als Enzalutamid, argumentierte Oh weiter. In der COU-AA-302-Studie wurden bei 48 % der Patienten Nebenwirkungen von Grad 3/4 unter Abirateron/Prednison gesehen versus 43 % unter Enzalutamid in der PREVAIL-Studie. Diese klinischen Daten würden aber nicht mit seinen praktischen Erfahrungen übereinstimmen, bemerkte Oh. Er schilderte zur Veranschaulichung zwei Kasuistiken, die er als typisch erachte. In beiden Fällen entwickelten die Patienten nach wenigen Tagen der Enzalutamid-Einnahme Fatigue und Rückenschmerzen, die zur stationären Aufnahme der Patienten führten. Bei Gabe von Abirateronacetat kam es bei denselben Patienten nicht zu Komplikationen, der Allgemeinzustand der Patienten verbesserte sich. Die wiederholte Therapie mit Enzalutamid führte hingegen, auch in reduzierter Dosierung, wieder zu Fatigue und Schmerzen. Insgesamt würden beide Therapien gut vertragen, fasste Oh das Thema Nebenwirkungen zusammen, aber ein – sicherlich kleiner – Teil der Patienten toleriere Enzalutamid sehr schlecht. Welche Patienten betroffen seien, könne im Vorfeld der Therapie allerdings noch nicht gesagt werden. Zudem sollten Patienten mit Schlaganfallrisiko Enzalutamid vermeiden.<br />Als dritten Grund für die Bevorzugung von Abirateronacetat gab Oh die Kombination mit Prednison an, durch die der Patient unabhängig vom Androgenrezeptor und der Abiraterontherapie zusätzlich vom Nutzen durch die Kortikosteroide profitiere. Diverse Phase-II-Studien zum Gebrauch von Kortikosteroiden beim CRPC konnten zeigen, dass sowohl mit Prednison/Prednisolon als auch Dexamethason ein PSA-Ansprechen erreicht werden kann. Im Kontrollarm der COU-AA-302-Studie betrug die PSA-Ansprechrate 24 % , wogegen im Placebo-Arm der PREVAIL-Studie nur 3 % der Patienten ein Ansprechen zeigten. Dies setzte sich – im Vergleich der Kontrollarme der beiden Studien – in ein verlängertes radiologisches progressionsfreies Überleben (rPFS: 8,3 vs. 3,9 Monate), ein grösseres Zeitintervall bis zum Beginn der Chemotherapie (16,8 vs. 10,8 Monate) und eine verlängerte Dauer bis zum PSA-Progress (5,6 vs. 1,8 Monate) um.<br />Möglicherweise erreiche man mit Enzalutamid in der Zweilinientherapie eine höhere Aktivität als mit Abirateronacetat und könne diese Therapie aufsparen, ergänzte Oh als vierten Vorteil der Abiraterontherapie in der Erstlinie. Diese Schlussfolgerung zog Oh aus zwei Studien, die Abirateron nach Enzalutamid untersucht hatten, sowie fünf Studien, die vice versa Abirateron gefolgt von Enzalutamid geprüft hatten. Ein PSA-Ansprechen wurde bei 3 % der Patienten unter Abirateron, wenn nach Enzalutamid gegeben, sowie bei 10–29 % der Patienten unter Enzalutamid, wenn nach Abirateron gegeben, beobachtet. Sowohl Abirateron als auch Enzalutamid hätten in der Zweitlinie nach AR-gerichteter Therapie nur eine eingeschränkte Wirksamkeit, sagte Oh, aber ein PSA-Abfall sei in der Zweitlinie unter Enzalutamid wahrscheinlicher als unter Abirateron, weswegen ein „Aufheben“ von Enzalutamid erwogen werden könne.</p> <div id="rot">Es wird keine Head-to-head-Studie geben, daher müssen wir auf Basis der bestehenden Studienergebnisse mit den beiden AR-gerichteten Therapiestrategien umzugehen lernen. - Prof. Cora N. Sternberg</div> <h2>Gründe für Enzalutamid als bevorzugte Erstlinientherapie</h2> <p>Als Sprecher pro Enzalutamid erklärte Beer, dass schon praktische Hintergründe für Enzalutamid sprächen: Es müsse nur eine Substanz und kein Steroid gegeben werden, es gebe keine ernährungstechnischen Restriktionen und weniger Medikamenteninteraktionen.<br />Der Vergleich der beiden Zulassungsstudien zeige Unterschiede bezüglich der Einschlusskriterien „Viszeralmetastasierung“ (in PREVAIL erlaubt, in COU-AA-302 nicht erlaubt), „Blutdruck“ (<170/105mmHG und <160/95mmHG), „NYHA-Klassifikation“ (3 oder 4 CHF bzw. 2, 3 oder 4 CHF ausgeschlossen) und „Vorhofflimmern“ (erlaubt versus nicht erlaubt). Das Studiendesign unterscheide sich zudem darin, dass die Studienmedikation in der PREVAIL-Studie bis zum Beginn einer weiteren Therapie gegeben wurde, während in der COU-AA-302-Studie bis zum radiologischen oder klinischen Progress behandelt wurde. Sipuleucel-T und Radium-223 zusätzlich zur Studienmedikation waren in PREVAIL erlaubt, in der COU-AA-302-Studie dagegen nicht.</p> <div id="rot">Der Vorteil der Enzalutamid-Therapie liegt schon im Studiendesign begründet, da Patienten mit Viszeralmetastasen eingeschlossen waren und weniger restriktiv mit kardialen Komorbiditäten umgegangen wurde. - Dr. med. Tomasz M. Beer</div> <p>Vergleichbar war die Patientencharakteristik mit Blick auf das Alter der eingeschlossenen Patienten, die mediane Zeit seit initialer Diagnose sowie die LDH- und ALP-Spiegel. In Bezug auf das PSA zu Studienbeginn waren verglichen mit der COU-AA-302-Studie in die PREVAIL-Studie Patienten mit höheren Werten in Verum- und Kontrollarm eingeschlossen (54,1 vs. 44,2 % ) (42,0 vs. 37,7), zeigte Beer auf. Damit könne man anhand des Studiendesigns einen Vorteil für Enzalutamid schon darin sehen, dass es bei Viszeralmetastasen untersucht wurde und dass die Einschlusskriterien weniger restriktiv in Bezug auf kardiale Komorbiditäten waren. Vorteile unter Abirateronacetat-Therapie gebe es möglicherweise für Patienten mit Schlaganfallrisiko.<br />Was die Wirksamkeitsanalyse angehe, sah Beer Vorteile beim PSA-Ansprechen – 78 % Ansprechen unter Enzalutamid-Therapie versus 62 % unter Abirateronacetat – sowie in Bezug auf das Ansprechen der messbaren Erkrankung – bei 59 % versus 36 % der Patienten. Auch die Toxizitäten seien im Vergleich der Zulassungsstudien, mit Ausnahme vielleicht der Fatigue, unter Enzalutamid vorteilhafter, so Beer.<br />Studienvergleich ist verboten, aber reizvoll – und alles, was wir haben</p> <p>Als Vermittlerin zwischen den Parteien trat Prof. Cora N. Sternberg, San Camillo and Forlanini Hospitals, Rom/Italien, auf. Sie erinnerte daran, dass die Ergebnisse zweier verschiedener Studien nicht verglichen werden sollten. Beide Substanzen würden auf den Androgenrezeptorsignalweg abzielen, beide seien vor Docetaxel-Therapie bei asymptomatischer oder minimal symptomatischer mCRPC untersucht worden und die beiden Zulassungsstudien seien schon allein unter Berücksichtigung von alleinigem Placebo versus einen aktiven Komparator recht verschieden. Sie bemerkte, dass Prednison sowohl von Vorteil (aktive Medikation, reduzierte Nebenwirkungen) als auch von Nachteil, z.B. für ältere Patienten mit Diabetes oder Bluthochdruck (Aktivierung des Glukokortikoidrezeptors), sein könne.<br />Der Vergleich von zwei verschiedenen Studien sei aber auch reizvoll. Vielleicht könne man mehr Substanzinteraktion mit Abirateronacetat vermuten und ein häufigeres Auftreten der Fatigue unter Enzalutamid. Die Kosten und die Patientenmeinung entscheiden möglicherweise zugunsten von Abirateron, sagte Sternberg. Eine optimale Sequenz im Kontext von Wirksamkeit und Kreuzresistenzen sei ungewiss und randomisierte Head-to-head-Studien seien nicht verfügbar. Man müsse auf Basis der bestehenden Ergebnisse mit den Substanzen umzugehen lernen, sagte Sternberg, denn niemand werde diese Head-to-head-Studie durchführen.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Advanced Prostate Cancer Consensus Conference (APCCC), Debate Session „Abiraterone or enzalutamide as first-line treatment“,
13. März 2015, St. Gallen
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