
Brustrekonstruktion vor geplanter Radiotherapie?
Autor:
PD Dr. med. Konstantin J. Dedes
Brustzentrum Zürichsee
Klinik Im Park, Zürich
E-Mail: konstantin.dedes@hin.ch
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Die chirurgische Therapie des Mammakarzinoms hat sich in den letzten Jahren bedeutend gewandelt. Nebst der Deeskalation in der Axillachirurgie zu deutlich weniger systematischen axillären Lymphonodektomien werden modifiziert-radikale Mastektomien immer weniger oft durchgeführt.
Effizientere und zielgenauere präoperative Systemtherapien haben hauptsächlich zu diesem Trend beigetragen. Parallel zum Trend zu mehr brusterhaltender Therapie zulasten der modifiziert-radikalen Mastektomie nehmen aber auch deutlich die haut- und nippelsparenden Mastektomien zu. Die bessere Datenlage zur Sicherheit von haut- und nippelsparenden Mastektomien beim Mammakarzinom, wie auch der zunehmende Trend zu prophylaktischen Mastektomien beim hereditären Brustkrebssyndrom, haben das Indikationsspektrum der beiden Methoden deutlich erweitert. Gleichzeitig hat sich auch das Indikationsspektrum für die adjuvante Radiotherapie, insbesondere der Postmastektomie-Bestrahlung, ausgeweitet, sodass im Alltag immer häufiger die Frage gestellt wird, wie die Rekonstruktion im Falle einer benötigten Postmastektomie-Bestrahlung geplant werden soll.
Unabhängig vom Rekonstruktionsverfahren und vom Rekonstruktionszeitpunkt stellt die Postmastektomie-Bestrahlung einen erheblichen negativen Risikofaktor für postoperative Komplikationen nach Rekonstruktion und somit auch kosmetisches Outcome und schlechtere Lebensqualität für die betroffenen Patientinnen. Nichtsdestotrotz sollte auch bei Patientinnen mit geplanter Mastektomie und notwendiger adjuvanter Radiotherapie eine Rekonstruktion angeboten werden, zumal diese das onkologische Outcome nicht verschlechtert und im Vergleich zu einer simplen Mastektomie die Lebensqualität verbessern kann.1
Prätherapeutische Planung
Die Indikation einer Postmastektomie-Bestrahlung ist in gewissen Fällen schon prätherapeutisch nur schon aufgrund der Tumorgrösse/-ausdehnung in der Bildgebung gegeben. In den übrigen Fällen fällt die Indikation jedoch erst postoperativ und somit schon nach erfolgter Rekonstruktion.
Gemäss Abbildung 1 kann somit schon prätherapeutisch das ideale rekonstruktive Verfahren der Patientin empfohlen resp. mit ihr besprochen werden. Die Datenlage und auch die Empfehlung verschiedener Guidelines sprechen klar für die autologe Rekonstruktion im Falle einer geplanten Postmastektomie-Bestrahlung. Die Implantat-basierte Rekonstruktion findet vor allem in Fällen ohne notwendige Radiotherapie ihre Rolle. Trotzdem hat auch die Implantatrekonstruktion bei Postmastektomie-Bestrahlung ihre Rolle, sei es auf Wunsch der Patientin oder wenn ein autologes Verfahren nicht möglich oder gewünscht ist.
Autologe Rekonstruktion
Die Eigengewebsrekonstruktion vor geplanter Radiotherapie bietet mehrere Vorteile für die Patientin. Einerseits kann der Eingriff zeitgleich mit der onkologischen Operation in derselben Narkose integriert werden und erfordert nicht eine zweite Hospitalisation und Narkose (Fall 1, siehe Abb. 2), somit resultiert weniger Morbidität. Andererseits lässt sich der temporäre Verlust der Brust für einige Monate (Spätrekonstruktion) vermeiden (Fall 2, siehe Abb. 3). In grossen Metaanalysen war das Outcome der Sofortrekonstruktion versus eine simple Mastektomie und spätere autologe Rekonstruktion auch nicht schlechter, wenn man Fettgewebsnekrosen/Fibrose oder Lappenverluste vergleicht.2 Es fiel sogar eine deutlich geringere Serom-Rate bei der Rekonstruktion vor der Radiotherapie auf. Es gibt somit keine gute Evidenz, die autologe Rekonstruktion nach der Radiotherapie zu planen.
Abb. 2: Fall 1 – 43-jährige Patientin mit einem duktalen Mammakarzinom cT2 cN3 M0 ER/PR+/HER2-neg. Nach neoadjuvanter Chemotherapie erhielt sie die Nippel-sparende Mastektomie mit axillärer Lymphonodektomie und Sofortrekonstruktion mittels DIEP-Lappen. Foto vor Operation und ein Jahr nach Abschluss der Postmastektomie-Radiotherapie
Abb. 3: Fall 2 – 47-jährige Patientin mit inflammatorischem Mammakarzinom T4 N+ M0 ER/PR/HER2-neg. Nach neoadjuvanter Chemotherapie erhielt sie die modifiziert-radikale Mastektomie, adjuvante Postmastektomie-Bestrahlung und Spätrekonstruktion mittels DIEP-Lappen mit anschliessender Nippel-Rekonstruktion. Fotos nach modifiziert-radikaler Mastektomie und ein Jahr nach Abschluss der Postmastektomie-Radiotherapie
Eine Möglichkeit, ein brustfreies Intervall zu vermeiden, aber die autologe Rekonstruktion nach der Radiotherapie durchzuführen, ist das Verfahren der «verzögerten Sofortrekonstruktion», bei dem bei der haut-/nippelsparenden Mastektomie ein Gewebeexpander eingelegt wird und somit einerseits der Hautmantel erhalten bleibt und andererseits auch eine «teilrekonstruierte» Brust bis zur definitiven Rekonstruktion vorhanden ist. Ein wichtiges Argument für dieses Verfahren ist die Lappenfibrose, wenn nämlich der Eigengewebslappen nicht mitbestrahlt wird, andererseits lässt sich bei diesem Verfahren der onkologische Eingriff schneller bzw. einfacher planen, da die Operationszeit des ersten, onkologischen Eingriffs deutlich kürzer ist.
Was die Lappenfibrose betrifft, so ist dieses Argument jedoch wissenschaftlich nicht gut belegt respektive es gibt unterschiedliche Daten dazu. Eine der wenigen Studien, welche die Sofortrekonstruktion versus verzögerte Sofortrekonstruktion direkt vergleicht, kommt zum Schluss, dass beide Verfahren unterschiedliche Komplikationen aufweisen, aber keines der beiden Verfahren deutlich Vorteile gegenüber dem anderen aufweist.3 Für den Entscheidungsprozess der Patientin ein wichtiger Gesichtspunkt ist jedoch, dass bei der verzögerten Sofortrekonstruktion genügend Zeit besteht, um zu entscheiden, was für ein autologes oder sogar ob ein Implantat-basiertes Verfahren gewünscht ist.4
Auch in Experten-Panels findet man zu dieser Frage keine schlüssige Antwort.5 Aufgrund weniger Operationen, Hospitalisationen gibt es darum wenig Gründe, von einer Sofortrekonstruktion abzusehen und eine zweizeitige oder verspätete Sofortrekonstruktion zu empfehlen.
Implantat-basierte Rekonstruktion
Implantat-basierte Rekonstruktion ist nicht das Verfahren der ersten Wahl bei benötigter Postmastektomie-Bestrahlung. Bei ausdrücklichem Wunsch der Patientin nach guter Aufklärung der Vor- und Nachteile, bei präoperativ nicht erwarteter adjuvanter Bestrahlung oder wenn eine Eigengewebsrekonstruktion nicht möglich ist oder versagt hat, findet diese Methode trotzdem ihren Einsatz. Das zweizeitige Vorgehen ist bei der Implantat-basierten Rekonstruktion klar nicht zu empfehlen, da deutlicher vermehrte Komplikationen auftreten, wenn in das bestrahlte Gewebe ein Brustexpander und anschliessend ein Silikonimplantat eingesetzt werden muss. Die Reoperationsraten und Implantat-Verlustrate sind im Vergleich zur Implantatrekonstruktion vor geplanter Radiotherapie deutlich erhöht.6 Den grössten Vorteil einer direkten Rekonstruktion stellt natürlich der Erhalt der Haut und Mamille dar. Ebenso wird vermieden, dass die Patientin über mehrere Monate ohne rekonstruierte Brust auskommen muss.
Eine Zwischenlösung stellt die zweizeitige Implantatrekonstruktion dar, bei der ein Gewebeexpander den Hautmantel ggf. mit Mamille erhält, bis die Radiotherapie abgeschlossen ist und das definitive Silikonimplantat erst nach Abheilung der akuten Strahlenschäden eingesetzt wird. Ob die Sofortrekonstruktion («direct to implant») oder die zweizeitige Rekonstruktion («2-stage») favorisiert werden soll, wird oft kontrovers diskutiert. Bei der Sofortrekonstruktion sieht man in Fallserien etwas mehr Kapselfibrosen als bei der zweizeitigen Rekonstruktion, allerdings gibt es auch Studien, die zeigen, dass man dafür deutlich mehr Implantatverluste bei der Bestrahlung des Expanders in Kauf nehmen muss. Insgesamt ist die Datenlage respektive die Evidenz für diese Fragestellung nicht sehr gut. Es gibt keine randomisierte Studie dazu und die vorhandenen Fallserien weisen unterschiedliche Bias auf. Aufgrund der fehlenden Evidenz sollte somit eher die direkte Sofortrekonstruktion («direct to implant») favorisiert werden, da dadurch weniger Operationen für die Patientin nötig sind. Auch in Experten-Panels wird eher für dieses Vorgehen plädiert.5
Fazit
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bei fehlender robuster Evidenz für eine Rekonstruktion erst nach Bestrahlung, diese generell zeitgleich mit dem onkologischen Eingriff durchgeführt werden sollte, unabhängig ob eine Postmastektomie-Bestrahlung indiziert ist oder nicht. Dies bedeutet weniger operative Eingriffe und Hospitalisationen für die Patientin, was sicherlich die Lebensqualität rund um eine Karzinomdiagnose und Therapie positiv beeinflusst. Der Erhalt des Hautmantels resp. Mamille, wann immer onkologisch möglich, ermöglicht das bestmögliche ästhetische Outcome für die Patientin und sollte immer angestrebt werden. Kontrovers wird diskutiert, welche der beiden Methoden, die direkte Eigengewebs- oder Implantatrekonstruktion oder die zweizeitige Rekonstruktion nach Expander-Einlage, zu favorisieren ist. Solange es dazu keine klare Evidenz (randomisierte Studien) gibt, sprechen viele Gründe dafür, wann immer möglich eine Direktrekonstruktion anzustreben.
Literatur:
1 Bargon CA et al.: Breast cancer recurrence after immediate and delayed postmastectomy breast reconstruction. Asystematic review and meta-analysis. Cancer 2022; 128(19): 3449-69 2 Hershenhouse KS et al.: Systematic review and meta-analysis of immediate versus delayed autologous breast reconstruction in the setting of post-mastectomy adjuvant radiation therapy. J Plast Reconstr Aesthet Surg 2021; 74(5): 931-44 3 Christopher AN et al.: Acomparative analysis of immediate and delayed-immediate breast reconstruction after postmastectomy radiation therapy. J Reconstr Microsurg 2022; 38(6): 499-505 4 Pittelkow E et al.: Advantages of the delayed-immediate microsurgical breast reconstruction: extending the choice. J Reconstr Microsurg 2022; 38(7): 579-84 5 Weber WP et al.: Oncoplastic breast consortium recommendations for mastectomy and whole breast reconstruction in the setting of post-mastectomy radiation therapy. Breast 2022; 63: 123-39 6 Berbers J et al.: ‚Reconstruction: before or after postmastectomy radiotherapy?‘ Asystematic review of the literature. Eur J Cancer 2014; 50(16): 2752-62
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