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ASCO 2016: eine kritische Betrachtung neuer Immuntherapien

<p class="article-intro">Am diesjährigen ASCO-Meeting setzten sich die Entwicklung und klinische Etablierung der Immuntherapie in vielen malignen Krankheitsbildern mit rasanter Geschwindigkeit fort. Dabei führt die Immuntherapie zu Interaktionen, die in der Vergangenheit wohl eher nicht vorstellbar waren. So kommentierte Jedd Wolchok – ein Experte und Pionier der Immuntherapie beim Melanom – die Studienergebnisse der Oral Presentations im Bereich der Lunge. Dies unterstreicht, dass davon ausgegangen wird, dass es generelle Mechanismen und Strategien über verschiedene maligne Entitäten hinweg gibt, die zu einer Verbesserung der Anti-Tumor-Immunantwort führen. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Es zeichnet sich ab, dass durch die Immuntherapie die Grenzen zwischen bestimmten malignen Entit&auml;ten wieder verwischt werden, da sich entit&auml;ts&uuml;berschreitende Mechanismen herauskristallisieren (z.B. Mikrosatelliten-instabile Tumoren bei allen GI-Karzinomen als pr&auml;diktiver Marker). Auf der anderen Seite kommt zum Vorschein, dass in bestimmten Tumoren eine organspezifische Immunantwort vorliegt (z.B. haben Pankreaskarzinome eine sehr geringe Zahl an T-Zell-Infiltraten), die dann mit spezifischen Strategien manipuliert werden muss, um das Immunsystem zu aktivieren. Alle Informationen zusammen f&uuml;hren zu einer ver&auml;nderten onkologischen Landkarte und neuen Behandlungsstrategien.</p> <h2>Kombinationstherapie</h2> <p>Gerade im Bereich von Tumoren mit geringer spontaner Immunantwort muss die Kombinationstherapie ihren Einsatz finden. Ein sehr interessantes Beispiel hierf&uuml;r ist die Kombination von Cobimetinib und Atezolizumab.<sup>1</sup> Die Population mit Mikrosatelliten-stabilen Kolorektalkarzinomen war bis jetzt nicht einer Checkpoint-Blockade zug&auml;nglich. Die Kombination eines MEK-Inhibitors (Cobimetinib) und eines Anti-PD-L1-Antik&ouml;rpers (Atezolizumab) f&uuml;hrt nun aber zu einer Gesamtansprechrate (ORR) von 17 % , was als erster Hinweis darauf gewertet werden kann, dass auch diese Tumoren einer Checkpoint-Blockade zug&auml;nglich gemacht werden k&ouml;nnen. Diese Studie unterstreicht aber auch eine Entwicklung, die die Checkpoint-Blockade als die Basis jeder Immuntherapie ansieht. Es sieht so aus, als ob zu jedem onkoimmunologischen Entwicklungsportfolio ein Checkpoint-Inhibitor geh&ouml;ren muss, damit alle weiteren m&ouml;glichen immunmodulierenden Molek&uuml;le des gleichen Entwicklungsportfolios als Kombinationstherapie getestet werden k&ouml;nnen.<br /> Die Etablierung immunologischer Kombinationstherapien sollte jedoch kritisch hinterfragt werden. In einem lesenswerten Wirtschaftsblog (I/O: The Strategic Supernova In Cancer Today, <a href="https://lifescivc.com/2016/ % 2006/io-strategic-supernova-cancer-today" target="_blank">https://lifescivc.com/2016/ 06/io-strategic-supernova-cancer-today</a>) wird daher die Entwicklung der Checkpoint-Blockade kritisch beleuchtet und ihre Grenzen und Konsequenzen werden aufgezeigt. So wird in Zukunft schon allein die Anzahl an Patienten, die f&uuml;r eine klinische Studie mit einer Immuntherapie zur Verf&uuml;gung stehen, ein limitierender Faktor sein, da viele, vielleicht sogar zu viele Entwicklungsprogramme offen sind (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Onko_1604_Weblinks_Seite53.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Zweitlinienstandards mit Checkpoint-Blockaden</h2> <p>Trotz oder gerade wegen der starken kompetitiven Entwicklung konnten rasch Daten generiert werden, aufgrund deren beim ASCO 2016 zwei neue Zweitlinienstandards mit Checkpoint-Blockaden definiert wurden. Zum einen erreichte die Behandlung mit Atezolizumab beim metastasierten oder lokal fortgeschrittenen Urothelkarzinom nach Versagen einer Platin-haltigen Therapie im Rahmen der IMvigor210-Studie eine ORR von 16 % und eine 12-Monats-&Uuml;berlebensrate von 35 % .<sup>2</sup> Auch in dieser Entit&auml;t zeigt sich, dass es unter den ansprechenden Patienten einige gibt, die mehr als 72 Wochen &uuml;berleben. Die IMvigor210-Studie hatte eine interessante vordefinierte Patientengruppe, die sich in der ersten Therapielinie nicht f&uuml;r eine Cisplatin-haltige Behandlung qualifizierten.<sup>3</sup> In dieser Population konnten f&uuml;r Atezolizumab eine ORR von 24 % und ein medianes OS von 15 Monaten beobachtet werden. Damit demonstriert die PD-1/PD-L1-Blockade ihren Vorteil durch gute Vertr&auml;glichkeit in einem schwierig zu behandelnden Patientenkollektiv. <br /> Zum anderen konnte durch die CheckMate-141-Studie bei metastasierten oder lokal fortgeschrittenen Kopf-Hals-Tumoren ein neuer Second-Line-Standard erarbeitet werden.<sup>4</sup> In dieser Studie wurde eine Second-Line-Chemotherapie (&laquo;investigator&rsquo;s choice&raquo;) mit Nivolumab (PD-1-Antik&ouml;rper) verglichen. Nivolumab erreichte eine 1-Jahres-&Uuml;berlebens-Rate von 36 % im Vergleich zur Chemotherapie mit 16 % . Beide PD-1/PD-L-blockierenden Antik&ouml;rper (Nivolumab und Atezolizumab) zeigten in den unterschiedlichen Einsatzbereichen eine gute Vertr&auml;glichkeit. Zudem konnten keine neuen unerw&uuml;nschten Medikamentenwirkungen beobachtet werden.<br /> <br /> Neben diesen beiden Studien, die den klinischen Alltag in den n&auml;chsten Monaten ver&auml;ndern werden, wurden auch Studien gezeigt, die unser einfaches und sehr mechanistisches Denken, wie Immuntherapien mit Checkpoint-Inhibitoren funktionieren, infrage stellen. So wurde in einer Studie beim Melanom &uuml;berpr&uuml;ft, ob Ipilimumab (Anti-CTLA-4-Antik&ouml;rper) gefolgt von Nivolumab zum gleichen Ansprechen f&uuml;hrt wie Nivolumab gefolgt von Ipilimumab.<sup>5</sup> Es wird angenommen, dass Ipilimumab das Priming (den ersten Schritt der Immunantwort) f&ouml;rdert und Nivolumab die intratumorale Immunantwort (den letzten Schritt) erm&ouml;glicht. Erstaunlicherweise konnte jedoch beobachtet werden, dass Nivolumab gefolgt von Ipilimumab zu einer h&ouml;heren 1-Jahres-&Uuml;berlebens-Rate (76 % vs. 54 % ) f&uuml;hrte. Auch wenn die Fallzahl dieser Studie klein war und vielleicht klinische Faktoren das Ergebnis beeinflusst haben, deutet diese Studie auf zwei m&ouml;gliche Faktoren hin:<br /> 1.) Beim Melanom gibt es eine pr&auml;existente Immunantwort, die im Tumor blockiert ist. Diese Annahme wird durch eine in der Regel starke T-Zell-Infiltration im Melanom bekr&auml;ftigt.<br /> 2.) CTLA-4 spielt wahrscheinlich auch im weiteren Verlauf einer Immunantwort eine wesentliche Rolle.<br /> <br /> Wenn man in diesem Zusammenhang die Immuntherapiedaten des Lungenkarzinoms betrachtet, dann sieht man eine m&ouml;gliche Best&auml;tigung dieser Hypothese. Es konnte in einer NSCLC-Studie gezeigt werden, dass die Gabe von 1mg/kg Ipilimumab alle 12 Wochen in Kombination mit Nivolumab zu einem eindrucksvollen ORR von 39 % f&uuml;hrte.<sup>6</sup> Diese Beobachtung unterstreicht den langfristigen Effekt einer CTLA-4 Blockade und erh&ouml;ht den Stellenwert einer CTLA-4-Blockade im langfristigen Verlauf einer Immuntherapie.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Onko_1604_Weblinks_Seite54.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Stellenwert von PD-L1 als Biomarker</h2> <p>Suzanne Topalian zeigte eine &Uuml;bersicht &uuml;ber den Stellenwert von PD-L1 als Biomarker (&laquo;Where does the truth lie in immune biomarker development?&raquo;). Auch unter Ber&uuml;cksichtigung aller pr&auml;sentierten Daten konnte sich noch immer kein eindeutiger pr&auml;diktiver Marker f&uuml;r die PD-1/PD-L1-Blockade etablieren. Sie bekr&auml;ftigte nochmals, dass das Ansprechen auf eine alleinige PD-1/PD-L1-Blockade positiv mit der PD-L1-Expression korreliert (Tab.&nbsp;1). Weiterhin problematisch ist aber die Beobachtung, dass auch PD-L1-negative Tumoren auf die PD-1/PD-L1-Blockade ansprechen k&ouml;nnen. Anhand von Beispielen demonstrierte sie die dynamische und/oder fokale Expression von PD-L1. Dieses Expressionsverhalten kann zu zeitlicher oder lokaler PD-L1-Negativit&auml;t f&uuml;hren. Wenn man die PD-L1-Expression strikt nutzen w&uuml;rde, so m&uuml;ssten Patienten von der Behandlung ausgeschlossen werden, die potenziell auf eine PD-1/PD-L1-Blockade ansprechen. Daher gibt es im Zusammenhang mit den aktuellen Neuzulassungen in den USA f&uuml;r PD-1/PD-L1-blockierende Medikamente nun nicht mehr einen &laquo;companion diagnostic test&raquo;, sondern einen &laquo;complementary diagnostic test&raquo;. Dies bedeutet, dass die Expression von PD-L1 zwar mit einem zugelassenen Test gemessen wird, aber daraus nicht die Entscheidung abgeleitet wird, ob ein Medikament eingesetzt wird. Aber der Test erlaubt abzusch&auml;tzen, ob ein Patient eher auf eine Therapie ansprechen wird.<br /> <br /> Aus meiner Sicht wird sich die Bedeutung von PD-L1 als pr&auml;diktiver Biomarker in Zukunft ver&auml;ndern, denn aus den nun vorliegenden Erfahrungen &uuml;ber die Kombination einer PD-1/PD-L1-Blockade mit einer CTLA-4- Blockade ergeben sich Hinweise darauf, dass immer mehr Patienten mit PD-L1-negativen Tumoren auf eine Immuntherapie ansprechen k&ouml;nnen. Dies wurde f&uuml;r Patienten mit NSCLC, SCLC bzw. Melanom gezeigt.<sup>6&ndash;8</sup></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend komme ich zu der Einsch&auml;tzung, dass in den n&auml;chsten Jahren die Komplexit&auml;t der Immuntherapie durch immunmodulierende Kombinationstherapien zunehmen wird. Wir m&uuml;ssen uns vom simplen Verst&auml;ndnis einer Monotherapie, die f&uuml;r alle gut ist, verabschieden. Zus&auml;tzlich haben klinische Beobachtungen mit Checkpoint-Inhibitoren die bisher angenommenen mechanistischen Erkl&auml;rungen, wie eine Immuntherapie gegen den Tumor abl&auml;uft, infrage gestellt. Immunologisch stehen uns spannende Jahre bevor; nat&uuml;rlich warten wir auf die Zulassung von mehr immunologisch aktiven Substanzen in der Erstlinientherapie. Diesbez&uuml;glich werden Daten zur Behandlung des Bronchialkarzinoms in den n&auml;chsten Monaten erwartet, die je nach Ergebnis eine immunologische Erstlinientherapie erlauben k&ouml;nnten. Aber das Gebiet der Immuntherapie ist nicht nur auf die Verwendung von Checkpoint-Inhibitoren beschr&auml;nkt: Auch Impfungen und zellul&auml;re Therapien werden ihren Weg in die Klinik finden und damit unser immunologisches Armamentarium substanziell erweitern.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> J Clin Oncol 2016; 34 (suppl; abstr 3502)<br /><strong>2</strong> J Clin Oncol 2016; 34 (suppl; abstr 4515)<br /><strong>3</strong> J Clin Oncol 2016; 34 (suppl; abstr LBA4500)<br /><strong>4</strong> J Clin Oncol 2016; 34 (suppl; abstr 6009)<br /><strong>5</strong> J Clin Oncol 2016; 34 (suppl; abstr 9517)<br /><strong>6</strong> J Clin Oncol 2016; 34 (suppl; abstr 3001)<br /><strong>7</strong> J Clin Oncol 2016; 34 (suppl; abstr 100)<br /><strong>8</strong> J Clin Oncol 2016; 34 (suppl; abstr 9505)</p> </div> </p>
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