
Cancer Survivorship: mehr als überleben mit/nach Krebs?
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Michael Micksche
Ehem. Leiter des Instituts für Krebsforschung, MedUni Wien
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Fortschritte in der Früherkennung und Therapie von Krebs haben weltweit zu einer steigenden Zahl von Krebsüberlebenden geführt. In Österreich waren dies im Jahr 2019 insgesamt 375749 Personen. Eine adäquate Versorgung von Krebsüberlebenden gilt als große Herausforderung für das Gesundheitssystem. Sind die derzeitigen Modelle für eine zufriedenstellende Behandlung der „unmet needs“ dieser Gruppe von Patient*innen geeignet? Denn sie wollen mehr als „nur überleben“.
Sehr viele der Krebsüberlebenden – entweder geheilt oder in Remission – haben ungestillte Bedürfnisse („unmet needs“) in Bezug auf physische, psychologische oder supportive Maßnahmen, da diese in gängigen Krankenversorgungsmodellen nicht optimal eingesetzt werden bzw. geringe Berücksichtigung erfahren.
Das Institute of Medicine (USA) hat wesentliche Punkte für die Versorgung von Krebsüberlebenden definiert:
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Prävention von neuen Krebserkrankungen oder von Rezidiven und Spätfolgen der Therapie,
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Überwachung bei neuen Krebserkrankungen oder von Rezidiven und deren medizinischen oder psychosozialen Effekten,
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Management von Folgen der Therapie einschließlich Symptommanagement und Hilfe mit praktischen Aspekten,
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Koordination zwischen den Versorgungseinrichtungen/-stellen für Onkologie und Primärversorgung, um sicherzustellen, dass alle Bedürfnisse der Krebsüberlebenden berücksichtigt, erfasst und bedient werden.
Überlebende mit/von Krebs sind mit zahlreichen, sowohl medizinischen als auch sozialen, Problemen konfrontiert. Die daraus resultierenden Bedürfnisse, deren Identifikation und Management sind eine der großen Herausforderungen für unser Gesundheitssystem. Physische Konsequenzen von speziellen Therapien wie kardiale Dysfunktionen, metabolisches Syndrom, Lymphödem, periphere Neuropathie und Osteoporose müssen behandelt werden. Gerade die neuen Immuntherapien können zu sogenannten immunmediierten Nebenerscheinungen im Gastrointestinaltrakt, im Endokrinum, an der Haut und der Leber führen. Schmerzen und deren Ursachen müssen identifiziert und mit (non)pharmakologischen Maßnahmen therapiert werden. Angst vor einem Rezidiv, Fatigue, veränderte Schlaf- und Wahrnehmungsgewohnheiten, gestörte Sexualität und Intimität, Sorgen um die Familie, um die finanzielle Situation und den Joberhalt sind hier auch als Probleme zu nennen. Diese mannigfaltigen psychosozialen Probleme können durch eine Psychotherapie wirksam behandelt werden. Veränderungen des Lebensstils wie Rauchstopp, Abnehmen und die Reduktion des Alkoholkonsums sind notwendig, um das Rezidivrisiko zu senken. Körperliche Ertüchtigung kann nicht nur Lebensqualität und Überleben verbessern, sondern auch beim Management von Fatigue, Schmerz, metabolischem Syndrom, Osteoporose und kognitiven Defiziten eine wesentliche Hilfe bedeuten.
Erkenntnisse der letzten Jahre zeigen, dass maßgeschneiderte Interventionen allgemeinen Maßnahmen überlegen sind. Festzustellen ist aber, dass diese Interventionen weder von der onkologischen noch von der allgemeinen Versorgung routinemäßig wahrgenommen und unterstützt werden. Ein systematisches, aber auch individualisiertes Vorgehen, das diese komplexen medizinischen, sozialen und auch persönlichen Bedürfnisse berücksichtigt, ist erforderlich. Bisherige Modelle der Versorgung von Krebspatient*innen sind auf die akute Phase ausgerichtet und viele Überlebende werden mit bestehenden Problemen aus der Obsorge entlassen. Daher sind dringend alternative Modelle für diese wachsende Patient*innen-/Personengruppe zu fordern. In den letzten 25 Jahren haben sich besonders 3 Modelle, die auch in Studien (RCT) untersucht wurden, entwickelt: 1) Versorgung durch die Allgemeinmedizin, 2) paritätische Versorgung durch Allgemeinmedizin und Onkologie, 3) Versorgung durch onkologische Krankenpflege. Eine rezente Serien-Publikation im „Lancet“ (Vol. 399, April 2022) nimmt auf diese Modelle und Problematik ausführlich Bezug und betont deren Wertigkeit.
Zusätzliche Versorgungsmodelle, die wesentliche Verbesserungen in der Versorgung bringen sollen, sind unterstütztes Selbstmanagement, Long-term-Follow-up-Kliniken und Rehabilitation.Eine Förderung der Befähigung von Überlebenden zum Selbstmanagement ihrer Gesundheit und der emotionalen, psychosozialen und funktionellen Spätkomplikationen von Krebserkrankung und Therapie sind dabei integraler Bestandteil für Gesundheit, Lebensqualität und Überleben. Long-term-Follow-up-Kliniken können Krebsüberlebenden mit komplexen Bedürfnissen und solchen mit großem Risiko für gravierende Spätfolgen Hilfe bieten. Die Mitarbeit von verschiedensten medizinischen Spezialfächern, mehreren Gesundheitsdisziplinen und erfahrenen Krankenpflegefachkräften ist dabei erforderlich. Intensive multidisziplinäre Rehabilitation ist eine besonders wichtige Komponente in der Versorgung von Krebsüberlebenden. Damit kann den multidimensionalen Langzeitfolgen von Krebserkrankung und Therapie begegnet werden, um eine optimale physische, psychische, mentale und auch soziale Funktionalität wiederzuerlangen.
Idealerweise sollten zukünftige Studien in Ergänzung zu den derzeitigen Endpunkten – wie Rezidivvorsorge, Lebensqualität und Zufriedenheit – auch die Verbesserung von sozialer Funktionalität, Rückkehr an den Arbeitsplatz, optimales Management der Komorbiditäten, Verbesserung der Patient*innenaktivierung und des Gesundheitsverhaltens, geringere Kosten für Patient*innen und Gesundheitssystem als Outcome der Versorgung anstreben.
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