
Akute lymphatische Leukämie bei Erwachsenen: Anlass zur Hoffnung
Autorin:
Priv.-Doz. Dr. Alexandra Böhm
3. Medizinische Abteilung
Hanusch-Krankenhaus
Wien
E-Mail: alexandra.boehm@oegk.at
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Die Mehrheit der Kinder mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL) kann mittlerweile geheilt werden. Die Prognose hat sich glücklicherweise auch bei den Erwachsenen in den letzten zehn Jahren durch die Anwendung intensiver pädiatrischer und zielgerichteter Therapien deutlich verbessert. Neue Behandlungsansätze, u.a. CAR-T-Zell-Therapien, sowie die Optimierung der Messung und Behandlung der minimalen/messbaren Resterkrankung (MRD) geben darüber hinaus Anlass zur Hoffnung.
Keypoints
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Die intensiven und dosisreduzierten MRD-getriggerten Protokolle, die auch zielgerichtete Substanzen inkludieren, konnten das Überleben junger und älterer neu diagnostizierter ALL-Patient*innen deutlich verlängern.
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Die Stammzelltransplantation bleibt in der Erstlinienbehandlung für die Hochrisiko-Patient*innen (inklusive molekularer Failures) eine wichtige Therapieoption, wird aber von den Kombinationstherapien mit den neuen Substanzen herausgefordert.
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Mit den CAR-T-Zellen steht nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen eine neue Behandlung bei rezidivierter/relapsierter ALL zur Verfügung.
Dr. Nicola Gökbuget diskutierte in einer Education Session ausführlich die prognostische Wichtigkeit, die Bewertung und Interpretation der minimalen Resterkrankung (MRD) und insbesondere die MRD-getriggerten Protokolle. Dabei wurde auch die Studie „German Multicenter Study Group on Adult Acute Lymphoblastic Leukemia“-(GMALL)-08/2013vorgestellt, die zusätzlich im Detail in einer Oral Session besprochen wurde.
Diese Studie für Patient*innen im Alter von 18–55 Jahren mit neu diagnostizierter ALL (akuter lymphatischer Leukämie)/LBL (lymphoblastischem Lymphom) basiert auf einem pädiatrischen BFM-Schema mit einer 2-Phasen-Induktion, bis zu 8 Zyklen PEG-Asparaginase (ASP), bis zu 7 Zyklen hochdosiertem Methotrexat (HD-MTX), hochdosiertem Cytarabin (HD-AraC) sowie einer Reinduktion und Erhaltung bis zu 2,5 Jahre. Die ASP-Dosierung wurde je nach Risiko für eine Hepatotoxizität angepasst (BMI>30 und/oder Lebersteatose >500U/m2 statt 2000U/m2). Patient*innen mit Hochrisiko(HR)-Merkmalen (WBC >30 000/µL bei B-ALL, pro B-ALL-, KMT2A[Lysine Methyltransferase 2A]-Rearrangement, frühe/reife T-ALL) oder Ph+ ALL wurden nach der ersten Konsolidierung (Kons I) allogen transplantiert. Patient*innen mit einem molekularen Therapieversagen (MolFail) erhielten nach der Kons I eine Antikörpertherapie (Blinatumomab, Nelarabin), gefolgt von einer allogenen Stammzelltransplantation (SCT).
Die Studie ist immer noch offen und soll insgesamt 950 Personen rekrutieren. Bisher wurden 770 Patient*innen aus 78 Zentren eingeschlossen; 705 waren auswertbar und wurden am Kongress der American Society of Hematology (ASH) 2021gezeigt. Das mediane Alter betrug 35 Jahre, 638 hatten eine ALL und 67 ein LBL.
Für die ALL betrug die Rate der kompletten hämatologischen Remission (CR)nach der Kons I 93% und die Rate der molekularen CR61%. Bei einem medianen Follow-up von 23 Monaten betrug das Gesamtüberleben (OS) für alle Patient*innen 88%. Die T-ALL-Patient*innen mit Standardrisiko erreichten nach 3 Jahren ein OS von 86%. Das OS nach SCT betrug 75% nach 3 Jahren. 51 Patient*innen mit MolFail (ohne molekulare Remission) waren auswertbar und das Ansprechen lag bei 55% (n=40) bzw. 18% (n=11) nach einem Zyklus Blinatumomab bzw. Nelarabin. Die OS-Rate nach einem Jahr betrug84%.
Diese große, laufende prospektive multizentrische Studie liefert daher zusammenfassend vielversprechende vorläufige Ergebnisse. Dies gilt auch für Patient*innen im Alter von 45–55 Jahren und unterstreicht, dass Erwachsene jenseits der bisher üblichen AYA(„Heranwachsende und junge Erwachsene“)-Definitionen von einer pädiatrischen Therapie mit individualisierter ASP-Therapie profitieren können. Während in fast allen Untergruppen hohe Raten an hämatologischer CRbeobachtet worden waren, lagen die Raten der molekularen CR zwischen 41% und 74% und ein relevanter Anteil der Patient*innen blieb MRD-positiv. Das OS dieser Patient*innen war mit der Kombination aus zielgerichteter Therapie und SCT sehr überzeugend, somit ist die SCT immer noch eine Schlüsselkomponente, die zu einer Verlängerung des Überlebens beiträgt.
GMALL-Studie zu Blinatumomab nach Induktion bei älteren Patient*innen
Ältere Patient*innen sind allerdings für diese pädiatrischen Therapien nicht geeignet. Selbst mit Dosisreduktion sind die Raten des frühen Sterbens (ED) beträchtlich und das OS ist gering. Aus diesem Grund entwickelte die GMALLauch eine Studie zur Evaluierung von Blinatumomab (Blina) nach einer Induktion bei dieser Patientenpopulation.
Blina ersetzt dabei mehrere Zyklen Chemotherapie als Teil des Standard-GMALL-Protokolls für ältere Patient*innenmit B-Vorläufer-ALL, die im Alter von 56–76 Jahren eingeschlossen wurden. Nach einer fünftägigen Vorphase mit Dexamethason (Dexa)/Cyclophosphamid (Cyclo) erhielten die Patient*innen Dexa/Vincristin/Idarubicin zusammen mit intrathekaler (i.th.) Tripelprophylaxe. Danach bekamen alle Patient*innen in CR einen Zyklus Blina, Patient*innen,die auf die Induktion I nicht ansprachen, wurden mit Cytarabin/Cyclo gefolgt von Blina behandelt. Die Konsolidierung bestand aus abwechselnden Zyklen von MTX/PEG-ASP und Ara-C, einer Reinduktion und 3 weiteren Zyklen Blina, die Erhaltung aus 6-MP/MTX.
Aus 13 Zentren wurden 34 Patient*innen mit einem medianen Alter von 65 Jahren eingeschlossen. 33 Patient*innen waren auswertbar: 76% erreichten eine CR, 9% eine partielle Remission (PR), 3 Patient*innen hatten ein Therapieversagen und 2 starben an Infektionen. 29 Patient*innen waren für den primären Endpunkt nach dem ersten Zyklus Blina auswertbar. 24 hatten eine hämatologische CR (83%), 82% der CR-Patienten (n=19) hatten ein molekulares Ansprechen (69% MolCR). Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug knapp 1 Jahr, die OS-Rate betrug 86% für die Gesamtpopulation, und Blina wurde insgesamt gut vertragen. Eine dosisreduzierte Chemoinduktion war somit bei diesem älteren Patientenkollektiv sehr vielversprechend wirksam. Alter und Subtyp schienen dabei einen Einfluss auf das Überleben zu haben.
GMALL-Studie zu Inotuzumab als Induktionstherapie bei älteren Patient*innen mit B-ALL
Von Stelljes et al. wurde eine Phase-II-Studie, wiederum von der GMALL, vorgestellt. Patient*innen im Alter von >55 Jahren mit neu diagnostizierter B-Vorläufer-ALL wurden eingeschlossen. Der erste Induktionszyklus bestand aus Inotuzumab (InO) zusammen mit Dexa und einer i.th. Tripelprophylaxe, beim zweiten und dritten Induktionszyklus wurde auf Dexa verzichtet. Patient*innen, die eine CR erreichten, erhielten 5 konventionelle Konsolidierungszyklen (3x„intermediate dose“[ID]-MTX/ASP; 2xID-AraC) und eine Reinduktion in Kombination mit Rituximab (für CD20+ ALL), gefolgt von der üblichen Erhaltungstherapie mit 6-MP/MTX. Der primäre Endpunkt war das ereignisfreie Überleben (EFS) bei einem 12-Monats-Follow-up. Mit Stand Juli 2021 waren 45 Patient*innen eingeschlossen, für 43 liegen Ergebnisse vor. Das mediane Alter bei Erstdiagnose betrug 64 Jahre.
Ergebnisse der MRD sind für alle 43 Patient*innen verfügbar, wobei 23/43 (53%) und 31/42 (74%) Patient*innen nach der zweiten und dritten Induktionstherapie MRD-negativ waren. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 422 Tagen lag die OS-Rate nach ein und zwei Jahren bei 91% bzw. 77%. Drei Zyklen InO als Induktionstherapie zur Behandlung älterer Patient*innen mit akuter B-ALL führen zusammenfassend ebenfalls zu sehr hohen Remissionsraten mit einem MRD-Ansprechen von bis zu 90%.
Wirksamkeit und Sicherheit von Tisagenlecleucel bestätigt
Auch zu den „Chimeric antigen receptor“(CAR)-T-Zellen wurden am ASH Meeting 2021 Updates gezeigt. Tisagenlecleucel ist eine autologe CD19-gerichtete T-Zell-Immuntherapie, die zur Behandlung von Patient*innen bis 25 Jahre zugelassen ist.
Bei einer Präsentation des Center for International Blood and Marrow Transplant Research (CIBMTR) wurden Daten von Patient*innen berichtet, die das kommerziell erhältliche Produkt in einem „real-worldsetting“ erhielten, stratifiziert nach dem Alter (<18 Jahre und ≥18 Jahre). Die Wirksamkeit wurde mit einer Nachbeobachtung von ≥12 Monaten bewertet. Insgesamt wurde die beträchtliche Zahl von 451 Patient*innen ausgewertet. Patient*innen im Alter von ≥18 Jahren hatten bei Studieneinschluss eine größere Krankheitslast und waren intensiver vorbehandelt als jene im Alter von <18 Jahren. Alle anderen Merkmale zu Studienbeginn waren zwischen den beiden Gruppen vergleichbar.
Die CR-Rate betrug 87%; der MRD-Status lag für 150 Patient*innen vor, von denen 98,7% MRD-negativ waren. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 23,9 Monate, das mediane EFS 14 Monate und das mediane rezidivfreie Überleben (RFS) ebenfalls 23,9 Monate. Die meisten Nebenwirkungen traten innerhalb von 100 Tagen nach der Infusion auf; die häufigste Todesursache war das Wiederauftreten/Andauern/Fortschreiten der Grunderkrankung. Das Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil von kommerziellem Tisagenlecleucel spiegelte die Ergebnisse der bekannten klinischen Studien wider und war in allen Altersgruppen weitgehend konsistent.
Literatur:
bei der Verfasserin