
Senkt Ginkgo biloba die Demenz-Inzidenz?
Bericht:
Hanna Gabriel, MSc
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«Mild cognitive impairment» (MCI) wird als kognitives Stadium zwischen dem des normalen Alterns und einer Demenzerkrankung beschrieben.1 Frühere Studien legen nahe, dass die Progression der Erkrankung durch die Einnahme von Ginkgo-biloba-Präparaten verlangsamt werden kann. Diese These wurde nun in einer retrospektiven Studie anhand von «Real world»-Daten getestet. Das Ergebnis: Mit zunehmender Verschreibung sinkt auch das Risiko für die Entwicklung einer Demenz.
In dieser Studie wurde untersucht, ob und wie sich die Verschreibung von Ginkgo-biloba-Präparaten auf das Auftreten einer Demenz bei Patienten mit bestehender leichter kognitiver Beeinträchtigung («mild cognitive impairment», MCI) auswirkt. Eine Progression vom MCI zur Demenz konnte in einer Gruppe von über 80-Jährigen in 39% der Fälle beobachtet werden.2Die Grundlage der Untersuchung war die signifikante Wirksamkeit der Ginkgo-biloba-Therapie bei Patienten mit Demenz, die in der Vergangenheit eine solche erhalten hatten, im Vergleich zu Placebo.3,4
Studiendesign
Anhand der Daten der IQVIA Disease Analyzer Datenbank (Deutschland) wurde eine retrospektive Studie durchgeführt. Die Untersuchung schloss Patienten im Alter von 65 Jahren oder älter ein, bei denen zwischen Jänner 2000 und Dezember 2019 erstmals ein MCI (aber keine Demenz nach ICD-10: F00-F03, G30) diagnostiziert wurde. Insgesamt wurden die Daten von 24483 MCI-Patienten analysiert, deren durchschnittliches Alter bei 77 Jahren lag. Etwas mehr als die Häfte (56,3%) waren Frauen. Bei diesen Patienten wurde der Krankheitsverlauf von der Erstdiagnose bis zum Zeitpunkt Februar 2021 nachverfolgt und das Auftreten einer Demenz (bzw. der Verlust der Nachbeobachtung) vermerkt. Die durchschnittliche Dauer der Nachverfolgung lag bei 3,8 Jahren.
Um den Effekt der Verschreibung einer Ginkgo-biloba-Therapie zu bestimmen, wurde eine multivariable Cox-Regressionsanalyse durchgeführt. Dabei wurden die Daten für Alter, Geschlecht, Krankenversicherung, dokumentierte Nebendiagnosen und die Verschreibung von Cholinesterasehemmern bereinigt.
Ergebnisse
Insgesamt wurde bei 6205 der MCI-Patienten (25,3%) eine Demenzdiagnose gestellt. Die Ergebnisse zeigten aber, dass >2 Verordnungen von Ginkgo biloba mit einer signifikant reduzierten Demenz-Inzidenz einhergehen (HR: 0,71, 95% CI: 0,55–0,91, p=0,007) – im Vergleich zu keiner Verschreibung von Ginkgo biloba. Mit der Anzahl der Verschreibungen schien sich der Effekt zu intensivieren, da bei >3 Ginkgo-biloba-Verordnungen eine HR von 0,64 verzeichnet wurde (95% CI: 0,48–0,86, p=0,003) und bei >4 Verordnungen die HR 0,58 betrug (95% CI: 0,41–0,82, p=0,002). Die Autoren schlossen daher, dass Demenzerkrankungen bei Patienten mit MCI mit einer höheren Verschreibungszahl an Ginkgo biloba abnahmen. Als mögliche Wirkmechanismen führen sie dessen antioxidative und entzündungshemmende Effekte an.
Die Studie zeichnet sich besonders durch die lange Beobachtungszeit und die hohe Zahl an eingeschlossenen Patienten aus. Dennoch ist sie dadurch limitiert, dass MCI teilweise unterdiagnostiziert oder fälschlich als Demenz kodiert wird. Letztlich ist auch nicht ausgeschlossen, dass Patienten, die keine Ginkgo-biloba-Verschreibung hatten, das rezeptfreie Präparat in der Apotheke erwarben, bzw. kann nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass es bei Verschreibung auch tatsächlich eingenommen wurde.
Originalpublikation:
Bohlken J et al.: Association between ginkgo biloba extract prescriptions and dementia incidence in outpatients with mild cognitive impairment in Germany: a retrospective cohort study. J Alzheimers Dis 2022; 86(2): 703-9
Literatur:
1 Petersen RC: Continuum (Minneap Minn) 2016; 22(2): 404-18 2 Kasper S et al.: World J Biol Psychiatry 2020; 21: 579-94 3 Dodge HH et al.: Neurology 2008; 70: 1809-17 4 Kandiah N et al.: CNS Neurosci Ther 2019; 25: 288-98
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