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Auf zu neuen Ufern in der zielgerichteten Therapie der AML?
Jatros
Autor:
OÄ Dr. Elisabeth Koller
3. Medizinische Abteilung<br> Hämatologisch-onkologisches Zentrum<br> Hanusch-Krankenhaus, Wien<br> E-Mail: elisabeth.koller@wgkk.at
30
Min. Lesezeit
31.05.2018
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<p class="article-intro">Durch den Abschluss mehrerer erfolgreicher Studien kam es im Jahr 2017 zu einer Reihe von Neuzulassungen von AML-Therapeutika aus unterschiedlichen Substanzklassen. Neue Chemotherapieformulationen, epigenetische Therapeutika, Tyrosinkinaseinhibitoren sowie Antikörper haben gleichermaßen in der AML-Therapie ihren Stellenwert, der im folgenden Beitrag erläutert wird.</p>
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<p class="article-content"><p>Die akute myeloische Leukämie (AML) des Erwachsenen ist eine klonal heterogene Erkrankung. Neben anderen Risikofaktoren werden das Ansprechen und das Überleben der Patienten hauptsächlich durch genetische Faktoren bestimmt. Die genetische Landkarte der neu diagnostizierten AML beschreibt über 250 Gene in neun verschiedenen Genkategorien, im Durchschnitt sind 13 Gene pro AML-Patient mutiert. Die European Leukemia Net (ELN) Guidelines ordnen diese Genmutationen und Kombinationen von Mutationen drei verschiedenen Risikokategorien zu. Nur wenige Mutationen kommen mit einer Häufigkeit von über 10 % vor. Zusätzlich sind die bei vielen Patienten vorkommenden Komutationen prognostisch sehr bedeutsam (Tab. 1).<br /> Aufgrund dieser Tatsachen gab es bislang kaum Neuzulassungen für die zielgerichtete Behandlung der AML. Das Jahr 2017 war jedoch der Wendepunkt. Durch den Abschluss mehrerer erfolgreicher Studien erlangte eine Reihe von Substanzen (Midostaurin, Enasidenib, Venetoclax, CPX-351, Gemtuzumab Ozogamicin) eine Zulassung durch die FDA (Food and Drug Administration), Midostaurin auch durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA).<br /> Diese Neuzulassungen kommen aus unterschiedlichen Substanzklassen – neue Chemotherapieformulationen, epigenetische Therapeutika, Tyrosinkinaseinhibitoren sowie Antikörper. Im Folgenden sollen einige dieser neuen Medikamente und ihr potenzieller Nutzen in der AML-Therapie etwas genauer vorgestellt und diskutiert werden.<br /><br /><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1803_Weblinks_s45_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="1180" /></p> <h2>CPX-351</h2> <p>CPX-351 (Vyxeos™) ist eine enkapsulierte liposomale Formulierung von Daunorubicin und Cytosinarabinosid in einer fixen molaren Ratio von 1U = 1mg ARAC + 0,44mg DNR. Der Vorteil dieser Substanz gegenüber dem bisherigen Chemotherapiestandard „3+7“ soll vor allem ein selektiver Uptake in leukämischen Zellen sein. Zur Zulassung in den USA führten Studien bei Patienten höheren Lebensalters mit zum Teil ungünstigen Voraussetzungen (AML nach vorangegangener MDS-Erkrankung, AML mit Hochrisikokaryoptyp, therapieinduzierte AML). In dieser selektierten Patientengruppe konnte CPX-351 einen Vorteil gegenüber „3+7“ zeigen, der durch eine signifikant höhere Rate an kompletten Remissionen und allogenen Transplantationen sowie eine Verminderung der Frühtodesrate gekennzeichnet war. Die Zulassung wurde vorläufig nur für die therapieinduzierte AML und AML-MRC (AML mit MDS-typischen Veränderungen) gewährt. Weitere Studien laufen gerade und sollen den Benefit von CPX-351 auch bei AML-Patienten jüngeren Lebensalters zeigen.</p> <h2>FLT3-Inhibition – Midostaurin</h2> <p>FLT3-Mutationen treten bei der AML mit einer Häufigkeit von ca. 25 % auf, oft in Kombination mit einer NPM1- oder DNMΤ3Α- Mutation. Je nach Allel-Ratio bzw. -mutationen können AML mit dieser Veränderung von der Low-Risk- bis zur High- Risk-Gruppe gefunden werden. Wir unterscheiden FLT3-Inhibitoren der 1. Generation, meist Multikinaseinhibitoren wie Sorafenib und Midostaurin, und 2.-Generations- Inhibitoren, wie Quizartinib, Crenolanib und Gilteritinib. Daten von abgeschlossenen Phase-III-Studien bei FLT3- mutierter AML liegen nun für Midostaurin vor. In der CALGB-10603-Studie (Ratify [Alliance]) wurden über 3000 Patienten auf Vorliegen einer FLT3-Mutation gescreent, um letztlich 717 Patienten zu randomisieren. Die Patienten erhielten zusätzlich zur Standardinduktion, Konsolidierung und Erhaltungstherapie Midostaurin oder Placebo. Die Studie konnte den angestrebten primären Endpunkt – eine Verbesserung des Gesamtüberlebens – eindrucksvoll belegen (Abb. 1), und damit wurde die Zulassung durch FDA und EMA für die Therapie der FLT3-positiven AML gewährt. Eine derzeit laufende Studie, die AML- 16-10-Studie der AMLSG soll diese Daten auch bei älteren Patienten und nach Transplantation bestätigen. Weitere Studien mit selektiveren Inhibitoren werden bei Denovo- AML, im Rezidiv und als Erhaltungstherapie durchgeführt.<br /><br /><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1803_Weblinks_s45_abb1.jpg" alt="" width="1457" height="829" /></p> <h2>IDH-Mutation</h2> <p>Die epigenetischen Mutationen IDH1 und IDH2 sind wesentlich als FLT3-Mutationen und kommen bei etwa 10–15 % aller AML-Patienten vor. Im Fall einer Mutation dieser für den Zitronensäurezyklus (oder „Krebszyklus“) wichtigen Gene kommt es zu erhöhten 2-Hydroxyglutaratspiegeln und nachfolgend zu einem Zell-Arrest. Enasidenib, ein IDH2-Inhibitor hemmt diese exzessive Produktion und kann, ohne zytotoxisch zu wirken, zur Ausreifung der leukämischen Zellen führen. Die Substanz ist für die orale Einnahme verfügbar, gut verträglich – eine bekannte Nebenwirkung stellt das Differenzierungssyndrom dar, welches sich ähnlich wie bei Retinoidbehandlung präsentiert und im Normalfall gut mit Kortikoiden zu behandeln ist. Patienten mit IDH2-Mutation, die im Rezidiv oder refraktären Zustand mit Enasidenib als Monosubstanz behandelt wurden, erreichten eine ORR von ca. 40 % .<br /> Aufgrund des hohen Potenzials bei rezidivierter und refraktärer AML wurde die Substanz basierend auf Daten der Phase-I/ II-Studie in dieser Indikation zugelassen.</p> <h2>Bcl-2-Inhibition</h2> <p>Bcl-2, ein Apoptose-Protein, spielt auch bei der AML eine große Rolle, eine erhöhte Expression von Bcl-2 wurde mit einem ungünstigen Krankheitsverlauf assoziiert. Venetoclax, ein Inhibitor von Bcl-2, kann die Balance zugunsten der Apoptose wiederherstellen. In der Monotherapie konnte bei Bcl-2-sensitiven Patienten und bestimmten genetischen Veränderungen (IDH-Mutation) ein limitiertes Ansprechen gezeigt werden.<br /> Zur Zulassung von Venetoclax für die Behandlung von therapienaiven älteren AML-Patienten hat aber eine Studie in Kombination mit niedrig dosiertem Cytosinarabinosid geführt. Patienten mit ungünstigen Charakteristika wie hohem Lebensalter, Vortherapie mit hypomethylierenden Substanzen oder ungünstigem Karyotyp konnten hohe Ansprechraten erzielen (62 % CR + CRi), das mediane Gesamtüberleben nach 12 Monaten lag bei 70 % . In einer weiteren Phase-II-Studie wurde Venetoclax mit hypomethylierenden Substanzen kombiniert, auch die Ergebnisse dieser Kombination sind sehr vielversprechend. Derzeit werden mehrere randomisierte Studien durchgeführt, sie können hoffentlich diese vielversprechenden Ergebnisse bestätigen.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Insgesamt geben diese neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der AML-Therapie Anlass zur Hoffnung und könnten erstmals zu einer Veränderung der jahrzehntelang bestehenden Therapiestandards führen.</p> </div></p>
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<p>• Papaemmanuil E et al.: Genomic classification and prognosis in acute myeloid leukemia. N Engl J Med 2016; 374: 2209-2221. doi: 10.1056/NEJMoa1516192 • Döhner H et al.: Acute myeloid leukemia. N Engl J Med 2015; 373: 1136- 1152. doi: 10.1056/NEJMra1406184 • Döhner H et al.: Diagnosis and management of AML in adults: 2017 ELN recommendations from an international expert panel. Blood 2017; 129: 424-447. doi: 10.1182/blood-2016-08-733196 • Lancet JE et al.: Phase 2 trial of CPX-351, a fixed molar ratio of cytarabine/daunorubicin vs cytarabine/daunorubicin in older adults with untreated AML. Blood 2014; 123(21): 3239-46 • Feldman EJ et al.: First-in-man study of CPX-351: a liposomal carrier containing cytarabine and daunorubicin in a fixed 5:1 molar ratio for the treatment of relapsed and refractory acute myeloid leukemia. J Clin Oncol 2011; 29(8): 979-985 • Stone RM et al.: The multi-kinase inhibitor midostaurin (M) prolongs survival compared with placebo (P) in combination with daunorubicin (D)/ cytarabine (C) induction (ind), high-dose C consolidation (consol), and as maintenance (maint) therapy in newly diagnosed acute myeloid leukemia (AML) patients (pts) age 18–60 with FLT3 mutations (muts): an international prospective randomized (rand) P-controlled double-blind trial (CALGB 10603/RATIFY [Alliance]). Blood 2015; 126: 6. doi: 10.1182/blood-2015-05-643395 • Stein EM et al.: Enasidenib in mutant IDH2 relapsed or refractory acute myeloid leukemia. Blood 2017; 130(6): 722-731. doi: 10.1182/ blood-2017-04-779405. Epub 2017 Jun 6 • DiNardo CD et al.: Clinical experience with the BCL2-inhibitor venetoclax in combination therapy for relapsed and refractory acute myeloid leukemia and related myeloid malignancies. Am J Hematol 2017; Dec 8. doi: 10.1002/ajh.25000. [Epub ahead of print] • Wei A et al.: Safety and efficacy of venetoclax plus low-dose cytarabine in treatment-naive patients aged ≥65 years with acute myeloid leukemia. Blood 2016; 128: 102</p>
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