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Bedeutung der Resistenzmutation in der individualisierten Therapie aus klinischer Sicht

<p class="article-intro">Zahlreiche neue Medikamente, „targeted agents“, stehen uns im klinischen Alltag zur Verfügung. Der Begriff „personalized medicine“ geht derzeit jedoch oft noch an der Realität vorbei, denn zahlreiche „targeted therapies“ (z.B. Angiogenesehemmer, Multikinasehemmer, mTOR-Hemmer, Immunonkologika, CDK4/6-Inhibitoren u.v.a.) werden ohne vorhandenen prädiktiven Biomarker oder Vorstellung über Resistenzmechanismen/ Marker breit angewendet. Trotz aller Limitationen haben sich in den letzten Jahren einige genetische Merkmale in der personalisierten Medizin etabliert, die im folgenden Beitrag erläutert werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Einer von zwei Menschen erkrankt im Laufe seines Lebens an einer Tumorerkrankung, etwa jeder Vierte stirbt daran. Die Krebsinzidenz stieg in den letzten Jahren an, ein Zusammenhang mit Lifestyle- Faktoren (Bewegungsmangel, Rauchen und &Uuml;bergewicht) wird vermutet. Entsprechend den j&auml;hrlichen &bdquo;cancer statistics&ldquo; sind Bronchuskarzinom, Prostatakarzinom und Kolorektalkarzinom beim Mann und Bronchuskarzinom, Mammakarzinom und Kolorektalkarzinom bei der Frau die h&auml;ufigsten Krebserkrankungen. Genetisches Make-up, Umweltfaktoren und Zufall f&uuml;hren zum Entstehen von Krebs. Das in den 1990ern postulierte Modell von Bert Vogelstein, dass die Kumulation von genetischen Ver&auml;nderungen (Mutationen) in &bdquo;normalen&ldquo; K&ouml;rperzellen zur malignen Zelle f&uuml;hrt, hat seine G&uuml;ltigkeit in seinen Grundz&uuml;gen bewahrt. Zahlreiche neue Erkenntnisse und nicht zuletzt die von Hannahan und Weinberg postulierten &bdquo;Hallmarks of Cancer&ldquo; haben unser Wissen um die Krebsentstehung erweitert.</p> <h2>&bdquo;Targeted agents&ldquo; und personalisierte Medizin</h2> <p>Zahlreiche neue Medikamente, &bdquo;targeted agents&ldquo;, stehen uns im klinischen Alltag zur Verf&uuml;gung. Trotz aller Limitationen haben sich in den letzten Jahren einige genetische Merkmale in der personalisierten Medizin etabliert. Beispielhaft seien hier die BRAF-Mutationen beim Melanom f&uuml;r den Einsatz der BRAF-Inhibitoren Vemurafenib und Dabrafenib genannt und das RAS-Panel als negativer pr&auml;diktiver Marker f&uuml;r die EGFR-Hemmung beim Kolorektalkarzinom. Eine interessante Neuentwicklung auf diesem Gebiet ist sicherlich die Bestimmung von Mutationen aus dem Plasma (&bdquo;liquid biopsy&ldquo;), sei es aus zirkulierenden Tumorzellen oder wohl noch mehr aus der zirkulierenden Tumor-DNA.</p> <h2>Bronchuskarzinom &ndash; Vorreiter beim Nachweis sekund&auml;rer Resistenzmechanismen</h2> <p>Bei all den Fortschritten in der Erkennung von prim&auml;ren Resistenzmechanismen hinkt der Nachweis von sekund&auml;ren Resistenzmechanismen hinterher. Als eine &ndash; vielleicht die einzige &ndash; Entit&auml;t bei soliden Tumoren, die in diesem Bereich massive Fortschritte erlebt hat, sei an dieser Stelle das metastasierte nicht kleinzellige Bronchuskarzinom zu nennen. War es vor zehn Jahren noch &uuml;blich, hinsichtlich der Therapiewahl einzig zwischen kleinzellig und nicht kleinzellig zu unterscheiden und war der Zugewinn an &Uuml;berlebenszeit in gro&szlig;en Phase-III-Chemotherapie- Studien sehr gering, hat sich die genetische Landschaft inzwischen dramatisch weiterentwickelt. Durch die breite Einf&uuml;hrung von &bdquo;Next generation sequencing&ldquo;-Techniken wurden mehr Erkenntnisse und eine genetische Subtypisierung m&ouml;glich. Zahlreiche genetische L&auml;sionen sind heute beim nicht kleinzelligen Bronchuskarzinom bekannt, wobei derzeit vor allem die EGFR-Mutation und die ALK/ROS-Aktivierung in den Fokus der Medikamenten-Neuentwicklungen ger&uuml;ckt sind (die Immuntherapeutika seien an dieser Stelle nicht n&auml;her ausgef&uuml;hrt). Betrachtet man den EGFR-Signalweg, so zeigen sich die Erstgenerations- EGFR-Hemmer Erlotinib und Gefitinib sowie der Zweitgenerations-Pan-EGFRHemmer Afatinib als besonders wirksam bei L858R- und Del19-Mutationen. Alle drei Wirkstoffe haben das progressionsfreie &Uuml;berleben bei besserer Vertr&auml;glichkeit im Vergleich zur Standardchemotherapie signifikant verl&auml;ngert. Viel hatte man sich vom Pan-EFGR-Hemmer Afatinib erwartet &ndash; die LUX-Lung-7-Studie hat im Vergleich zu Gefitinib h&ouml;here Ansprechraten und eine Tendenz zu verl&auml;ngertem 18- und 24-Monats-PFS ergeben. Ungeachtet dieser Fortschritte entwickeln alle Patienten trotz exzellenten Ansprechens eine sekund&auml;re Resistenz, welche in einer beachtlichen Anzahl (&gt;50&ndash;70 % ) durch eine singul&auml;re Mutation in der Kinase- Dom&auml;ne (T790M-Mutation) verursacht wird. Bisher bekannte alternative Mechanismen der Resistenz sind ein Bypass &uuml;ber andere Signalwege (inkludierend die Onkogene MET, HER2, BRAF, AXL), Transformation in kleinzellige Varianten und Mechanismen der epithelialmesenchymalen Transition. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurde der Drittgenerations- EGFR-Hemmer Osimertinib zugelassen. Osimertinib inhibiert sowohl die T790M-Mutation als auch die klassischen oben angef&uuml;hrten EFGR-Mutationen &ndash; durch die weniger potente Hemmung des EGFR-Wildtyps sollen die typischen Nebenwirkungen wie Rash und Durchfall weniger h&auml;ufiger auftreten. Das Studienprogramm war umfangreichend und hat von der Phase-I-Studie AURA &uuml;ber AURA2 bis hin zur rezent publizierten Phase-III-Studie AURA3 gef&uuml;hrt (Mok et al, New Engl J Med February 2017). In dieser &bdquo;landmark study&ldquo; wurden 419 T790M-mutierte Patienten mit nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom nach Versagen eines anderen EGFR-gerichteten Tyrosinkinase-Hemmers randomisiert in Osimertinib versus klassische Chemotherapie. Das progressionsfreie &Uuml;berleben wurde von 4,4 Monaten auf 10,1 Monate statistisch signifikant und klinisch hochrelevant verl&auml;ngert. Ein schon die fr&uuml;hen Phasen der Osimertinib-Entwicklung begleitendes translationales Forschungsprogramm hat sich mit der Frage von Durchf&uuml;hrbarkeit, Sensitivit&auml;t und Methodenvergleich des Nachweises von Mutationen im Blut (&bdquo;liquid biopsy&ldquo;) besch&auml;ftigt.<br /> Zusammenfassend l&auml;sst sich sagen, dass der Nachweis von (T790M-)Mutationen im Plasma m&ouml;glich ist, jedoch die Sensitivit&auml;t (etwas &uuml;ber 50 % ) nicht ausreicht, um bei negativem Ergebnis auf eine Biopsie zu verzichten. Bei positivem Nachweis der Mutationen im Plasma scheint Osimertinib &auml;hnlich gute Wirksamkeitsdaten aufzuweisen wie beim Nachweis direkt im Tumorgewebe.</p> <h2>ALK-Inhibition</h2> <p>Die zweite gro&szlig;e Front beim Bronchialkarzinom hat sich &uuml;ber die Entdeckung der ALK-&Uuml;beraktivierung (&uuml;ber Translokation, Amplifikation und Mutation) ge&ouml;ffnet. Crizotinib, der Erstgenerations-ALKInhibitor, hat zu einer Risikoreduktion f&uuml;r das progressionsfreie &Uuml;berleben auf 0,45 im Vergleich zur klassischen Chemotherapie gef&uuml;hrt. Trotz der noch kurzen Zulassungsdauer dr&auml;ngen bereits Zweit- und Drittgenerations-ALK-Inhibitoren (Ceritinib, Alectinib, Brigatinib und Lorlatinib) auf den Markt oder stehen kurz vor der Zulassung. Bez&uuml;glich des Auftretens von Punktmutationen im ALK-Gen ergeben sich interessanterweise Unterschiede im Vergleich zu EGFR-Inhibitoren. W&auml;hrend im EGF-Rezeptor in bis zu 60 % eine einzelne Mutation (T790M) zur Resistenz f&uuml;hrt, scheinen f&uuml;r ALK-Inhibitoren nur in ca. 30 % der F&auml;lle Punktmutationen in der Kinase-Dom&auml;ne des ALK-Proteins eine Rolle zu spielen, der Rest der auftretenden Resistenzen d&uuml;rfte &uuml;ber ALK-Gen-Amplifikationen oder Aktivierung von anderen Signalwegen herr&uuml;hren.<br /> Neueste Erkenntnisse zeigen jedoch auch hier Unterschiede in Abh&auml;ngigkeit vom eingesetzten ALK-Inhibitor. W&auml;hrend bei Crizotinib das oben Gesagte zutrifft, scheinen die beiden neuen Zweitgenerations- ALK-Inhibitoren Ceritinib und Alectinib h&auml;ufiger zu Punktmutationen in der Kinase-Dom&auml;ne zu f&uuml;hren, wobei relativ h&auml;ufig die G1202R-Mutation auftritt. Die gegenw&auml;rtige Entwicklung auf Grundlage von neuen Erkenntnissen aus klinischen Studien ist rasant.</p> <div id="&quot;fazit"> <h2>Fazit</h2> Bei aller Euphorie &uuml;ber die Entwicklung der personalisierten Medizin beim Bronchialkarzinom bleiben jedoch kritische Limitationen erw&auml;hnenswert. Neben den Kosten f&uuml;r die Diagnostik erscheint insbesondere die Tumorheterogenit&auml;t ein Problem f&uuml;r die richtige Interpretation der Resistenzentwicklung, aber auch f&uuml;r die Diagnostik aus einer &bdquo;liquid biopsy&ldquo; darzustellen.</div></p>
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