Aktuelle Optionen in der Erstlinie – und darüber hinaus
Autor:
Prof. Dr. med. Alessandra Curioni-Fontecedro
Abteilung Onkologie
Kantonsspital Freiburg, Schweiz
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Beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom im Stadium IV ohne Treibermutationen ergeben sich in der Praxis zentrale Fragestellungen aus der Selektion der Erst- und Zweitlinientherapie sowie der Behandlungsdauer im Erstlinien-Setting.
Gemäss den ESMO-Leitlinien steht für Patient:innen mit nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) im Stadium IV ohne Driver-Alterationen, die ein therapeutisches Ansetzen erlauben würden, eine Vielzahl an Erstlinien-Therapieoptionen zur Verfügung.1 Wie die Praxis zeigt, hängt die Auswahl primär von der Verfügbarkeit an den Institutionen in den jeweiligen Ländern ab. Allerdings stehen täglich klinische Entscheidungen an in Zusammenhang mit Fragen zu Monotherapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) vs. Chemoimmuntherapie, Behandlungsdauer und weiterführenden Therapielinien nach Immuntherapie.
Erstlinie: Immun- vs. Chemoimmuntherapie und Therapiedauer
Die Behandlungswahl im Hinblick auf die Monotherapie mit ICI (Pembrolizumab, Atezolizumab, Cemiplimab) ist anhand der PD-L1-Expression und des ECOG-Performance-Status (PS) möglich. Letzterer besitzt Bedeutung, da viele NSCLC-Patient:innen älter sind und mehrere Komorbiditäten aufweisen. Eine randomisierte Phase-III-Studie verglich Atezolizumab mit einer Monochemotherapie in einer Population, die als ungeeignet für eine Chemotherapie-Doublette eingestuft wurde. Dabei bewirkte der ICI ein verlängertes Gesamtüberleben (OS) bei einem günstigen Sicherheitsprofil.2
Chemoimmuntherapien wurden in einer Vielzahl klinischer Studien untersucht. Abgesehen von der PD-L1-Expression gibt es derzeit keine Biomarker, die auf breiter Basis eine Therapiesteuerung erlauben. Weder die Tumormutationslast noch der STK11-Mutationsstatus werden in der Routinepraxis verwendet.
Hinsichtlich der Dauer der Erstlinientherapie verglich eine retrospektive Studie Immuntherapieschemata mit fixer Dauer (zwei Jahre) mit Schemata, die über einen unbestimmten Zeitraum verabreicht wurden.3 Hinsichtlich des OS fanden sich vergleichbare Ergebnisse in beiden Kohorten, wobei es sich natürlich um retrospektive Daten ohne gematchte Kontrollpopulationen handelt. Eine weitere Analyse, die Studien zur Therapiedauer über bis zu zwei Jahre bzw. bis zur Progression verglich, zeigte keine eindeutigen Unterschiede hinsichtlich des OS und des progressionsfreien Überlebens.4
Da randomisierte Vergleiche vorläufig fehlen, behandle ich die Patient:innen üblicherweise protokollgemäss und solange keine immunassoziierten Nebenwirkungen auftreten.
Wie entscheidet man in der Zweitlinie?
Die grösste Herausforderung in unserer täglichen Praxis besteht in der Wahl der Zweitlinientherapie. Einer retrospektiven Analyse zufolge lassen sich mit Chemotherapie±antiangiogener Therapie, Immuntherapie±Chemotherapie und zielgerichteten Substanzen objektive Ansprechraten (ORR) zwischen 15% und 28% erreichen.5 Die niedrige Ansprechrate stellt in der klinischen Praxis eine grosse Herausforderung dar. Natürlich erhält auch nur ein bestimmter Anteil der Patient:innen überhaupt eine Zweitlinienbehandlung.
A. Curioni-Fontecedro präsentierte den Stand des Wissens zum Therapieentscheid beim NSCLC Stadium IV ohne Treibermutation
In verschiedenen Studien wurden Kombinationsstrategien nach einer Chemoimmuntherapie basierend auf der Idee geprüft, dass eine Immuntherapie-Rechallenge bei gemeinsamer Gabe mit anderen Medikamentenklassen Effekte entfalten könnte. Die Ergebnisse fielen jedoch grösstenteils enttäuschend aus. Obwohl beispielsweise die randomisierte Phase-II-Studie Lung-MAP S1800A einen signifikanten OS-Vorteil von Pembrolizumab+Ramucirumab im Vergleich zu Docetaxel zeigte, war die Phase-III-Studie PRAGMATICA-Lung, die dieselbe Strategie testete, negativ.6,7 Ebenso erbrachten Phase-III-Studien zum Einsatz von Tyrosinkinaseinhibitoren zusätzlich zu ICI wie etwa LEAP-008 (Lenvatinib+Pembrolizumab) keinen OS-Vorteil gegenüber Docetaxel.8
Diese Daten deuten darauf hin, dass wir den Resistenzmechanismus gegen Immuntherapien klären müssen, um eine Rechallenge erfolgreich durchführen zu können. Für die Entwicklung weiterer Studien werden diese Informationen notwendig sein.
Vielversprechende Ansätze
In der Schweiz testete die multizentrische Studie SAKK17/18-ORIGIN eine Rechallenge mit Atezolizumab und Gemcitabin bei Patient:innen mit NSCLC oder malignem Pleuramesotheliom ab der zweiten Linie.9 Trotz der massiven Vortherapie betrug die ORR bei NSCLC 31% und die Krankheitskontrollrate 53%. Dies spielt für Patient:innen mit hoher Symptomlast eine grosse Rolle. Eine weitere Rechallenge-Strategie besteht in einer Radiotherapie an maximal vier Stellen in Kombination mit CTLA4-/PD-1-Antikörpern. In der Studie RECLAIM wurden auf diese Weise bei 31 Patient:innen ORR bis 30% erreicht, was weitere Untersuchungen rechtfertigt.10
Ein fehlendes Ansprechen auf eine Immuntherapie hängt von vielen Faktoren ab. Strategien, mit denen Resistenzen überwunden werden können, umfassen Kombinationen mehrerer ICI, bispezifische Antikörper, Impfstoffe und Zelltherapien (z.B. CAR-T-Zellen, TCT-T-Zellen). Bispezifische und trispezifische Antikörper setzen an verschiedenen Pathways an; derzeit laufen Phase-I/II-Studien, die unter anderem Rilvegostomig (PD-1xTIGIT), Cadonilimab (PD-1xCTLA4) und REGN7075 (EGFRxCD28) evaluieren. Cadonilimab wird zusammen mit Anlotinib und Docetaxel (NCT05816499) bzw. stereotaktischer Strahlentherapie (NCT06702826) geprüft.
Zelltherapien
Das NSCLC bietet auf seiner Oberfläche viele Targets, die im Rahmen einer CAR-T-Zell-Therapie genutzt werden können. Vielversprechende Ergebnisse wie eine ORR von 38% wurden in einer Phase-I-Studie gezeigt, die CLDN6-gerichtete CAR-T-Zellen zusätzlich zu einer CLDN6-codierenden, CAR-T-Zell-verstärkenden mRNA-Vakzine bei rezidivierten/refraktären CLDN6-positiven soliden Tumoren untersuchte.11
T-Zellen mit einem gentechnisch veränderten T-Zell-Rezeptor (TCR-T-Zellen) wurden im Hinblick auf Targets wie NY-ESO-1/LAGE-1a allein und in Kombination mit Pembrolizumab evaluiert. Bei Patient:innen mit NY-ESO-1- und/oder LAGE-1a-positivem NSCLC fand sich eine Antitumoraktivität.12 Die Zukunft zellulärer Therapien steht jedoch noch auf dem Prüfstand. Zu weiteren in Entwicklung befindlichen Ansätzen zählen modifizierte Plasmazellen und bispezifische CAR-T-Zellen.
Derzeit richtet sich die Wahl der Zweitlinientherapien nach der Vorbehandlung und dem ECOG-PS. Nach Möglichkeit sollten die Patient:innen an klinischen Studien teilnehmen. Bei gutem PS ist eine Rechallenge mittels Chemotherapie-Doublette zu bevorzugen. Die Ultima Ratio stellt die Monochemotherapie mit Docetaxel dar.
Literatur:
1 Hendriks LE et al.: Non-oncogene-addicted metastatic non-small-cell lung cancer: ESMO Clinical Practice Guideline for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2023; 34(4): 358-76 2 Lee SM et al.: First-line atezolizumab monotherapy versus single-agent chemotherapy in patients with non-small-cell lung cancer ineligible for treatment with a platinum-containing regimen (IPSOS): aphase 3, global, multicentre, open-label, randomised controlled study. Lancet 2023; 402(10400): 451-46 3 Sun L et al.: Association between duration of immunotherapy and overall survival in advanced non-small cell lung cancer. JAMA Oncol 2023; 9(8): 1075-82 4 Remon J et al.: De-escalation strategies with immune checkpoint blockers in non–small cell lung cancer: Do we already have enough evidence? J Clin Oncol 2025; 43(9): 1148-56 5 Russano M et al.: Ann Oncol 2024 6 Reckamp KL et al.: Phase II randomized study of ramucirumab and pembrolizumab versus standard of care in advanced non-small-cell lung cancer previously treated with immunotherapy-Lung-MAP S1800A. J Clin Oncol 2022; 40(21): 2295-306 7 Dragnev KH et al.: PRAGMATICA-LUNG (SWOG S2302): a prospective, randomized study of ramucirumab plus pembrolizumab versus standard of care for participants previously treated with immunotherapy for stage IV or recurrent non-small cell lung cancer. J Clin Oncol 2025; 43(Suppl 17): Abstr. #LBA8671 8 Leighl NB et al.: LEAP-008: lenvatinib plus pembrolizumab for metastatic NSCLC that has progressed after an anti-programmed cell death protein 1 or anti-programmed cell death ligand 1 plus platinum chemotherapy. J Thorac Oncol 2025; 20(10): 1489-504 9 Curioni-Fontecedro A et al.: SAKK 17/18-ORIGIN trial: efficacy and safety from a multicenter phase II trial of gemcitabine and atezolizumab in patients with advanced NSCLC progressing on immune checkpoint inhibitors. Ann Oncol 2023; 34(Suppl 2): S807-8 10 Ulas EB et al.: Rescue by radiotherapy and anti-CTLA4/PD-1 after failure of anti-PD-1 therapy in metastatic NSCLC patients: the RECLAIM study. WCLC 2025; Abstr. #PT2.11.02 11 Haanen JB et al.: Updated results from BNT211-01 (NCT04503278), an ongoing, first-in-human, phase I study evaluating safety and efficacy of CLDN6 CAR T cells and a CLDN6-encoding mRNA vaccine in patients with relapsed/refractory CLDN6+ solid tumors. ESMO 2024; Abstr. #611O 12 Altan M et al.: Safety and tolerability of letetresgene autoleucel (GSK3377794): pilot studies in patients with advanced non–small cell lung cancer. Clin Cancer Res 2025; 31(3): 529-42
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