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Chirurgische Therapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Thomas Grünberger
1. Chirurgische Abteilung<br> Krankenanstalt Rudolfstiftung<br> Wien<br> E-Mail: thomas.gruenberger@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
15.09.2016
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<p class="article-intro">Der heurige ASCO-Kongress war wieder einmal für wissenschaftlich und klinisch Interessierte ein Feuerwerk an neuen Ergebnissen und Ideen. In dieser Zusammenfassung beschränke ich mich lediglich auf die Highlights der Abstracts, die sich mit der chirurgischen Behandlung des metastasierten Kolorektalkarzinoms beschäftigt haben.</p>
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<p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite88.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Stenteinbringung</h2> <p>Für die Oral Abstract Session zum kolorektalen Karzinom (CRC) wurden 2016 mehrere Beiträge ausgewählt, die von chirurgischer Relevanz sind. In dem ersten Abstract berichtete James Hill über die Langzeitergebnisse einer sehr relevanten Fragestellung:<sup>1</sup> Kann man bei Patienten, bei denen die Erstdiagnose eines CRC im Zusammenhang mit einem interventionsbedürftigen Ileus gestellt wird, durch die Einbringung eines Stents die Post-OP-Morbidität, definiert durch die Länge des Krankenhausaufenthalts, und die Post-OP-Mortalität verringern? In dieser prospektiven Phase-III-Studie an 246 Patienten in 39 Institutionen in England, die zwischen 2009 und 2014 mit einem linksseitigen CRC diagnostiziert wurden, konnte für die beiden oben erwähnten primären Endpunkte kein Unterschied zwischen den initial Gestenteten und den primär Operierten gefunden werden. Ebenso kein Unterschied ergab sich für die Lebensqualität der Patienten nach 3 bzw. 12 Monaten, und auch das Langzeitüberleben war in den beiden Gruppen gleich. Interessanterweise konnte aber in der gestenteten Gruppe die Notwendigkeit der Anlage eines künstlichen Ausgangs signifikant durch den Aufschub der Akutoperation von 69 % bei den initial operierten Patienten auf 45 % bei den verzögert operierten Patienten reduziert werden. Es ist den Autoren in diesem Multicenter-Trial zu einer Erfolgsrate von 92 % in der Stentgruppe zu gratulieren. Selbst die Stentperforationen (6 Patienten) konnten ohne Mortalität gelöst werden. Dass 92 % der Patienten potenziell kurativ behandelt wurden und 80 % ASA 1+2 waren, hat hier sicher geholfen. Nichtsdestotrotz stellt bei der Stentung in diesem Setting einmal mehr die Erfahrung des Interventionalisten den wesentlichen Erfolgsparameter dar. Dies schränkt bei uns vor allem wegen der häufig im Setting eines metastasierten CRC diagnostizierten Patienten und der ganz wenigen Institutionen mit ausreichender Expertise die generelle Verfügbarkeit dieses Verfahrens ein.</p> <h2>Mesorektale Exzision (TME) versus TME plus laterale Lymphknotenexstirpation (LNE) im kleinen Becken bei Rektumkarzinom</h2> <p>In einer japanischen Studie<sup>2</sup> haben die Autoren 700 Patienten im Stadium II–III mit tief sitzendem Rektumkarzinom von 2003 bis 2010 zu totaler mesorektaler Exzision (TME) versus TME plus laterale Lymphknotenexstirpation (LNE) im kleinen Becken randomisiert. Das Studiendesign benötigt ein wenig Erklärung: In Japan ist die Rektumresektion gemeinsam mit der Lymphknotenexstirpation im Bereich der Iliacalgefäße der Standard; irgendeine Form der neoadjuvanten Therapie (RTx oder CRTx) wurde nicht gegeben; adjuvant wurden Stadium-III-Patienten mit 5-FU/LV behandelt. Die Patienten, die im Prä-OP-Staging keine suspekten lateralen Lymphknoten aufwiesen (<1cm im CT), wurden intra-OP nach erfolgter TME in den Standardarm (= plus LNE) oder den experimentellen Arm (= TME alleine) randomisiert; primärer Endpunkt war das rezidivfreie Überleben; die Studie wurde als „non-inferiority trial“ geführt, wobei alleinige TME den experimentellen Arm darstellte. Dieser primäre Endpunkt wurde nach 5 Jahren Nachbeobachtungszeit numerisch in der ITT-Population (RFS TME+LNE 73,4 % vs. TME 73,3 % ) wie auch in der „elegible“ Population (74,1 % vs. 74,5 % ) erreicht. Auch die Gesamtüberlebensrate war mit 92,6 % gegenüber 90,2 % nicht signifikant unterschiedlich. Lediglich in Bezug auf das Überleben ohne lokale Rezidive im kleinen Becken konnte eine signifikant höhere Rate an Rezidiven im lateralen Becken (12,6 % vs. 7,4 % ; p=0,024) für den experimentellen Arm (TME alleine) gezeigt werden. Insgesamt war auch das lokale RFS mit 87,7 % vs. 82,4 % nicht signifikant unterschiedlich. Die Erweiterung der Operation durch die laterale LNE war mit einer signifikant längeren Operationszeit, signifikant höherem Blutverlust und höherer Post-OP-Komplikationsrate (n.s.) vergesellschaftet.<br /> In Summe ergibt sich aus diesen Ergebnissen keine Notwendigkeit, unseren Standard der TME alleine zu verändern. Seit Beginn der Studie im Jahre 2003 hat sich vieles im Peri-OP-Management von Stadium-II+III-Patienten geändert, wodurch die Langzeitergebnisse der Behandlung des Rektumkarzinoms zumindest in Europa verbessert werden konnten.</p> <h2>Zweizeitige Leberresektion</h2> <p>In dieser von Kollegen aus Montpellier durchgeführten Studie<sup>3</sup> wurde die Abhängigkeit der Komplettierung einer zweizeitigen Leberresektion vom pathologischen Ansprechen der Lebermetastasen auf vorangegangene Chemotherapie evaluiert. Bei der zweizeitigen Leberresektion wird bei der Erst-OP eine Leberhälfte von den noch vorhandenen Metastasen befreit, nach Pfortaderembolisation der anderen Leberhälfte wird diese in einer zweiten OP entfernt. Bekannt ist eine gewisse Drop-out-Rate von Patienten, die die zweite OP nicht mehr erreichen, weil sie während der Wartephase progredient werden. Die Autoren konnten Erfahrungen von anderen spezialisierten Zentren bestätigen, dass das pathologische Ansprechen ausschlaggebend für die Komplettierung ist, wobei hier eine komplette (TRG 1) oder fast komplette Destruktion der Tumorzellen (TRG 2) angestrebt wird (erhoben durch den sogenannten Tumor Regression Grade nach Rubbia-Brandt). Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass mit der Verwendung einer Triple-Therapie (FOLFIRINOX) die Rate an TRG 1+2 signifikant erhöht werden konnte. Daraus resultierend war das mediane Überleben bei den Patienten mit gutem TRG (und häufigerer Komplettierung der zweizeitigen OP) signifikant länger als bei den wenig Ansprechenden.<br /> Aus den diversen Studien mit intensivierter Chemotherapie bei initial nicht resektablen Lebermetastasen ist wichtig mitzunehmen, dass die Diskussion der initialen Bildgebung im Tumorboard in einer Intention des Erreichens eines Ziels resultieren soll, das nach 2 Monaten reevaluiert werden soll, und dass dabei auch der Pathologe wichtig ist.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Die Tatsache, dass es kein mCRC-Abstract 2016 in die Plenary schaffte, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass bedeutende Ergebnisse gezeigt werden konnten, die „practice changing“ sein werden. Der in einem anderen Beitrag diskutierte Einfluss der „sidedness“ gehört sicher dazu, wobei die CALGB/SWOG-40983-Auswertung sicher nur einen weiteren Beweis dafür darstellt, dass Patienten mit rechtsseitigem mCRC eine schlechtere Prognose aufweisen als solche mit linksseitigem mCRC und daher anders behandelt werden sollen. Inwieweit das auch einen Einfluss auf das chirurgische Vorgehen haben wird, werden darauf aufbauende Studien ergeben.</p> </div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Hill J et al: Randomised phase III study of stenting as a bridge to surgery in obstructing colorectal cancer – results of the UK ColoRectal Endoscopic Stenting Trial (CREST). J Clin Oncol 2016; 34 (suppl; abstr 3507)<br /><strong>2</strong> Fujita S et al: A randomized trial comparing mesorectal excision with or without lateral lymph node dissection for clinical stage II, III lower rectal cancer: Primary endpoint analysis of Japan Clinical Oncology Group study JCOG0212, J Clin Oncol 2016; 34 (suppl; abstr 3508)<br /><strong>3</strong> Bibeau F et al: Two-stage hepatectomy for colorectal metastases: association of pathologic response to intensified preoperative chemotherapy with second stage completion and longer survival. J Clin Oncol 2016; 34 (suppl; abstr 3549)</p>
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