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AML – Highlights vom EHA-Kongress
Jatros
Autor:
OÄ Dr. Elisabeth Koller
3. Medizinische Abteilung<br> Hämatologisch-onkologisches Zentrum<br> Hanusch-Krankenhaus, Wien<br> E-Mail: elisabeth.koller@wgkk.at
30
Min. Lesezeit
13.09.2018
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<p class="article-intro">Dieses Jahr versammelten sich die Hämatologen in Stockholm zum Jahreskongress der European Hematology Association (EHA), um in mehr als 200 Oral Sessions und 1300 Postern die aktuellsten Studien zu diskutieren. Der folgende Beitrag fasst die wichtigsten Daten zur akuten myeloischen Leukämie (AML) zusammen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>FLT3-Inhibition</h2> <p><strong>Quizartinib verlängert das Gesamtüberleben bei Rezidivpatienten signifikant</strong><br /> In der randomisierten Phase-III-Studie QuANTUM-R wurde Quizartinib, ein hoch potenter und selektiver FLT3-Inhibitor der zweiten Generation bei rezidivierter und refraktärer AML, gegenüber der Standardchemotherapie verglichen. Erste Ergebnisse wurden von J. Cortes als Late-breaking Abstract bei der Jahrestagung der europäischen Hämatologen präsentiert.<sup>1</sup><br /> In die Studie wurden insgesamt 367 Patienten mit refraktärer oder rezidivierter FLT3-positiver AML eingeschlossen; diese mussten einen Rückfall innerhalb von 6 Monaten erlitten haben. Das mediane Alter lag bei 55 bzw. 58 Jahren, 25 bzw. 23 % der Patienten hatten auch schon eine Stammzelltransplantation erhalten. Nach einem medianen Beobachtungszeitraum von 23 Monaten hatten Patienten mit der Monotherapie Quizartinib einen signifikanten Überlebensvorteil von 6,2 Monaten versus 4,7 (HR: 0,76) (Abb. 1). Ein Ansprechen (ORR) auf die Therapie konnte bei 69 versus 30 % erzielt werden, komplette Remissionen (CR, CRi) bei 35 versus 27 % . Die Therapie wurde in einer Dosis von 60mg täglich exzellent vertragen, es kam insbesondere zu keinen klinisch bedeutsamen QT-Zeit-Verlängerungen. Nach 12 Monaten waren im experimentellen Arm noch 27 % der Patienten versus 20 % im Standardarm am Leben. Das resultierte auch in einer mehr als verdoppelten Transplantationsrate von 32 % versus 12 % . Mit Spannung erwartet wird nun auch das Ergebnis der placebokontrollierten randomisierten QuANTUM-First- Studie, die die Zugabe von Quizartinib zur Ersttherapie multizentrisch prüft.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1805_Weblinks_jatros_onko_1805_s13_abb1.jpg" alt="" width="1462" height="1070" /></p> <h2>Bcl-2-Inhibition</h2> <p>Bcl-2-Proteine spielen eine wichtige Rolle bei der Apoptose. Venetoclax, ein selektiver Bcl-2-Inhibitor, bindet an bcl-2, die Aktivierung von proapoptotischen Proteinen führt zum programmierten Zelltod. Gerade bei AML konnte gezeigt werden, dass eine Überexpression von bcl-2 mit einer schlechten Prognose und einer höheren Rate an Chemoresistenz verbunden ist. Am EHA wurden einige interessante neue Daten zu Kombinationsstudien mit Venetoclax präsentiert.<br /> DiNardo et al. behandelten in einer Phase-Ib-Studie 145 AML-Patienten über 65 Jahre, welche für eine intensive Therapie nicht geeignet waren, mit Venetoclax in Kombination mit einer hypomethylierenden Substanz (Decitabin, Azacitidin).<sup>2</sup> Nach Dosissteigerung und Ramp-up zur Vermeidung eines Tumorlysesyndroms (TLS) wurde Venetoclax vorerst in einer Dosis von 400–1200mg, in der Expansionsstudie mit 400 bzw. 800mg einmal täglich dosiert. Es kam zu keiner dosislimitierenden Toxizität, die häufigsten Grad-3–4-Nebenwirkungen waren febrile Neutropenie (43 % ) und Thrombozytopenie (23 % ). Die optimale Dosis in der Kombination mit hypomethylierender Substanz war 400mg 1x täglich.<br /> Mit beiden Kombinationen konnten anhaltende und tiefe Remissionen bei älteren Patienten mit ungünstigen Charakteristika erreicht werden. Die Gesamtremissionsrate (ORR) lag bei 68 % , das mediane Gesamtüberleben war 17,5 Monate, 50 % der Patienten waren nach einem Jahr noch am Leben. 45 % der Patienten erreichten in der Kombination mit AZA eine MRD-Negativität.<br /> Venetoclax wird auch in der Kombination mit Chemotherapie untersucht.<sup>3, 4</sup> In der Kombination mit niedrig dosiertem ARA-C liegt die empfohlene Dosis für Phase-II-Studien bei 600mg. In einer ähnlichen Kohorte wurden insgesamt 61 Patienten analysiert. Die Gesamtremissionsrate lag bei 61 % , komplette Remissionen – CR+CRi – bei 54 % , besonders diese Patientengruppe hatte auch ein sehr gutes Langzeitergebnis.<sup>3</sup><br /> Die Zugabe von Venetoclax zu einer modifizierten intensiven Therapie („2+5“) wird in der CAVEAT-Ib-Studie geprüft.<sup>4</sup> Venetoclax wurde in einer 7-tägigen Vorphase gegeben, sowohl ein Ramp-up als auch eine Dosiseskalation von 50 bis maximal 600mg täglich wurden durchgeführt. Erste Daten zeigten, dass Venetoclax- Monotherapie vor Beginn der Chemotherapie zytoreduktives Potenzial hat, die Kombination ist tolerabel und erzielte eine hohe Remissionsrate (ORR: 71 % ). Die Studie könnte auch die Zugabe und Prüfung von Venetoclax in Kombination mit dem Therapiestandard „3+7“ bei fitten AMLPatienten unterstützen.</p> <h2>Epigenetische Therapie</h2> <p>Ein großer Schwerpunkt waren auch Präsentationen zu epigenetischen Alterationen. Epigenetische Mutationen können Veränderungen des chromosomalen Methylierungsmusters bewirken und sind besonders bei älteren Patienten relevant.<br /> Im Rahmen der Postersitzung wurde die interessante prospektiv randomisierte Phase-III-Studie von Oliva et al. zu Azacitidin als Postremissionstherapie bei älteren Patienten vorgestellt.<sup>5</sup> Patienten wurden in einer 1:1-Randomisierung zwischen AZA und bestmöglicher supportiver Therapie (BSC) aufgeteilt. Am EHA konnten die ersten 54 von insgesamt 149 eingeschlossenen Patienten ausgewertet werden. Die präliminären Daten konnten eine Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens und Gesamtüberlebens, insbesondere bei Patienten jenseits des 73. Lebensjahres, zeigen. Das Ergebnis der größeren globalen Zulassungsstudie mit oralem AZA bei AML nach Erreichen einer kompletten Remission wird mit Spannung erwartet.</p> <h2>IDH-Inhibition</h2> <p><em>IDH</em>(Isocitrat-Dehydrogenase)-Mutationen von <em>IDH1</em> und <em>IDH2</em> können insgesamt bei circa 20 % aller AML-Patienten diagnostiziert werden und führen zur Akkumulation von D2-Hydroxyglutarat, welches TET-2-abhängig epigenetische Vorgänge beeinflusst. Enasidenib (mIDH2- Inhibitor) und Ivosidenib (mIDH1-Inhibitor) sind potente Inhibitoren dieser mutierten Proteine.<br /> Ein Update der Phase-I/II-Studie mit Enasidenib als Monotherapie bei refraktärer/ rezidivierter AML mit <em>IDH2</em>-Mutation wurde am EHA von Pollyea et al. präsentiert.<sup>6</sup> Gezeigt wurde eine Auswertung der 39 primär nicht vorbehandelten Patienten; diese erreichten ein Gesamtansprechen (ORR) von 31 % , davon 21 % komplette Remissionen (CR), das Gesamtüberleben dieser Patientengruppe lag bei 11,3 Monaten. Die Hauptnebenwirkungen der Substanz waren eine unkomplizierte Hyperbilirubinämie und Übelkeit. Auch ein Differenzierungssyndrom, ähnlich dem „ATRA-Syndrom“, tritt in seltenen Fällen auf. Eine Besonderheit dieser Substanz dürfte auch die lange Leukämiekontrolle bei Patienten mit stabiler Erkrankung (SD) sein. Von 214 Patienten, welche Enasidenib als Monotherapie erhalten hatten, erreichten 82 (38 % ) eine SD, davon 30 % ein sehr spätes Ansprechen mit einem respektablen Gesamtüberleben von 15 Monaten. Die Empfehlung der Autoren ist, im Fall einer SD die Therapie fortzusetzen, da die Patienten auch spät profitieren könnten.<br /> D. Pollyea präsentierte auch die Daten der Phase-I-Dosiseskalations- und Expansionsstudie mit Ivosidenib als Monotherapie bei rezidivierter/refraktärer IDH1- mutierter AML.<sup>7</sup> Berichtet wurde über 179 Patienten, die CR+Cri-Rate lag bei 31,8 % , die ORR bei 41,9 % . Die Remission hielt im Mittel für 8,2 Monate, bei CR-Patienten 10 Monate an. Die Verträglichkeit der Therapie war insgesamt gut, mit Diarrhö, Nausea, Leukozytose, Fatigue, QT-Verlängerung als Hauptnebenwirkungen, jedoch waren die meisten AEs niedrigen Grades oder nicht unmittelbar therapieassoziiert. Ein Differenzierungssyndrom trat in ca. 10 % der Patienten auf.<br /> C. DiNardo et al. untersuchten die Kombination von Ivosidenib oder Enasidenib mit Azacitidin im Rahmen einer Phase- Ib/II-Studie.<sup>8</sup> Bei insgesamt 29 auswertbaren Patienten waren die häufigsten Nebenwirkungen der Grade 3/4 hämatologischer Natur (Anämie, Thrombozytopenie, Neutropenie). Ein Ansprechen (ORR) zeigten 78 % (18/23 Patienten) im Ivosidenib-Arm und 67 % (4/6) im Enasidenib- Arm. In den derzeit laufenden randomisierten Studien ist in Kombination mit HMA die empfohlene Ivosidenib-Dosis 500mg bzw. Enasidenib-Dosis 100mg einmal täglich.</p> <p>Beide Substanzen haben von der FDA (Food and Drug Administration) eine rasche Zulassung und den „Orphan Drug Status“ erhalten. Dadurch soll die Erforschung von seltenen Mutationen und deren Behandlung unterstützt werden. Weitere randomisierte Studien werden hoffentlich die vielversprechenden ersten Studienergebnisse bestätigen und mehr Erfahrung mit dem bestmöglichen Einsatz und dem Nebenwirkungsprofil dieser Inhibitoren bringen.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Cortes J et al.: Quizartinib significantly prolongs overall survival in patients with FLT3-internal tandem duplication- mutated relapsed/refractory AML in the phase 3, randomized, controlled QuANTUM-R trial. Abstract LB2600, EHA 2018, Stockholm <strong>2</strong> DiNardo CD et al.: Durable response with venetoclax in combination with decitabine or azacitidine in elderly patients with AML. Abstract S1563, EHA 2018, Stockholm <strong>3</strong> Wei AH et al.: Updated safety and efficacy results of phase 1/2 study of venetoclax plus lowdose cytarabine in treatment-naïve AML patients aged ≥65 years and unfit for standard induction therapy. Abstract S473, EHA 2018, Stockholm <strong>4</strong> Wei AH et al.: Chemotherapy and venetoclax in elderly AML trial (CAVEAT): a phase 1B dose escalation study examining modified intensive chemotherapy in fit elderly patients. Abstract S1564, EHA 2018, Stockholm <strong>5</strong> Oliva EN et al.: Randomized open-label phase III multicenter trial to evaluate azacitidine post-remission therapy in elderly patients with AML. Abstract PS983, EHA 2018, Stockholm <strong>6</strong> Pollyea DA et al.: Enasidenib monotherapy is effective and well-tolerated in patients with previously untreated mutant-IDH2 AML. Abstract S1561, EHA 2018, Stockholm <strong>7</strong> Pollyea DA et al.: Ivosidenib (IVO, AG-120) in mutant IDH1 relapsed/refractory AML. Results of a phase 1 study. Abstract S1560, EHA, Stockholm <strong>8</strong> DiNardo CD et al.: Mutant isocitrate dehydrogenase (mIDH) inhibitors enasidenib or ivosidenib, in combination with azacitidine: preliminary results of a phase 1b/2 study in patients with newly diagnosed AML. Abstract S1562, EHA 2018, Stockholm</p>
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