
Brusterhalt auch bei Multizentrizität?
Autorin:
Dr. med. Heike Frauchiger-Heuer
Koordinatorin Brustzentrum
Brustzentrum Universitätsspital Zürich
E-Mail: heike.frauchiger-heuer@usz.ch
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Die Frage, ob die brusterhaltende Operation bei multizentrischen Befunden onkologisch sicher ist, führt immer wieder zu kontroversen Diskussionen. Bei der Operation als primärem Therapieschritt wird aufgrund der immer besseren Möglichkeiten der onkoplastischen Chirurgie das brusterhaltende Vorgehen heute mit guten kosmetischen Resultaten durchgeführt (Abb. 1). Ist dies auch im postneoadjuvanten Setting möglich und ist es onkologisch vertretbar?
Keypoints
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Die brusterhaltende Therapie sollte, wenn es chirurgisch möglich ist, auch bei Multizentrizität favorisiert werden.
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Trotz sehr guter Rekonstruktionsmöglichkeiten ist die Lebensqualität bei brusterhaltendem Vorgehen besser als bei der Mastektomie.
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Aufgrund der Bedeutung der zielgerichteten Systemtherapie besteht kein Vorteil der Mastektomie in Bezug auf das Gesamtüberleben gegenüber der brusterhaltenden Therapie.
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Präzisere Diagnostik sollte nicht zu einer Zunahme der Mastektomierate führen, sondern in der Auswahl des therapeutischen Gesamtkonzepts unterstützen.
Abb. 1: Beispiele für onkoplastische Operationen, postoperativ nach Roundblock-Technik, periareoläre Inzision
Seit Fisher et al. 1977 die ersten Daten zur brusterhaltenden Therapie publizierten, wird bei der Mehrzahl der Mammakarzinomoperationen eine Segment- oder Quadrantektomie mit Sentinellymphonodektomie durchgeführt. Auch nach über 20 Jahren Follow-up zeigt sich, dass ein brusterhaltender Ansatz mit nachfolgender Radiotherapie1,2 das Überleben der Patientinnen nicht verschlechtert.
Obwohl sich die bildgebende Diagnostik insbesondere durch die Zunahme der MRI-Untersuchungen stark verbessert hat und somit häufiger auch kleine multizentrische Befunde erkannt werden, führt dies nicht zu einer Verringerung der Zahl an Zweitoperationen bei positiven Schnitträndern, sondern lediglich zu einer Zunahme der Mastektomien und prophylaktischen Mastektomien der Gegenseite.3 Diese Daten lassen sich insbesondere im Kontext der Fortschritte im Bereich der diagnostischen Möglichkeiten (MRI-Biopsie, stereotaktische Biopsie) und Markierungstechniken (sonografisch darstellbarer Clips, Markierungsdrähte) schwer erklären.
Brusterhaltende Operationen beeinflussen die Lebensqualität
Studien, welche den Einfluss der Mastektomie und der brusterhaltenden Operation auf die Lebensqualität untersuchten, zeigten durchgehend, dass der Erhalt der eigenen Brust mit einem höheren körperlichen und psychosozialen Wohlbefinden assoziiert war.4,5
Dennoch stieg die Rate der uni- und bilateralen Mastektomien in den letzten Jahren wieder deutlich an, trotz der Zunahme der neoadjuvanten Systemtherapien, die häufig zu einer Verkleinerung oder sogar zur Komplettremission des Tumors/der Tumoren führt. Dieser Anstieg ist nicht durch die grössere Anzahl der genetischen Testungen mit Nachweis auf das Vorliegen einer Mutation erklärbar, da der Anteil der mutationsbedingten Mammakarzinome in Bezug auf die Gesamtzahl der Mammakarzinomdiagnosen sich nicht wesentlich verändert.
Das inzwischen in vielen Spitälern standardmässig durchgeführte MRI zur Beurteilung des Remissionsgrades nach abgeschlossener neoadjuvanter Therapie hat entgegen den Erwartungen kaum zur Verbesserung der präoperativen Situationseinschätzung und somit zur Verbesserung der Operationsplanung geführt.6 Vries et al. zeigten in einer kleineren Studie mit 185 Patientinnen sogar, dass der Ultraschall keine schlechteren Resultate als das MRI erbrachte.7
Multizentrizität und Gesamtüberleben
Die derzeit einzige Studie, die sich mit der Frage, ob Multizentrizität einen Einfluss auf das Gesamtüberleben hat, auseinandergesetzt hat, hat die Daten von insgesamt 6134 Patientinnen aus den Studien GeparTrio, GeparQuattro und GeparQuinto untersucht.8 Es wurden das «local recurrence-free survival» (LRFS), das «disease-free survival» (DFS) und das «overall survival» (OS) ausgewertet, die Ergebnisse wurden in ein Verhältnis zur Fokalität gesetzt. Als unifokal wurde eine Läsion, als multifokal wurden mehr als zwei Läsionen in einem Quadranten und als multizentrisch mehr als eine Läsion in mehr als zwei Quadranten bezeichnet. Die Operationstechnik wurde durch den Operateur festgelegt. Bei den untersuchten Patientinnen kamen alle Tumorstadien, alle Nodalstadien und jegliche Tumorbiologie vor.
Es zeigte sich kein Unterschied zwischen Patientinnen mit Mastektomie und Patientinnen mit brusterhaltender Therapie mit multifokalen oder multizentrischen Karzinomen (Abb. 2 und 3). Interessanterweise war die Prognose bei multizentrischen Tumoren teilweise besser als bei Unifokalität und Multifokalität. Hier scheint die vermehrt durchgeführte Radiotherapie einen Einfluss zu haben.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass die Prognose des Mammakarzinoms vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein okkulter distaler metastatischer Zellen abhängig ist und nicht vom Ausmass der lokalen Operation.
Die Frage, ob die brusterhaltende Operation auch bei Multizentrizität möglich ist, muss somit mit Ja beantwortet werden. Es spielt keine Rolle, ob die Operation primär oder nach neoadjuvanter Therapie erfolgt. Gerade im Zeitalter der Vielfalt an onkoplastischen Techniken bestehen viele Möglichkeiten, ohne dass die Kosmetik eingeschränkt wird.
Literatur:
1 Fisher B et al.: Twenty-year follow-up of a randomized trial comparing total mastectomy, lumpectomy, and lumpectomy plus irradiation for the treatment of invasive breast cancer. N Engl J Med 2002;347(16): 1233-41 2 Veronesi U et al.: Twenty-year follow-up of a randomized study comparing breast-conserving surgery with radical mastectomy for early breast cancer. N Engl J Med 2002; 347(16):1227-32 3 Houssami N et al.: Meta-analysis of pre-operative magnetic resonance imaging (MRI) and surgical treatment for breast cancer. Breast Cancer Res Treat 2017; 165(2): 273-83 4 Dominici L et al.: Association of local therapy with quality-of-life outcomes in young women with breast cancer. JAMA Surg 2021; 156(10): e213758 5 Hanson SE el al.: Long-term quality of life in patients with breast cancer after breast conservation vs mastectomy and reconstruction. JAMA Surg 2022; 157(6): e220631 6 Marinovich ML et al.: Meta-analysis of magnetic resonance imaging in detecting residual breast cancer after neoadjuvant therapy. J Natl Cancer Inst 2013; 105(5): 321-33 7 Vriens BE et al.: Ultrasound is at least as good as magnetic resonance imaging in predicting tumour size post-neoadjuvant chemotherapy in breast cancer. Eur J Cancer 2016; 52: 67-76 8 Ataseven B et al.: Impact of multifocal or multicentric disease on surgery and locoregional, distant and overall survival of 6,134 breast cancer patients treated with neoadjuvant chemotherapy. Ann Surg Oncol 2015; 22(4): 1118-27
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