
Debatte: kontinuierliche vs. zeitlich limitierte Immuntherapie
Redaktion und Übersetzung aus dem Englischen:
Dr. med. Judith Moser
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Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) haben die Krebstherapie revolutioniert. Allerdings gibt es nach wie vor keine definitive Antwort auf die Frage der optimalen Behandlungsdauer. Können die Benefits beim Lungenkarzinom durch die kontinuierliche Gabe maximiert werden? Einige Argumente dafür und dagegen.
Vorteile der längeren ICI-Gabe sind ungewiss
Ich bin damit einverstanden, dass die Maximierung der Dauer der Immuntherapie beim Lungenkarzinom die beste Strategie ist, wenn mindestens eines der folgenden Argumente zutrifft:
-
bessere biologische Aktivität oder klinische Ergebnisse,
-
keine wesentliche Erhöhung der Toxizität oder Beeinträchtigung der Lebensqualität,
-
günstige Kosten-Nutzen-Ratio.
Zur biologischen Wirksamkeit zeigen Phase-I-Studien übereinstimmend, dass mit sehr niedrigen Immuncheckpoint-Inhibitor(ICI)-Dosen in >95% eine Rezeptorsättigung erreicht wird.1–3 Diese hält ≥2 Monate an, selbst bei Dosen, die signifikant niedriger sind und in grösseren Abständen verabreicht werden als die in der Praxis verwendeten. Eine Studie erbrachte unter Einsatz von PET mit 89Zr-markierten Antikörpern bei einem breiten Spektrum radioaktiver Dosen keine signifikanten Unterschiede in der Rezeptorsättigung.4 Auch war die Dauer der Rezeptorbelegung nach einer Einzeldosis bei zwei PET-Scans im Abstand von mindestens einem Monat vergleichbar.
Insgesamt sprechen die pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Daten zwar für eine kontinuierliche Verabreichung von ICI, allerdings in kleineren Dosen und grösseren Abständen als in der klinischen Praxis zugelassen. Der vorhandenen Evidenz zufolge verbessert eine unbegrenzte Gabe die Rezeptorsättigung oder deren Dauer über die Zeit hinweg jedenfalls nicht.
Effektivitätsdaten aus klinischen Studien
Es ist ungewiss, ob eine Maximierung der Therapiedauer zur Optimierung der klinischen Ergebnisse beiträgt. In den drei zulassungsrelevanten Phase-III-Studien zu Erstlinien-Pembrolizumab zeigte etwas mehr als die Hälfte der Patient:innen, die nach zweijähriger Behandlung die Immuntherapie protokollgemäss beendeten, nach fünf Jahren Rezidive.5–8 Es gibt keine überzeugende Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien, die dafür spricht, dass dies durch eine ICI-Gabe über mehr als zwei Jahre verhindert worden wäre.
In CheckMate 153 verbesserte die Fortsetzung der Nivolumab-Therapie über ein Jahr hinaus das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben (OS).9 Allerdings handelte es sich um eine explorative Analyse einer Community-basierten Studie, die nicht verblindet und hinsichtlich des initialen Ansprechens auf ICI nicht stratifiziert war. Die randomisierte Patient:innengruppe enthielt ein grosses progredientes Kollektiv. Benefits einer fortgesetzten Therapie fanden sich nur in der Subgruppe mit kompletter oder partieller Remission, nicht jedoch bei stabiler Erkrankung.
Gleichzeitig zeigten zwei grosse populationsbasierte Kohortenstudien aus Frankreich und den USA übereinstimmend keinen OS-Benefit durch eine mehr als zweijährige Therapie im Vergleich zu einer Behandlung mit fixer Dauer.10,11 Die DICIPLE-Studie, die Nivolumab plus Ipilimumab über mehr als sechs Monate prüfte, wurde aufgrund schlechter Rekrutierung vorzeitig abgebrochen; zumindest lässt sich festhalten, dass die „Stop-and-Go“-Strategie keine nachteiligen Effekte im Vergleich zur kontinuierlichen Therapie bewirkte.12
Toxizität und Kosten-Nutzen-Ratio
Eine längere ICI-Gabe bedingt eindeutig höhere Raten an behandlungsbedingten Nebenwirkungen (TRAE) und insbesondere immunassoziierten AE, die tendenziell chronisch sind und die Lebensqualität beeinträchtigen. In der CheckMate-9LA-Studie, die Nivolumab/Ipilimumab plus Chemotherapie testete, hatten 62,5% der Überlebenden nach fünf Jahren Ipilimumab aufgrund von Toxizitäten abgesetzt.13 Einem Pearson-Korrelationstest zufolge schien die Dauer der Ipilimumab-Gabe keinen Einfluss auf das Langzeitüberleben zu haben. Gleichzeitig zeigten sich sowohl in CheckMate 227 als auch in CheckMate 9LA nach dem Absetzen der ICI-Therapie aufgrund von TRAE sogar bessere Outcomes als in den Kontrollarmen.13,14
Schliesslich besteht kein Zweifel am ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis einer verlängerten ICI-Gabe. Beispielsweise würde in Griechenland die Therapie mit Erstlinien-Pembrolizumab über zwei statt fünf Jahre zu Kosteneinsparungen von fast 200 Millionen Euros führen.
Autor:
Giannis Mountzios, MD, MSc, PhD
4. Oncology Department & Clinical Trial Unit Henry Dunant Hospital Center
Athen, Griechenland
E-Mail:
gmountzios@gmail.com
Benefit-Maximierung durch längere ICI-Gabe
Beim metastasierten Lungenkarzinom hat die CheckMate-153-Studie im Zweitlinien-Setting gezeigt, dass eine Anti-PD-1-Therapie über ein Jahr einer kontinuierlichen Nivolumab-Gabe unterlegen ist.9 Dieser Effekt war von ECOG-Performance-Status und PD-L1-Expression unabhängig. Bei allen «Caveats» ist CheckMate 153 nach wie vor eine der wenigen Studien zur Behandlungsdauer.
Unbestritten ist der Umstand, dass eine Re-Challenge nach einer Therapie mit fixer Dauer in einem substanziellen Prozentsatz nicht funktioniert. In der KEYNOTE-010-Studie sprachen nach Zweitlinien-Pembrolizumab über zwei Jahre 57% der Patient:innen nicht auf die Re-Challenge an.15 KEYNOTE-024 zeigte ähnliche Ergebnisse für das Erstlinien-Setting; hier entwickelte nur ein Drittel nach zwei Behandlungsjahren ein erneutes Ansprechen auf Pembrolizumab.6 Es lässt sich nicht vorhersagen, bei wem eine Re-Challenge funktionieren wird, daher sollten wir die Benefits maximieren, da unsere Optionen danach ziemlich begrenzt sind.
Der wichtigste Punkt besteht meiner Einschätzung nach jedoch darin, dass die Behandlungsdauer willkürlich und unabhängig von der Biologie der Krankheit ist. Weder der Tumor noch das Immunsystem nehmen die Zeit entsprechend einem Kalenderformat wahr. In klinischen Studien hängt die Therapiedauer in der Regel nur mit Faktoren wie der Verfügbarkeit der Medikamente zusammen. Auf Populationsebene sind Grenzwerte sinnvoll, sie dienen aber nicht unbedingt als Grundlage für klinische Entscheidungen. Diese müssen individuell getroffen werden, denn es gibt einige Patient:innen, die keine dauerhafte Therapie benötigen.
Ein möglicher künftiger Weg besteht in Entscheidungen anhand der minimalen Resterkrankung. Dieser Ansatz wurde bereits bei GIST, einigen Sarkomen, Mammakarzinom und chronischer myeloischer Leukämie (CML) erfolgreich angewendet. Einige Patient:innen müssen sechs Monate behandelt werden, andere zwei Jahre. Viele CML-Patient:innen erhalten ihre Therapie sogar auf unbestimmte Zeit. Insgesamt ist eine Langzeitgabe ein vernünftiger Ansatz für Patient:innen ohne immunbedingte AE, die motiviert sind, aus der Immuntherapie das Maximum herauszuholen.
Autor:
Sandip Patel, MD
UC San Diego Moores Cancer Center
San Diego, USA
E-Mail:
spatel@health.ucsd.edu
Literatur:
1 Aggarwal S et al.: J Immunoth Cancer 2016; 4: 72 2 Elassaiss-Schaap J et al.: CPT Pharmacom System Pharmacol 2017; 6(1): 21-28 3 Weber JS et al.: J Clin Oncol 2008; 26(36): 5950-6 4 Miedema IHC et al.: Cancers (Basel) 2023; 15(23): 5546 5 Rodriguez-Abreu D et al.: Ann Oncol 2021; 32(7): 881-95 6 Reck M et al.: J Clin Oncol 2021; 39(21): 2339-49 7 Garassino MC et al.: J Clin Oncol 2023; 41(11): 1992-8 8 Novello S et al.: J Clin Oncol 2023; 41(11): 1999-2006 9 Waterhouse DM et al.: J Clin Oncol 2020; 38(33): 3863-73 10 Rousseau A et al.: Lancet Reg Health Eur 2024; 43: 100970 11 Sun L et al.: JAMA Oncol 2023; 9(8): 1075-82 12 Zalcman G et al.: Ann Oncol 2022; 33 (suppl_7): S448-554 13 Reck M et al.: Eur J Cancer 2024; 211: 114296 14 Brahmer J et al.: J Clin Oncol 2023; 41(6): 1200-12 15 Herbst RS et al.: J Clin Oncol 2020; 38(14): 1580-90
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