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Adipositas/Fettsucht bedeutet Krebsrisiko
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Michael Micksche
Ehem. Leiter des Instituts für Krebsforschung, MedUni Wien<br> E-Mail: michael.micksche@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
02.03.2017
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<p class="article-intro">Der Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und Krebsrisiko ist derzeit ein heißes Thema in der angewandten und klinischen Krebsforschung. Zu diesem Thema wurde 2016 ein Spezialreport der International Agency for Research on Cancer (IARC, Lyon) im „New England Journal of Medicine“ publiziert. Die American Society of Clinical Oncology (ASCO) hat im „Journal of Clinical Oncology“ (JCO) 2016 eine Spezialserie zum Thema „Obesity and Cancer“ herausgegeben. Der Weltkrebstag am 4. Februar 2017 war ebenfalls Anlass, die Problematik der „Adipositasepidemie“ und eine mögliche Prävention zu diskutieren.</p>
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<p class="article-content"><p>Die Zunahme an Körperfett und Gewicht während des Lebens ist ein globales Problem, das größtenteils durch modifizierbare Risikofaktoren wie Aufnahme von Energie im Überschuss durch (kalorienreiche) Nahrung und Getränke und durch Mangel an Bewegung bewirkt wird. Beide Faktoren sind die Ursache für eine weltweite Adipositasepidemie, wobei viel mehr Menschen an Übergewicht bzw. Adipositas leiden als an Untergewicht.<br /><br /> Bereits 2012 hatten die Experten der IARC darauf hingewiesen, dass Übergewicht/Adipositas das Risiko für fünf Krebsarten – Darm-, Speiseröhren- und Nierenzellkrebs und bei Frauen zusätzlich Gebärmutterkörperkrebs und Brustkrebs in und nach den Wechseljahren – steigert. In dieser neuesten Publikation von 2016 wurden die Daten aktualisiert und zusätzlich noch der Zusammenhang von Fettleibigkeit und Risiko für acht weitere Krebsarten (Leber-, Bauchspeicheldrüsen-, Gallenblasen-, Eierstockkrebs, Krebs der Kardia des Magens und der Schilddrüse, Meningeome und auch das multiple Myelom) dokumentiert. Diese Aussagen basieren auf mehr als 1.000 epidemiologischen Studien, vorwiegend Beobachtungsstudien („observational studies“) über Krebsrisiko und Überschuss an Körperfett. Die Mehrzahl dieser Studienergebnisse beruht auf dem Body-Mass-Index, der das Körpergewicht ins Verhältnis zur Körpergröße setzt. Bei Erwachsenen ist die Grenze zwischen Übergewicht (>25–29,9) und Adipositas bei einem BMI von =30,0, wobei drei Klassen (1–3) unterschieden werden. Die Autoren hatten diesen Zusammenhang aber indirekt bewiesen, als sie gezeigt haben, dass die Abwesenheit von Körperfett, gemessen am BMI, ein reduziertes Risiko für die angeführten Krebsarten bedeutet.<br /><br /> Diese Spezialausgabe von JCO im Dezember 2016 ist das Ergebnis bzw. die Fortführung der ASCO-Initiative von 2014 zur Bekämpfung von Adipositas, um die Krebsrate zu senken. Neben diesem ursprünglichen Fokus auf primäre Krebsprävention wird das Potenzial, das bei bestehender Krebserkrankung in dieser Thematik liegt, ausführlich in mehreren Beiträgen dargestellt. Adipositas hat auch besondere Relevanz für die klinische Situation von Krebspatienten und kann damit Einfluss auf Prognose, Therapiemöglichkeiten und -ansprechen nehmen. Die Mortalität bei Krebserkrankten ist bei adipösen Männern und Frauen zwischen 55 und 88 % höher als bei Normalgewichtigen (DKFZ 2014).<br /> Durch diese Initiative der ASCO wurden auch besondere Forschungsimpulse zur Aufklärung der Mechanismen der „Krebsentstehung durch Fett“ gesetzt. Bei Adipositas sind chronische Entzündungsprozesse, wie sie in den Fetteinlagerungen im Bauchraum entstehen, und die dabei freigesetzten Faktoren in die molekularen Mechanismen der Krebsentstehung und Progression involviert. Adipositas führt zu komplexen systemischen Stoffwechselveränderungen/-störungen und zum sogenannten metabolischen Syndrom. Das mit dem Fettgewebe assoziierte inflammatorische Microenvironment entsendet vielfältige Signale, die lokale und auch systemische – durch Kommunikation mit anderen Organen – tumorpromovierende Wirkungen entfalten. Die positive Energiebilanz bewirkt Veränderungen von Insulinspiegel, „insulin-like growth factor“ 1 und dessen Rezeptoren bis hin zur Insulinresistenz. Die (vermehrte) Produktion von sogenannten Adipokinen (Leptin, Adiponectin), Steroidhormonen und auch Zytokinen/Mediatoren kann Krebswachstum initiieren/stimulieren.<br /><br /> Die Entwicklung von Strategien für gesunden Lebensstil und hier im Besonderen für Gewichtskontrolle und die damit einhergehende Reduktion des Krebsrisikos durch Fett ist sicher eine der wirksamsten Möglichkeiten einer Krebsprävention auf individueller Basis bzw. in der allgemeinen Bevölkerung, wie sie am 4. Februar 2017, dem Weltkrebstag, unter dem Motto „we can“ und „I can“ propagiert wird.</p></p>