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Checkpoint-Inhibitoren erobern die onkologische Therapie
Jatros
Autor:
Mag. Dr. Anita Schreiberhuber
30
Min. Lesezeit
23.11.2017
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<p class="article-intro">Das Gipfeltreffen zur Immunonkologie, das am 16. September in Wien stattfand, zeichnete sich durch ein abwechslungsreiches Programm aus: Während am Vormittag Speed Updates zum Status quo bei Forschung und Zulassungsstatus von immunonkologischen (IO) Substanzen auf der Agenda standen, wurden am Nachmittag Workshops angeboten. Den Abschluss bildete ein Vortrag zur Behandlung in der Zukunft.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Zweifelsohne gilt das Melanom auf diesem Gebiet als Vorreiter, und zwar deshalb, weil bei dieser Tumorentität die IO Substanzen Eingang in die Therapie von Malignomen gefunden haben. Mit Ipilimumab (IPI), einem CTLA4-Antikörper (AK), kam im Jahr 2011 der erste Checkpoint-Inhibitor in dieser Indikation zur Zulassung, gefolgt von Nivolumab (Nivo), einem PD-1-Inhibitor, im Jahr 2015.<sup>1</sup> Inzwischen haben die IO Substanzen auch bei Malignomen wie dem nicht kleinzelligen Bronchuskarzinom (NSCLC) oder bei Hodgkin-Lymphomen (HL) einen etablierten Stellenwert – beim NSCLC ist Pembrolizumab (Pembro) bei einer PD-L1-Expression ≥50 % sogar in der Erstlinie zugelassen.<sup>2</sup> In mehr und mehr Indikationen werden die Effekte von IO Substanzen untersucht bzw. finden Eingang in die klinische Praxis. <br />Herausgegriffen seien im Folgenden zwei Bereiche: einerseits das metastasierte Kolonkarzinom (mCRC), bei dem die Wirksamkeit der IO Substanzen nur in einem bestimmten Patientenkollektiv nachgewiesen werden konnte,<sup>3, 4</sup> andererseits das HL, das unter allen Tumoren die höchste Responserate zeigt.<sup>5</sup></p> <h2>mCRC: MSI-Ausprägung korreliert mit der Response auf IO Substanzen</h2> <p>„Die Idee, dass die immunonkologischen Substanzen auch bei gastrointestinalen Tumoren wirksam sein könnten, ist nicht ganz neu. Wir haben schon vor zehn Jahren gesehen, dass der Immunoscore direkt proportional mit der Prognose, unabhängig vom Stadium, korreliert“, so die einleitenden Worte von Assoc. Prof. Dr. Gerald Prager, Medizinische Universität (MU) Wien.<br />Für das mCRC wurde die Hypothese aufgestellt, dass Tumoren mit einer hohen Mikrosatelliten-Instabilität (MSI-H) aufgrund von Mismatch-Repair-Defekten besonders suszeptibel für IO Substanzen sind. Im Rahmen einer Phase-II-Studie wurde Pembro bei massiv vorbehandelten Patienten mit Missmatch-Repair-defizienten vs. Mismatch-Repair-profizienten (mikrosatellitenstabilen, MSS) Tumoren verglichen. Die Ergebnisse bestätigen, dass bei Patienten mit MSI-H-Tumoren nicht nur sehr rasch eine Response eintritt, sondern auch eine hohe Ansprechrate (ORR: 40 % ) erzielt wird. Hingegen wurde bei MSI-profizienten Patienten kein Ansprechen verzeichnet (ORR: 0 % ). <br />In die Studie CheckMate 142 wurden mCRC-Patienten mit einer MSI-H nach einer Induktionsphase mit Nivo zusätzlich mit IPI therapiert. Die mediane Dauer bis zum Ansprechen unter Nivo betrug 2,8 Monate, die ORR lag bei 55 % , eine Krankheitskontrolle für ≥12 Wochen wurde bei 79 % erreicht. Bei 80 % wurde eine Reduktion der Tumorlast ab Baseline erreicht. Die 12-Monats-OS-Rate lag bei 73,8 % . Die mediane Dauer des Ansprechens war zum Zeitpunkt der Präsentation auf dem ESMO-Kongress 2017 noch nicht erreicht.<br />Gibt es Biomarker, die zusätzlich zur MSI prädiktive Aussagen zulassen? Letztendlich hat sich nur der MSI-Status als verlässlicher Marker für das Ansprechen auf IO beim MCRC herauskristallisiert.<sup>4</sup> „Die Ursache für den MSI-H-Status – ob hereditär bedingt oder erworben – spielt keine Rolle“, ergänzte Prager.</p> <h2>Gibt es neue Strategien für MSS-Tumoren?</h2> <p>Die Rationale für die Initiierung einer Phase-I-Studie zur Kombination des MEK-Inhibitors Cobimetinib mit dem PD-L1-Inhibitor Atezolizumab bei mCRC mit MSS war die Beobachtung in präklinischen Modellen, dass MEK zur Hochregulierung von MHC I auf den Tumorzellen führt und in weiterer Folge die Anti-PD-L1-Aktivität von Atezolizumab verstärkt. Die ORR betrug 17 % , wobei bei 52 % eine partielle Response (PD) und bei 22 % zumindest eine stabile Erkrankung (SD) erzielt wurde. In der bald darauf initiierten Phase-III-Studie IMBlaze (NCT02788279) war die Rekrutierung innerhalb kürzester Zeit abgeschlossen, die Präsentation der Ergebnisse wird im Rahmen des ASCO-GI-Kongresses im Jänner erwartet. „Falls sich bestätigt, dass die immunonkologischen Substanzen bei allen mCRC-Patienten mit einem Benefit einhergehen, könnte das einen Paradigmenwechsel bedeuten“, äußerte sich Prof. Prager zu dieser Strategie.<sup>6</sup></p> <h2>Morbus Hodgkin: exzellente Wirksamkeit von IO Substanzen</h2> <p>Beim HL ist sind sowohl Nivo<sup>7</sup> nach einer autologen Stammzelltransplantation (ASCT) und Behandlung mit Brentuximab Vedotin (BV) als auch Pembro<sup>8</sup> nach Versagen einer ASZT und einer Behandlung mit BV oder nach Versagen von BV, wenn eine ASZT nicht infrage kommt, zugelassen.<br />Zur exzellenten Wirksamkeit der IO Substanzen bei dieser Erkrankung erklärte Univ.-Prof. Dr. Ulrich Jäger, MU Wien, Folgendes: „Die genetischen Loci, die für PD-L1 und PD-L2 codieren, weisen bei so gut wie allen HL-Patienten Amplifikationen auf. Das heißt, es liegen mehrere Kopien dieser Gene vor, die auch verstärkt exprimiert werden, und das dürfte der Grund dafür sein, dass PD-L1- und PD-1-Inhibitoren bei HL extrem gut wirksam sind.“<br />CheckMate 205 (NCT02181738) ist eine aus 4 Kohorten zusammengesetzte Phase-II-Studie, in der die Gabe von Nivo bei BV-naiven Patienten (Kohorte A; n=63), bei BV-Vortherapierten nach ASZT (Kohorte B; n=80), bei BV-Vortherapierten vor oder nach ASZT (Kohorte C; n=100) bzw. bei therapienaiven HL-Patienten (Kohorte D) bis zur Progression oder bis zum Tod untersucht wird. Die Ergebnisse der Kohorten A, B und C wurden auf dem diesjährigen EHA-Kongress präsentiert. Die Patienten hatten bis zu 4 vorangegangene Therapielinien erhalten, das mediane Alter lag zwischen 30 und 40 Jahren. Insgesamt stehen noch 40 % der Studienteilnehmer unter Nivo-Therapie. Die Wirksamkeit ist als beachtlich einzustufen: Bei >95 % der auswertbaren Patienten wurde eine Reduktion der Tumorlast nachgewiesen (Abb. 1).<sup>9</sup> „Anders als bei Chemotherapie, bei der mit jeder Linie mit einem zunehmend schlechteren Ansprechen zu rechnen ist, wurden unter der immunonkologischen Therapie unabhängig von den Vortherapien vergleichbare Responseraten erzielt. Über 80 Prozent zeigten nach 15 Monaten immer noch eine CR, auch bei jenen mit einer SD hat sich ein Plateau eingependelt. Das spricht dafür, die Therapie fortzusetzen“, berichtete Jäger über die Therapieerfolge. Das mittlere OS war zum Zeitpunkt der Auswertung (Data-Cut-off: Dezember 2016) noch in keiner Kohorte erreicht.<sup>9</sup> Im selben Design erfolgte in diesen Kollektiven die Untersuchung von Pembro in der Studie KEYNOTE 87.<sup>10</sup> „Dass die Ergebnisse vergleichbar gut sind, dürfte auf den Klasseneffekt der beiden Antikörper zurückzuführen sein“, merkte Jäger an.<br />In Kohorte D (therapienaive Patienten) wird nach einer 8-wöchigen Nivo-Induktionstherapie Nivo in Kombination mit dem AVD-Schema (Doxorubicin, Vinblastin, Dacarbazin) untersucht. Die Rekrutierung ist im Gange.<br />Gegenwärtig wird Nivo mit dem bislang als beste Rezidivtherapie etablierten CD30-AK-Wirkstoff-Konjugat BV (NCT02572167) vs. BV als Monotherapie (NCT03138499) untersucht. Prälimi­-näre Ergebnisse der Phase-I/II-Studie NCT02572167 deuten mit einer ORR von 90 % und einer CR-Rate von 62 % auf eine hohe Effektivität dieses Regimes hin. Die Nebenwirkungen waren managebar, niemand brach die Studie aufgrund von AE ab.<sup>11</sup> Nivo plus BV scheint also eine vielversprechende Option zu sein, wobei umfassendere Daten noch abzuwarten sind.</p> <h2>Ausblick: Was erwartet uns in der Zukunft?</h2> <p>Den Abschluss des spannenden Kongresstages bildete ein Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Christoph Zielinski, MU und Comprehensive Cancer Center Wien, mit dem Titel „Immunonkologische Behandlung der Zukunft“.<br />Um die Responseraten bzw. die unter immunonkologischer Therapie beobachteten Plateaus weiter zu erhöhen, werden viele Kombinationsstrategien untersucht: Die Immunonkologie per se, Radiotherapie, Chemotherapie (CTx) und zielgerichtete Substanzen stellen „Bausteine“ dar, von denen eine weitere Verbesserung der Outcomes erhofft wird.<br />Innerhalb der Signalwege gibt es eine Vielzahl an Proteinen, die ein potenzielles Target darstellen. Derzeit sind nur Substanzen verfügbar, die die T-Zelle als Zielzelle haben, und von den damit assoziierten Proteinen werden nur CTLA-4, PD-1 und PD-L1 genutzt. „Daran ist das Potenzial ersichtlich, was wir alles erreichen können. Zurzeit wird an ca. 1000 Substanzen geforscht, die in der Lage sein sollten, die immunologische Antwort zu verstärken“, erläuterte Zielinski. Insgesamt präsentiert sich uns eine komplexe Situation, weil wir uns nicht nur auf die Immunogenität des Tumors, sondern auch auf die Immunogenität des Mikroenvironments konzentrieren müssen. So ist mit der kombinierten Anwendung von IPI (CTLA-4-AK) und Nivo (PD-1-AK) eine Strategie verfügbar, mit der sowohl eine Beeinflussung der Tumorzelle (IPI) als auch eine des Tumor-Mikromilieus (Nivo) möglich ist und deren hohe Effektivität, z.B. beim Melanom, bereits nachgewiesen werden konnte.<sup>12</sup></p> <h2>Chemotherapie + Checkpoint-Inhibition</h2> <p>Eine attraktive Kombinationsmöglichkeit scheint auch die Gabe von Ctx mit immunonkologischen Substanzen zu sein: „Eine wesentliche Erkenntnis ist, dass die Immun-Checkpoint-Inhibition in der Lage ist, Zellfunktionen zu modulieren. Gleichzeitig erkennen wir immer mehr, dass die CTx imstande ist, immunologische Effekte zu bewirken und zu verändern. Das beruht nicht nur auf der Freisetzung von Antigenen durch die sterbende Tumorzelle und der daraus resultierenden Möglichkeit, dass eine dendritische Zelle das AG den T-Zellen gegenüber präsentiert, sondern auch auf direkter Interaktion zwischen CTx und den Zielzellen des Immunsystems“, erklärte Zielinski. Emens und Middleton haben in einer Arbeit beschrieben, wie bestimmte CTx-Substanzen auf vielfältige Weise in das Immunsystem eingreifen können. Diese Möglichkeiten umfassen die Steigerung der Aktivierung von dendritischen Zellen (DC), das Vorantreiben der CD4<sup>+</sup>-Zellen und der Zellerkennung/Lyse, die Aufhebung der Aktivität von MDSC („myeloid-derived suppressor cells“) und der regulatorischen T-Zellen (Treg) sowie die Verstärkung des Cross-Primings zwischen aktivierten DC und CD8<sup>+</sup>-Zellen.<sup>13</sup> Durch Kombination mit der immunonkologischen Therapie können synergistische und additive Effekte erzielt werden, wie bereits u.a. aus den Ergebnissen der Studie KEYNOTE-021 zu CTx ± Pembro bei NSCLC abzuleiten ist.<sup>14</sup></p> <p><strong>Immunonkologie + zielgerichtete Therapie</strong></p> <p>Die Kombination von immunonkologischen mit zielgerichteten Substanzen stellt ein komplexes Thema dar. Speziell der Ansatz am RAS/RAF/MEK/ERK-Pathway dürfte sich als eine Herausforderung gestalten, wie aus einer Phase-I-Studie zur konkomitanten Verabreichung von Vemurafenib plus Ipilimumab bei Patienten mit BRAF-mutiertem Melanom hervorgeht: Bei fast allen der nur 12 Patienten stiegen die Aminotransferasespiegel (im Sinne einer AE Grad 3), sodass die Studie vorzeitig geschlossen werden musste.<sup>15</sup><br />Tatsächlich dürfte sich die sequenzielle Gabe dieser beiden Substanzen (IPI, gefolgt von Vemurafenib) als vorteilhafter bezüglich der Hepatotoxizität erweisen, wie aus den Ergebnissen einer Phase-II-Studie hervorgeht. Nichtsdestoweniger sollte die Nutzen-Risiko-Ratio dieser Strategie noch umfassend untersucht werden.<sup>16</sup> „Bei der Kombination von immunonkologischen mit zielgerichteten Substanzen ist große Vorsicht angebracht und sie sollte nur im Rahmen von klinischen Studien praktiziert werden“, warnte Zielinski.<br />Als vielversprechende Strategie könnte sich die Inhibition der Angiogenese erweisen, für die gezeigt werden konnte, dass sie mit einer verstärkten Wirksamkeit der immunonkologischen Substanzen einhergeht. Beispielsweise setzt Axitinib an 4 Molekülen – VEGR-1, -2, -3 und PDGFR – an. In einer Phase-Ib-Dosisfindungsstudie wurde unter Axitinib und dem PD-L1-Inhibitor Avelumab bei therapienaiven Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom eine beeindruckende ORR im Ausmaß von 100 % erzielt. Zurzeit läuft bereits die Phase-III-Studie JAVELIN Renal 101 (NCT02684006), in der die Kombination in dieser Indikation weiter untersucht wird.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: I-O Summit, Gipfeltreffen zur Immunonkologie, 16. September 2017, Wien
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<p><strong>1</strong> <a href="http://www.ema.europa.eu/ema/">http://www.ema.europa.eu/ema/</a> <strong>2</strong> Reck M et al.: N Engl J Med 2016; 375: 1823-1833 <strong>3</strong> Le DT et al.: N Engl J Med 2015; 372: 2509-2520 <strong>4</strong> Overman M et al.: ESMO 2017; Poster 479P <strong>5</strong> Matsuki E, Younes A: Curr Treat Options in Oncol 2016; doi: 10.1007/s11864-016-0401-9 <strong>6</strong> Bendell JC et al.: ASCO 2016; Abstract #3502 <strong>7</strong> Fachinformation zu Nivolumab, Stand: Juli 2017 <strong>8</strong> Fachinformation zu Pembrolizumab, Stand: August 2017 <strong>9</strong> Engert A et al.: EHA 2017; Abstract #S793 <strong>10</strong> Chen R et al.: J Clin Oncol 2016; 35: 2125-2132 <strong>11</strong> Herrera AF et al.: ASH 2016; Abstract #1105 <strong>12</strong> Larkin J et al.: N Engl J Med 2015; 373: 23-34 <strong>13</strong> Emens LA, Middleton G: Cancer Immunol Res 2015; 3: 436-443 <strong>14</strong> Langer CJ et al.: Lancet Oncol 2016; 17: 1497-1508 <strong>15</strong> Ribas A et al.: N Engl J Med 2013; 368: 1365-1366 <strong>16</strong> Armin A et al.: J Immunother Cancer 2016; doi: 10.1186/s40425-016-0148-7 <strong>17</strong> Larkin J et al.: ESMO 2016; Poster 775PD</p>
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