
Auf dem Weg zur genomischen Klassifikation
Autorin:
Prof. Dr. med. Sara C. Meyer, PhD
Inselspital
Universitätsspital Bern
E-Mail: sara.meyer@insel.ch
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Genetische Marker spielen in der Risikoeinschätzung von Patient:innen mit Myelofibrose und im Therapiealgorithmus zunehmend eine entscheidende Rolle. Eine Reihe an JAK2-Inhibitoren hat das Spektrum der Behandlungsoptionen massgeblich erweitert.
Progrediente Knochenmarkfibrose und extramedulläre Hämatopoese kennzeichnen das Krankheitsbild der Myelofibrose (MF). Die Symptome umfassen unter anderem Fieber, Nachtschweiss und abdominelle Beschwerden infolge der Splenomegalie. Darüber hinaus bestehen eine erhöhte Thromboembolie- und Blutungsneigung sowie ein gesteigertes Risiko für eine leukämische Transformation. Klinisch erstreckt sich das Spektrum von oligosymptomatisch bis zu hochaggressiv, weshalb die Risikostratifizierung eine essenzielle Rolle einnimmt.
Der kurative Therapieansatz beinhaltet die allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation (Allo-HCT), die nicht bei allen Patient:innen durchgeführt werden kann. Im Rahmen der symptomatischen Behandlung gelangen JAK2-Inhibitoren, Erythropoese-stimulierende Substanzen, Transfusionen und andere Strategien zum Einsatz.
Risikoerhöhende Mutationen
Für die Risikoeinschätzung werden heute zunehmend genomische Marker herangezogen, da sie die Prognose und in gewissen Situationen auch das Ansprechen auf die Therapie beeinflussen. Der Karyotyp fliesst etwa zusätzlich zu klinischen Faktoren in die Berechnung des DIPSS-plus-Scores ein; dies erlaubt eine Differenzierung zwischen Prognosegruppen mit einem medianen Überleben von 1,3 bis 15 Jahren.1
Als Hochrisikoalterationen konnten Mutationen in den Genen ASXL1, EZH2, SRSF2 und IDH1/2 identifiziert werden, die mittlerweile auch in den MIPSS70+-Score Eingang gefunden haben.2 Ein positiver Nachweis korreliert mit einer Verkürzung des Gesamtüberlebens und einem erhöhten Transformationsrisiko.3 Im Zusammenhang mit der TP53-Mutation fällt die Quantität ins Gewicht: Hier wirken sich speziell Multi-Hit-Läsionen in der chronischen Erkrankungsphase ungünstig auf die Überlebenswahrscheinlichkeit aus.4
Eine genomische Klassifikation ist heute noch nicht Realität, doch die aktualisierten EBMT/ELN-Guidelines zur Allo-HCT bei MF beziehen genetische Informationen mit ein.5 Demnach wird die Allo-HCT bei hohem Risiko bzw. Intermediär-2-Risiko laut DIPSS-plus und hohem Risiko laut MIPSS70 empfohlen, insbesondere bei Vorliegen von Zytopenien, Blastenerhöhung oder ungünstigen Mutationen/ungünstiger Zytogenetik.
Dank besser verträglicher Konditionierungsregimes ist das Durchschnittsalter der MPN-Patient:innen mit Allo-HCT seit dem Jahr 2000 kontinuierlich gestiegen.6 JAK2-Inhibitor-Vortherapien ermöglichten eine Abnahme der durchschnittlichen Milzgrösse vor dem Eingriff. Als Driver-Aberrationen gelten JAK2-, CALR- und MPL-Mutationen. Deren Verschwinden 30 Tage nach der Allo-HCT hat sich als prädiktiv für ein vermindertes Rezidivrisiko herausgestellt.7
Alte und neue JAK2-Inhibitoren
Patient:innen, bei denen eine Allo-HCT nicht infrage kommt, können von den Typ-I-JAK2-Inhibitoren Ruxolitinib, Momelotinib, Fedratinib und Pacritinib profitieren. Diese Substanzen hemmen sowohl die JAK2-Mutante als auch den JAK2-Wildtyp und sind bei JAK2-, CALR- und MPL-mutierter, aber auch bei tripelnegativer MF aktiv.8,9 Pacritinib wurde bisher nur in den USA zugelassen, ist in der Schweiz jedoch über Early-Access-Programme verfügbar. Fedratinib hat leider vor Kurzem seine bedingte Zulassung in der Schweiz verloren.
Ruxolitinib befindet sich als «Standard»-JAK-Inhibitor bereits seit mehr als zehn Jahren in Verwendung. Die Substanz zeigt gute Wirksamkeit in Bezug auf Symptomkontrolle sowie Reduktion der Milzgrösse und bedingt einen moderaten Überlebensvorteil.10Man sollte die Therapie zeitnah nach Diagnosestellung initiieren, da dann signifikante Benefits im Bereich von Anämie und Splenomegalie zu erwarten sind, die sich in einem verlängerten Gesamtüberleben niederschlagen können.11
Ein substanzieller Teil der Patient:innen muss die Therapie mit Ruxolitinib im Verlauf von einigen Jahren aufgrund von Verlust des Ansprechens, Nebenwirkungen oder leukämischer Transformation abbrechen, was die Notwendigkeit einer Folgetherapie mit sich bringt, wie z.B. mit anderen JAK2-Inhibitoren.12
Therapie bei Zytopenien
Von Zytopenien begleitete MF ist in der klinischen Praxis häufig und schwierig zu behandeln. Die NCCN-Guidelines empfehlen für das Management der MF-assoziierten Anämie Momelotinib und Pacritinib.13 Momelotinib hat hohe Effektivität im Hinblick auf die Reduktion von Anämie und Transfusionsabhängigkeit gezeigt.14 Pacritinib bewirkte selbst bei schwerer Thrombozytopenie und Anämie eine solide Reduktion der Splenomegalie.15 In der PERSIST-2-Studie fand sich bei thrombozytopenischen Patient:innen eine Korrelation zwischen dem Splenomegalieansprechen unter Pacritinib nach drei Monaten und dem Gesamtüberleben (Abb. 1), was unter der Kontrolltherapie inklusive Ruxolitinib (vermutlich aufgrund von Dosisreduktionen) nicht zu beobachten war.16
Abb. 1: Korrelation zwischen Gesamtüberleben und Ansprechen auf Pacritinib (>10%ige Reduktion der Splenomegalie; modifiziert nach Ajufo H et al.)16
Bei myeloproliferativen Neoplasien stehen Typ-II- und JAK2V617F-selektive JAK-Inhibitoren in klinischer Entwicklung. Mutiertes Calreticulin (CALR) als Target eröffnet die Option einer immunologisch basierten Therapie in Form monoklonaler oder bispezifischer Antikörper. Ein innovativer Ansatz bezieht sich auf die Verwendung von löslichen Thrombopoetinrezeptormolekülen oder CAR-T-Zellen, die gegen CALR gerichtet sind. Schliesslich können auch CAR-T-Zellen an CALR angreifen.
Eine Optimierung der MF-Behandlung sollte zudem über Kombinationstherapien möglich werden, von denen sich etliche in klinischer Evaluierung befinden. Studien laufen beispielsweise zur JAK2-Inhibition in Kombination mit Ropeginterferon alfa-2b oder dem BET-Inhibitor Pelabresib. Man darf auf die Ergebnisse gespannt sein.
Literatur:
1 Gangat N et al.: DIPSS plus: a refined Dynamic International Prognostic Scoring System for primary myelofibrosis that incorporates prognostic information from karyotype, platelet count, and transfusion status. J Clin Oncol 2011; 29(4): 392-7 2 Tefferi A et al.: MIPSS70+ Version 2.0: Mutation and karyotype-enhanced International Prognostic Scoring System for primary myelofibrosis. J Clin Oncol 2018; 36(17): 1769-70 3 Vanucchi AM et al.: Mutations and prognosis in primary myelofibrosis. Leukemia 2013; 27(9): 1861-9 4 Tefferi A et al.: TP53 Mutations in myeloproliferative neoplasms: context-dependent evaluation of prognostic relevance. Am J Hematol 2025; 100(4): 552-60 5 Kröger N et al.: Indication and management of allogeneic haematopoietic stem-cell transplantation in myelofibrosis: updated recommendations by the EBMT/ELN International Working Group. Lancet Haematol 2024; 11(1): e62-74 6 Jungius S et al.: Characterization of engraftment dynamics in myelofibrosis after allogeneic hematopoietic cell transplantation including novel conditioning schemes. Front Oncol 2023; 13: 1205387 7 Gagelmann N et al.: Clearance of driver mutations after transplantation for myelofibrosis. N Engl J Med 2025; 392(2): 150-60 8 Rampal R et al.: Integrated genomic analysis illustrates the central role of JAK-STAT pathway activation in myeloproliferative neoplasm pathogenesis. Blood 2014; 123(22): e123-33 9 Szybinski J, Meyer SC: Genetics of myeloproliferative neoplasms. Hematol Oncol Clin North Am 2021; 35(2): 217-36 10 Al-Ali HK et al.: Primary analysis of JUMP, a phase 3b, expanded-access study evaluating the safety and efficacy of ruxolitinib in patients with myelofibrosis, including those with low platelet counts. Br J Haematol 2020; 189(5): 888-903 11 Verstovsek S et al.: Early intervention in myelofibrosis and impact on outcomes: a pooled analysis of the COMFORT-I and COMFORT-II studies. Cancer 2023; 129(11): 1681-90 12 Harrison CN et al.: Fedratinib in patients with myelofibrosis previously treated with ruxolitinib: an updated analysis of the JAKARTA2 study using stringent criteria for ruxolitinib failure. Am J Hematol 2020; 95(6): 594-603 13 NCCN Guidelines Version 2.2024 Myelofibrosis 14 Harrison CN et al.: Longitudinal assessment of transfusion intensity in patients with JAK inhibitor-naive or -experienced myelofibrosis treated with momelotinib. Clin Lymphoma Myeloma Leuk 2025; 25(3): 199-211 15 Gagelmann N et al.: Consistency of spleen and symptom reduction regardless of cytopenia in patients with myelofibrosis treated with pacritinib. Clin Lymphoma Myeloma Leuk 2024; 24(11): 796-803 16 Ajufo H et al.: Pacritinib response is associated with overall survival in myelofibrosis: PERSIST-2 landmark analysis of survival. Eur J Haematol 2025; 114(2): 238-47
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