
Ein Tanz auf dem Vulkan
Autorin:
Gitta Bellmann
Pflegefachfrau im mobilen Palliativ- und Onkologie-Dienst MPD-SPITEX BERN/MPD Bern-Aare
Wundmanagerin ZWM, CAS Palliativ Care
E-Mail: gitta.bellmann@spitex-bern.ch
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Exulzerierende Tumorwunden treten mit dem Fortschreiten einer Tumorerkrankung bei 5–10% der Patienten auf. Aufgrund der Exulzeration steigt die Infektions- und Blutungsgefahr, das Exsudations- und Geruchsmanagement wird zur Herausforderung. Der Patient, sein Umfeld sowie das gesamte Behandlungsteam werden vielschichtig gefordert. Ein palliatives Wund- und Symptommanagement kann im ambulanten Setting Sicherheit vermitteln, Spitaleinweisungen verhindern, die Selbstwirksamkeit der Betroffenen unterstützen und dadurch die Lebensqualität steigern.
Körperliche Unversehrtheit wird für viele Menschen durch eine Tumorerkrankung infrage gestellt. Durchbricht der Tumor die Haut, bekommt er eine Dimension, die für die betroffene Person, das gesamte Umfeld sowie das Behandlungsteam zu einer grossen Herausforderung wird. Neben dem Substanzverlust der Haut kommt es zu einer Veränderung des Körperbildes, der Körperwahrnehmung und des Körpergeruchs.
Scham, Selbstzweifel, Ekel treten auf – begleitet von Ängsten. Von der Angst, aufgefressen zu werden oder am lebendigen Körper zu verfaulen; von der Angst, «auszulaufen», verstärkt durch die Angst vor Ablehnung, was oft zu einem emotionalen Rückzug bis zur sozialen Isolation führt. Die Scham ist oft so ausgeprägt, dass die Betroffenen Vermeidungsstrategien entwickeln und «ihre Wunde» so lange wie möglich verheimlichen.
Abb. 1: Bei Entstehung von Fistelgängen nach einer Laryngektomie besteht Aspirationsgefahr durch Hydrofaserapplikation im Fistelgang. Innovative Verbandsfixation
Die Belastung für das familiäre Umfeld wird von aussen meist nicht wahrgenommen. Im ambulanten Setting sind Überforderung, Hilflosigkeit, Ekel, Scham, gesellschaftlicher Druck, belastende Geruchsemission, Angst vor Körperkontakt und Blutung sowie emotionaler Rückzug beiderseits spürbar. Dies ist für die Pflege erschwerend, da viele Pflegefachpersonen im Umgang mit Exulzerationen zu wenig Sicherheit haben.
Durch das Tumorwachstum steigen bei jedem Verbandswechsel die Infektions- und Blutungsgefahr sowie die Angst, durch die Wundpflege Schmerzen zu verursachen. Die Verbandswechsel sind geprägt von schwierigem Exsudationsmanagement und pflegetechnischen Verbandsapplikationen unter der Auflage, wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich zu sein. Dabei muss die Pflege gleichzeitig Ruhe und Sicherheit ausstrahlen und den eigenen Ekel unter der Wahrung von Nähe und Distanz aushalten.
Behandlungsziel: Lebensqualität
Zu Beginn der palliativen Wundbehandlung sollte gemeinsam mit der betroffenen Person ein erreichbares Ziel definiert werden. Die Lebensqualität ist das oberste Ziel, jedoch stehen meist verschiedene Aspekte im Vordergrund:
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Exsudat- und Geruchsmanagement
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Blutungsmanagement – mit Notfallplan, «Blutungskistli» und Instruktion der Angehörigen
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Adäquate Schmerzbehandlung
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Juckreiz, Parästhesien
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Tragekomfort vom Verbandsmaterial – Häufigkeit des Verbandswechsels
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Scham/Ekel
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Verändertes Körperbild
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Infektionsprophylaxe
Aus wundpflegerischer Sicht stehen verschiedene Faktoren im Vordergrund. Die Blutungsneigung setzt einen atraumatischen Verbandswechsel voraus sowie ein Wunddressing, welches nicht mit dem Wundgrund verkleben und das Exsudat adäquat aufsaugen kann.
Zudem sollte die richtige Wundauflage gewählt werden, um den Wundgeruch zu minimieren und Schmerzen zu verhindern. Aufgrund dieser Komplexität sollte im Behandlungsteam eine Entscheidungsfindung gemeinsam mit der betroffenen Person thematisiert werden, um notfallmässige Spitaleinweisungen zu verhindern und Ruhe ins System zu bringen. Dieses Gespräch sollte mithilfe des interprofessionellen Betreuungsplans dokumentiert werden. Voraussetzung dafür ist eine gute Schulung beim Wundversorgungsteam und beim familiären Umfeld.
Vorgehen bei Blutung
Zu einem adäquaten Blutungsmanagement gehören neben der Notfallplanung eine sichere und professionelle Durchführung des Verbandswechsels. Vor dem Entfernen des Altverbandes muss sichergestellt werden, dass dieser nicht mit dem Wundgrund verhaftet ist.
Sollte dies der Fall sein, muss der Altverband entweder befeuchtet oder über dem Primärverband beziehungsweise dem liegenden Hämostatikum in eine lange Nassphase geführt werden. Die Nassphase bewirkt neben der Keimreduktion auf der Wunde eine gute Befeuchtung des Wundgrundes und verhindert das Einreissen der Krustenbildung.
Zudem muss die Wunde zwingend mit gut befeuchteten Tupfern gereinigt werden, um einen atraumatischen Verbandswechsel zu ermöglichen. Das Hämostatikum wird so lange auf der Wunde belassen, bis es sich ablöst. Es sollte eine Wundauflage gewählt werden, die das Austrocknen der Wunde verhindert und keine mechanischen Reize auf der Wunde auslösen kann.
Zudem sollte vor Ort eine Pflegebox mit Anleitung vorhanden sein, damit bei einer Blutung ruhig und sicher gehandelt werden kann. Gleichzeitig muss bedacht werden, ob eine Antikoagulation noch indiziert ist und ggf. abgesetzt werden kann.
Die meisten Blutungen sind eher oberflächlich und lassen sich meist lokal behandeln: Alginat trocken auf die blutende Stelle legen und Tranexamsäure direkt darauf träufeln. Dies stillt die meisten lokalen Blutungen. Bei einer akuten Blutung kann ein Hämostatikum eingesetzt werden.
Eine regelmässige Wundreinigung verhindert Wundgeruch und reduziert die Keimlast
Wundgeruch
Begleitet von der Blutung entsteht oft ein Wundgeruch, hervorgerufen durch den Eiweissabbau. Die Ursache des Wundgeruchs ist meist eine hohe Keimlast auf der Wunde, verstärkt durch Zelltrümmer und abgestorbenes Gewebe. Es gibt viele alternative Massnahmen, um den Wundgeruch im Raum zu reduzieren, jedoch ersetzen diese keine Wundreinigung.
Eine Nassphase von 20 Minuten mit einer hypochlorigen Wundspüllösung über die gesamte Verbandsauflagefläche reduziert die Keimlast und löst Debris. Zudem sollte eine regelmässige und gute Wundreinigung inklusive der Wundumgebung vorgenommen werden. Die lokale Anwendung mit Metronidazol als Nassphase nach der Wundreinigung bewirkt eine Geruchsreduktion.
Weiter können geruchsbindende Wundauflagen gewählt werden, die Silber, Aktivkohle oder Carbonfaser enthalten. Die Applikation von medizinischem Honig kann den Wundgeruch durch die antibakterielle Wirkung reduzieren.
Abb. 2: A: Mammakarzinom vor Nassphase, Wunde 11x10cm. B: Nach 20 Minuten Nassphase. C: Nach Wundreinigung. D: 14 Tage später nach Verbandswechsel 3xwöchentlich. E: 10 Monate später, Patientin ist unter Chemo- und Immuntherapie, Wunde 3,5x2cm
Exsudation
Eine starke Exsudation ist eine natürliche Reaktion des Körpers zur Keimreduktion. Deshalb kann von der Exsudationsmenge allein nicht auf einen Infekt geschlossen werden.
Hier sollten gut saugende Wundauflagen/Superabsorber verwendet und der Verband sollte regelmässiger gewechselt werden. Aufgrund des hohen Eiweissverlustes muss über eine Eiweisssubstitution nachgedacht werden, sonst besteht die Gefahr, dass das Infektrisiko steigt.
Bei einer Wundinfektion sollte eine Nassphase mit einem Antiseptikum vorgenommen werden, begleitet von einer systemischen Antibiotikatherapie. Es soll kein okklusiver Verband angelegt werden.
Wundschmerz
Schmerzen sollten immer vor, während und nach dem Verbandswechsel evaluiert werden. Um Schmerzen an der Wunde zu verhindern, darf die Wundauflage weder anhaften noch reizen oder die Wunde auskühlen lassen. Präventiv kann ca. 30 Minuten vor dem Verbandswechsel eine systemische oder lokale Analgesie durchgeführt werden.
Juckreiz
Hautreizungen durch das Exsudat können durch eine gute Hautpflege und einen Wundrandschutz mit Zinkcreme gelindert werden.
Die Betreuung von palliativen Wundpatienten setzt aufgrund der Symptomatik und der Komplexität ein interprofessionelles Behandlungsteam voraus, um die Lebensqualität möglichst hoch zu halten.
Ambulante Notfallplanung bei Blutung
Bei Blutung Kompression anbringen, dann Einweisung auf den Notfall. Nach Möglichkeit Transfer auf eine Palliativstation mit einem folgenden Rundtischgespräch.
Ruhe bewahren
Alginat trocken auf blutende Stelle legen, zwei Ampullen Tranexamsäure aufbrechen und unverdünnt aufs Alginat träufeln
Mextra oder Zetuvit plus
Dunkle Tücher zum Aufsaugen und Kompression von aussen
Midazolam-Nasenspray verabreichen und – wenn involviert – mobilen Palliativdienst (MPD) anrufen: Tel. 031 *** oder Tel. 144 Sanitätspolizei → Hospitalisation!
Literatur:
bei der Verfasserin
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