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Alkoholkonsum als Krebsursache: Alkohol ist ein Kanzerogen
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Michael Micksche
Ehem. Leiter des Instituts für Krebsforschung, MUW Wien<br> E-Mail: michael.micksche@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
15.09.2016
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<p class="article-content"><p>Ein Zusammenhang zwischen der Krebsentstehung in Mundhöhle, Oropharynx, Larynx, Ösophagus sowie Leber und Alkoholkonsum ist schon lange dokumentiert, doch waren die Mechanismen bislang nicht bekannt. Man vermutete, dass Inhalte oder Stoffwechselprodukte der alkoholischen Getränke durch direkte Einwirkung eine DNA-Schädigung der Zellen in diesen Regionen und Organen bewirken.<br /> Prinzipiell ist das eine Botschaft, die die wenigsten von uns hören wollen, denn Alkoholkonsum ist gewissermaßen ein „Kulturgut“, das nicht nur in Zusammenhang mit gutem Essen gepflegt wird. Hier ist nicht Alkoholsucht, d.h. extremer Missbrauch, sondern der regelmäßige bis tägliche Alkoholkonsum gemeint.<br /> „Die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“ ist hier ein passendes Zitat. Dementsprechend zeigt sich auch die Wortwahl in Wissenschaft und auch Medien für die Beschreibung des Zusammenhangs „Krebsrisiko und Alkohol“ in den letzten zehn Jahren. Man spricht von einem Link, von „alcohol-related cancer“/„alcohol-attributable cancer“, dem Einfluss von Alkohol auf das Krebsrisiko. Heute wissen wir, dass Alkohol ein Kanzerogen ist, d.h., Alkohol verursacht Krebs. Bereits 1988 hat die IARC Alkohol als Kanzerogen deklariert. 2014 wurde im „World Cancer Report“ berichtet, dass Alkohol für 3,5 % der globalen Krebsfälle verantwortlich ist. 1 von 30 Krebstodesfällen wurde durch Alkoholkonsum verursacht. <br /> In den letzten zwei Jahren wurden die Ergebnisse mehrerer Kohortenstudien zu diesem Thema publiziert. Beispiele sind die prospektive, noch immer in der Durchführung befindliche Nurses’ Health Study und die Health Professionals Follow-up Study. Während des Langzeitverlaufes wurden bei 88.084 Frauen und bei 47.881 Männern 19.269 bzw. 7.571 Krebserkrankungen festgestellt. Alkoholkonsum war bei Frauen und Männern signifikant mit einem erhöhten Krebsrisiko und generell mit einem linearen „Dose-response“-Verhältnis verbunden, jedoch wurde bei Frauen schon bei geringerer Alkoholdosis als bei Männern ein Risiko festgestellt. Die Gesamtmenge an Alkohol und nicht die Frequenz – das Regelmäßige – bestimmt das Krebsrisiko. Alkoholassoziierte Krebsarten waren bei 9.016 Frauen und bei 1.611 Männern gefunden worden. Die Krebsart mit der höchsten Inzidenz war bei Frauen Brustkrebs und bei Männern Dickdarmkrebs.<br /> Die Ergebnisse einer viel beachteten epidemiologischen Review-Studie, die 2016 publiziert wurde, können folgendermaßen zusammengefasst werden: Es besteht kein Zweifel, dass Alkohol sieben Krebsarten verursacht, und es besteht der Verdacht, dass noch weitere Arten Alkohol als Basis haben (J. Connor, Addiction 2016). Krebserkrankungen von Oropharynx, Larynx, Ösophagus, Leber, Kolon, Rektum und Brustkrebs bei der Frau sind klar mit Alkoholkonsum in Zusammenhang zu bringen. In dieser Studie wird die Evidenz auf den Punkt gebracht, das heißt: „Alkohol ist ein Kanzerogen.“<br /> Generell ist festzustellen, dass die zellulären und molekularen Prozesse, die durch Alkoholkonsum bzw. Exposition zu Krebs führen, in den letzten Jahren besser erforscht wurden. Im Data Sheet zu diesem Thema vom National Cancer Institute (USA) werden 2016 die verschiedensten Mechanismen definiert, wie Alkohol zur Krebsentstehung beiträgt:</p> <ol> <li>Bei der Metabolisierung von Alkohol zu Acetaldehyd entsteht eine toxische und auch kanzerogene Substanz, die DNA- und Proteinschäden verursacht.</li> <li>Alkohol führt zu einer Generierung von Sauerstoffradikalen („reactive oxygen species“), die durch Oxidation eine Schädigung von DNA, Proteinen und auch Lipiden bewirken.</li> <li>Die Fähigkeit des Organismus, bestimmte Nährstoffe bereitzustellen, die für eine Verarbeitung und Absorption von toxischen Substanzen verantwortlich sind (Vitamin A, Vitamin-B-Komplex, D, E, Karotinoide), wird vermindert.</li> <li>Alkoholische Getränke enthalten Kanzerogene durch Kontamination bei Produktionsprozessen.</li> <li>Sie führen zu einer Erhöhung des Östrogenspiegels im Blut, wodurch das Brustkrebsrisiko erhöht wird.</li> <li>Genetische Einflüsse sind ebenfalls geltend zu machen, da bestimmte Genotypen (Polymorphismen) für die Aktivität von Ethanol-metabolisierenden Enzymen und damit für die Acetaldehyd-Spiegel in Blut und Gewebe verantwortlich sind.</li> </ol> <p>Hier ist die Frage zu stellen, was es uns nützt, wenn wir die Mechanismen im Detail kennen. Die einfachste Form, die Inzidenz der alkoholbedingten Krebsformen zu reduzieren, ist die Abstinenz bzw. Reduktion des Alkoholkonsums. Das kann und soll das Thema von Kampagnen zur Gesundheitsförderung sein. Aber wer mit dieser Öffentlichkeitsarbeit beginnen will/soll, der werfe den ersten Stein. In diesem Sinne: „Prost!“</p></p>