<p class="article-intro">Das ASCO-Meeting 2015 stand ganz im Zeichen der Immuntherapien. Die Immun-Checkpoint-Inhibitoren wurden auch bei gastrointestinalen Tumoren, insbesondere bei Magen- und Ösophaguskarzinomen, untersucht. Beim Pankreaskarzinom gab es vielversprechende Phase-II-Daten mit Stromainteraktionen. Ein möglicher Therapieeinsatz diesbezüglich ist jedoch noch offen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Beim Pankreaskarzinom bleibt in der adjuvanten Situation auch nach dem ASCO 2015 die Gemcitabin-Monotherapie für R0- bzw. R1-resezierte Patienten der Standard.</li> <li>Die Kombination aus Angiogeneseinhibition und HER2-Inhibition beim HER2-positiven Magenkarzinom ist gemäß den Ergebnissen einer Phase-II-Studie vielversprechend: Ein objektives Ansprechen konnte bei 81 % der Patienten erreicht werden.</li> <li>Wie beim Kolonkarzinom konnte beim Magenkarzinom in der Letztlinientherapie mit dem Multikinaseinhibitor Regorafenib gegenüber Placebo eine signifikante PFS-Verlängerung erzielt werden (2,6 vs. 0,9 Monate).</li> <li>Immun-Checkpoint-Inhibitoren erweisen sich auch bei Magen- und Ösophaguskarzinomen als erfolgreich: Unter dem Anti-PD-1-Antikörper Pembrolizumab wurden bei massiv vortherapierten Patienten beeindruckende Responseraten verzeichnet.</li> </ul> </div> <h2>Pankreaskarzinom</h2> <p>In der adjuvanten Situation bleibt auch nach dem ASCO 2015 die Gemcitabin-Monotherapie für R0- bzw. R1-resezierte Patienten der Standard. In einer großen Phase-III-Studie wurde diese Therapie im Vergleich zu Gemcitabin plus Erlotinib bei R0-resezierten Patienten untersucht. Im primären Endpunkt (krankheitsfreies Überleben) zeigte sich mit 11,6 Monaten kein Unterschied zwischen den Armen, sodass diese Kombination nicht in die klinische Praxis Einzug findet. Prädiktive Marker für ein Ansprechen, einschließlich der Hautreaktionen (Rash), konnten nicht identifiziert werden. <br /> Im neoadjuvanten Setting konnte bei grenzwertig operablen Pankreaskarzinomen im Rahmen der Intergroup-Studie eine kleine Phase-II-Studie abgeschlossen werden. Auch wenn darin nur sehr wenige Patienten (n=22) behandelt wurden, stellt dies eine der ersten abgeschlossenen Studien zur neoadjuvanten Radiochemotherapie nach Induktionschemotherapie dar. Die Patienten wurden für zwei Monate mit modifiziertem FOLFIRINOX als Induktionschemotherapie behandelt. Diese Therapie konnte bei allen Patienten durchgeführt werden. Im Anschluss daran erhielten die Patienten eine kombinierte Radiochemotherapie mit Capecitabin. 14 der 22 Patienten wurden dann tatsächlich R0-reseziert. Eine pathologisch komplette Remission (pCR) wurde bei zwei Patienten erreicht. Postoperativ erhielten die Patienten für zwei weitere Zyklen eine Gemcitabin-Monotherapie. Diese Studie zeigt, dass eine intensive Induktions-Radiochemotherapie bei Patienten mit grenzwertig operablem Pankreaskarzinom in ausgewählten Zentren und bei hoher Patientenselektion möglich ist. Eine Phase-III-Studie auf Basis dieser Daten ist in Planung. <br /> In der palliativen Therapie des Pankreaskarzinoms gehen aus einer Phase-II-Studie interessante Ergebnisse zum Einfluss des Stromas auf die Wirkung der Chemotherapie hervor. Die Stromareaktion ist beim Pankreaskarzinom bekanntermaßen sehr hoch. Ein wesentlicher Bestandteil des Stromas ist die Hyaluronsäure, ein hydrophiles Glukosaminoglykan, das für die Matrixreaktion und damit für den hohen Gewebsdruck mitverantwortlich ist. Die daraus resultierende Hypoperfusion kann möglicherweise ein Grund sein, warum Chemo-, aber auch Immuntherapien beim Pankreaskarzinom wenig Wirkung zeigen. In einer randomisierten Phase-II-Studie wurden Gemcitabin und nab-Paclitaxel mit einer pegylierten Hyaluronidase kombiniert. Das Nebenwirkungsprofil dieser Therapie wird weitgehend durch die Chemotherapie bestimmt. Die Zugabe der Hyaluronidase führte jedoch zu vermehrter Ödemneigung und auch zu einer signifikanten Erhöhung der Zahl tiefer Venenthrombosen. Aus diesem Grund wurde eine Enoxaparin-Prophylaxe obligat eingesetzt. Bezüglich des progressionsfreien Überlebens (PFS) konnte mit dieser Therapie mehr als eine Verdoppelung – von 4,3 auf 9,2 Monate – erreicht werden (HR: 0,39). Eine Phase-III-Studie mit Start per 2016 ist in Planung. Möglicherweise ergibt sich hier auch eine prädiktive Selektion von Patienten, die einen hohen Hyaluronsäure-Anteil aufweisen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2015_Jatros_Onko_1504_Weblinks_Seite72.jpg" alt="" width="624" height="251" /></p> <h2>Ösophagus-/Magenkarzinom</h2> <p>Zum Ösophaguskarzinom wurden von einer englischen Studiengruppe die Ergebnisse einer randomisierten Phase-III-Studie mit 842 Patienten vorgestellt, in der die Rolle von Anthrazyklinen und auch die Rolle der Chemotherapiedauer bei neoadjuvanten Therapiekonzepten von Adenokarzinomen des Ösophagus und Karzinomen des oberen gastroösophagealen Übergangs in kurativer Intention untersucht worden war. In dieser Studie erhielten Patienten zwei Zyklen Cisplatin/5-FU (CF) oder 4 Zyklen Epirubicin/Cisplatin/Capecitabin (ECX). Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben (OS). In diesem Endpunkt unterschieden sich die beiden Arme nicht, sodass die Zugabe von Anthrazyklin und auch eine verlängerte Therapiedauer beim Adenokarzinom des Ösophagus offensichtlich weniger relevant sind. Obwohl eine noch nicht zentral überprüfte Erhöhung der pCR-Rate von 3 % nach CF einer pCR-Rate von 11 % nach ECX gegenübersteht, übersetzt sich dieser Vorteil offensichtlich nicht in eine Verlängerung des OS. <br /> Beim Magenkarzinom ist nach wie vor eine perioperative Chemotherapie mit CF oder ECF (ECX) der Standard. In der deutschen AIO-Studie FLOT 4 wird derzeit der Einsatz von Docetaxel in der perioperativen Therapie untersucht (Abb. 1). Von dieser Phase-III-Studie an 714 Patienten sind die Phase-II-Daten bezüglich der pCR-Rate berichtet worden. In der Taxan-haltigen Chemotherapie FLOT konnte eine pCR bei 20 Patienten (15,6 % ) erreicht werden. Demgegenüber wurde unter ECX bei 8 Patienten (5,8 % ) eine pCR verzeichnet. Diese Ergebnisse sind in einer zentralen Pathologie bestätigt worden. Ob allerdings dieser Vorteil eine Verlängerung des OS zur Folge hat, wird letztlich erst durch das Vorliegen der Phase-III-Daten, die in den nächsten Jahren zu erwarten sind, beantwortet werden. <br /> 5-FU und Cisplatin sind die klassischen Kombinationspartner bei Adenokarzinomen des Magens in der Palliativsituation. Oral zu verabreichende 5-FU-Prodrugs können dabei 5-FU ersetzen. In einer Subgruppe der FLAGS-Studie wurde vor fünf Jahren bei Patienten mit Adenokarzinomen des Magens ein positives Signal für das orale 5-FU-Prodrug S1 verzeichnet. In der nun vorliegenden DIGEST-Studie wurde bei Patienten mit Adenokarzinomen des Magens im Stadium IV S1 gegen 5-FU untersucht. Leider konnte der in der Subgruppe gezeigte Vorteil für S1 in dieser Studie nicht bestätigt werden. S1 entspricht 5-FU, zeigt jedoch keine Verlängerung des OS. <br /> Für Patienten mit HER2-positivem Magenkarzinom ist die Kombination aus Chemotherapie (in der Regel ein Platin und Capecitabin oder 5-FU) und Trastuzumab der Erstlinienstandard. In einer kleinen Phase-II-Studie wurde an 35 Patienten eine Kombination aus Chemotherapie (Capecitabin/Oxaliplatin), Trastuzumab und Bevacizumab untersucht. Die Kombination aus Angiogeneseinhibition und HER2-Inhibition ist zumindest auf Basis dieser Phase-II-Daten beeindruckend. Ein objektives Ansprechen konnte bei 81 % der Patienten erreicht werden. Das PFS lag bei fast 15 Monaten, das OS bei 21,7 Monaten. Diese Daten benötigen jedoch Bestätigung durch Phase-III-Studien. <br /> <br /> Vielversprechende Phase-II-Daten haben suggeriert, dass MET-überexprimierende Patienten auf MET-Inhibitoren (Rezeptor-Inhibitoren, Tyrosinkinase-Inhibitoren oder Ligand-Inhibitoren) ein Ansprechen zeigen. Leider sind die diesbezüglichen Phase-III-Studien negativ gewesen. Exemplarisch konnte dies in der RILOMET-1-Studie, in der ECX mit dem Anti-MET-Ligand-Antikörper Rilotumumab kombiniert wurde, gezeigt werden. Diese Studie musste aufgrund einer erhöhten Mortalitätsrate im experimentellen Arm vorzeitig geschlossen werden. Das mediane OS lag im Placeboarm bei 11,5 Monaten, im Rilotumumab-Arm bei 9,6 Monaten. Auch für weitere MET-Inhibitoren konnten keine positiven Signale in der so selektionierten Subgruppe gefunden werden. Ob eine weitere Analyse – möglicherweise einer sehr kleinen Gruppe von selektionierten Patienten – Erfolg versprechende Ergebnisse für diese Therapie liefert, werden weitere Untersuchungen zeigen. <br /> Ähnlich wie beim Kolonkarzinom wurde beim Magenkarzinom in der Letztlinientherapie Regorafenib, ein oraler Multikinaseinhibitor, gegenüber Placebo untersucht. 152 Patienten wurden im 2:1-Design randomisiert. Im primären Endpunkt (PFS) konnte eine signifikante Verlängerung von 0,9 Monaten auf 2,6 Monate (HR: 0,40) erreicht werden. Dieser Vorteil benötigt ebenfalls Bestätigung auf Phase-III-Ebene. Die Daten entsprechen jedoch im Zwischenstudienvergleich dem Anstieg, der auch in anderen Studien zum Vergleich definierter Substanzen mit BSC („best supportive care“) verzeichnet wird (Tab. 1). Biomarkeranalysen und Daten zur Lebensqualität sind jedoch noch ausständig.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2015_Jatros_Onko_1504_Weblinks_Seite73.jpg" alt="" width="651" height="212" /></p> <h2>Immuntherapie bei Magen- und Ösophaguskarzinom</h2> <p>Checkpoint-Inhibitoren sind beim Magen-, aber auch beim Ösophaguskarzinom sehr vielversprechend, da es sich dabei um Tumoren mit hoher Mutationslast handelt, die infolgedessen auch mit einer höheren Immunogenität einhergehen. In der KEYNOTE-012-Studie wurde der monoklonale Anti-PD-1-Antikörper Pembrolizumab in einer Letztliniensituation eingesetzt. 39 Patienten (Asiaten und Kaukasier in gleichem Verhältnis), die in >60 % der Fälle mindestens zwei Vortherapien erhalten hatten, wurden mit Pembrolizumab behandelt. Das Nebenwirkungsprofil war mit dem aus Studien zum Melanom bekannten vergleichbar. Besonderes Augenmerk wird auf Autoimmunphänomene wie Schilddrüsenveränderungen, Pneumonitis, Kolitis und Hepatitis gelegt. Diese treten zumeist im niedrigen einstelligen Prozentbereich auf. Beeindruckende 53,1 % der Patienten zeigten eine Verkleinerung der Zielläsion. Dabei wurde bei einem PFS von 1,9 Monaten ein medianes OS von 11,4 Monaten erreicht. Das sich ausbildende Plateau lässt auf eine lang anhaltende Wirkung der Immuntherapie in Analogie zum Melanom auch beim Magenkarzinom hoffen. Das 6-Monats-OS lag bei diesen stark vortherapierten Patienten bei 66 % . Die PD-L1-Expression korrelierte mit dem Ansprechen. Ein idealer Cut-off und die ideale Methode der Prädiktion sind jedoch noch nicht geklärt. Phase-II- und Phase-III-Studien zur Monotherapie und als Kombination mit Chemotherapie sind derzeit in Planung bzw. werden initiiert. <br /> Auch bei Plattenepithel- und Adenokarzinomen des Ösophagus wurde Pembrolizumab untersucht. In der KEYNOTE-028-Studie wurde die Substanz ebenfalls bei vortherapierten Patienten eingesetzt. Auch hier konnte über eine Verkleinerung der Zielläsion bei 52 % der Patienten berichtet werden. Die mediane Dauer einer Response betrug 40 Wochen. Bei diesem Patientenkollektiv scheint sich ebenfalls ein gewisses Plateau auszubilden. In Summe sind diese Immun-Checkpoint-Inhibitoren auch bei Tumoren des oberen Gastrointestinaltraktes Erfolg versprechend. Die Phase-III-Studien können daher mit Spannung erwartet werden.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: St. Vinzenz Krankenhaus Betriebs GmbH<br/>
Abteilung für Innere Medizin<br/>
Sanatoriumstraße 43<br/>
6511 Zams<br/>
E-Mail: e.woell@krankenhaus-zams.at<br/>
Quelle: 51. Meeting der ASCO,
29. Mai bis 2. Juni 2015, Chicago
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