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hATTR-Amyloidose – neue Hoffnung durch innovative Medikamente
Jatros
30
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11.07.2019
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<p class="article-intro">hATTR-Amyloidose ist eine seltene Erkrankung, von der weltweit schätzungsweise 50 000 Patienten betroffen sind.<sup>1, 2</sup> Sie leiden unter Herzinsuffizienzsymptomen oder neuronalen Beschwerden, manche unter einer Mischform. Bei einer mittleren Überlebensrate von fünf bis sechs Jahren ist die Prognose der Erkrankung nicht gut. Neue Medikamente geben nun Hoffnung.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die hATTR-Amyloidose ist eine hereditäre, progrediente, lebensbedrohliche, autosomal-dominant vererbte Multisystemerkrankung, die durch eine Mutation im Transthyretin(TTR)-Gen verursacht wird.<sup>3–9</sup> Dadurch wird die Funktion des TTR-Proteins in der Blutbahn beeinträchtigt. TTR wird überwiegend in der Leber synthetisiert und als Tetramer sezerniert, das sich aus identischen Monomeren zusammensetzt.<sup>1, 10</sup> Bei hATTR-Amyloidose führen Mutationen im TTR-Gen dazu, dass die Tetramer-Proteine instabil werden und in Monomere zerfallen.<sup>1, 10</sup> Diese TTR-Monomere werden fehlgefaltet und verklumpen zu Amyloidfibrillen, die sich an mehreren Stellen im Körper, u. a. in den Nerven, im Herzen und im Gastrointestinaltrakt ablagern und so Schäden verursachen, die zu klinischen Symptomen führen.<sup>1, 10</sup></p> <h2>Unterdiagnostizierte Krankheit</h2> <p>Bisher wurden über 120 verschiedene Mutationen im TTR-Gen identifiziert, die mit hATTR-Amyloidose assoziiert sind.<sup>11</sup> Daraus resultiert eine erhebliche Heterogenität bei den Phänotypen, von ausschließlich neurologischer Beteiligung bis hin zu einem kardial dominierten Erscheinungsbild.<sup> 1, 3–6, 11–13</sup><br />Das uneinheitliche klinische Erscheinungsbild und die Überlappung der mit hATTR-Amyloidose assoziierten Symptome mit anderen Erkrankungen (Polyneuropathien wie die chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie, amyotrophe Lateralsklerose, motorische Polyradikuloneuropathie, AL-Amyloidose, AA-Amyloidose, Morbus Fabry, Karpaltunnelsyndrom u. a) führen möglicherweise dazu, dass die Erkrankung unterdiagnostiziert und die Prävalenz höher als angenommen ist.<sup>1–3, 5, 14</sup><br />Die Diagnose der hATTR-Amyloidose wird oftmals verzögert, wobei bei manchen Patienten vom Einsetzen der ersten Symptome bis zur Diagnose bis zu acht Jahre vergehen können.<sup>1, 14, 15</sup></p> <h2>hATTR-Amyloidose: Konstellation möglicher Anzeichen und Symptome</h2> <p>Da Amyloidfibrillen im gesamten Körper, einschließlich Nerven, Herz und Magen-Darm-Trakt, abgelagert werden, erstrecken sich die Symptome der an hATTR-Amyloidose erkrankten Patienten über ein breites Spektrum.<sup>16–21</sup> Tatsächlich leidet mehr als die Hälfte der Patienten mit hATTR an einem gemischten Phänotyp. <sup>22, 23</sup><br />„Bei hATTR-Amyloidose gibt es keinen typischen Phänotyp, die Symptome können sehr wechselhaft sein. Häufig bemerken die Patientinnen und Patienten zunächst Gefühlsstörungen, also sensible Störungen, die vor allem das Schmerz- und Temperaturempfinden betreffen. Auffällig bei dieser sogenannten Small-Fiber-Neuropathie ist, dass diese Symptome relativ rasch fortschreiten“, so Univ.-Prof. Dr. Michaela Auer-Grumbach, Leiterin der Neuromuskulären Fußambulanz, MedUni Wien/AKH Wien. „Eine Abgrenzung von hATTR-Amyloidose-bedingten Polyneuropathien zu den idiopathischen Polyneuropathien ist, dass sich bei Ersteren manchmal nach relativ kurzem Krankheitsverlauf feinmotorische Probleme in den Händen zeigen.“<br />Assoc. Prof. Dr. Diana Bonderman, Abteilung für Kardiologie MedUni Wien/AKH Wien, schildert die Situation aus der Sicht der Kardiologin: „Auffällig sind im wesentlichen Symptome, die mit einer Herzschwäche einhergehen, das bedeutet in einem frühen Stadium Leistungsschwäche, Atemnot — zunächst bei Belastung, später auch im Ruhezustand. Mit Fortschreiten der Erkrankung kommt es zu wiederkehrenden kardialen Dekompensationen, weil es zu Wasseransammlungen beispielweise in der Lunge kommt.“<br />Bis jetzt konnte noch nicht herausgefunden werden, wieso sich das Amyloid in einem Fall an den Nervenzellen und im anderen Fall an Herzzellen bzw. bei Mischtypen in beiden Bereichen anlagert, berichtet Bonderman weiter. Es gäbe zwar Mutationsformen, die typisch für einen bestimmten Phänotyp sind, aber es gäbe auch Fälle, die davon abweichen.<br />Auer-Grumbach ergänzte, dass für die Patientinnen und Patienten die hATTRAmyloidose unweigerlich mit einer erheblichen körperlichen Beeinträchtigung und abnehmender Lebensqualität verbunden sei und schließlich zum Tode führen könne. <sup>1–8, 10, 13, 14, 29–34</sup></p> <h2>Frühzeitige Diagnose ist essenziell</h2> <p>Eine rasche Diagnose der hATTRAmyloidose ist wichtig, um eine geeignete Behandlung rechtzeitig in die Wege zu leiten und das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen oder zu verhindern. <sup>3, 6, 7, 10, 14, 15, 19, 24</sup><br /> Eine Genanalyse ist wichtig für die Absicherung der Diagnose einer hATTR-Amyloidose und zur Bestimmung der pathologischen Mutation. <sup>5, 14, 24, 26, 27</sup> Darüber hinaus können ebenfalls betroffene Familienmitglieder, die Träger der Mutation sind und bei denen die Krankheit noch nicht ausgebrochen ist, einfacher identifiziert werden.<sup>5, 6, 19</sup> Sie können dann von einer zeitgerechten, optimierten Behandlung profitieren,<sup>2, 10, 14, 19, 24</sup> denn die derzeitigen Therapien sind in den späteren Krankheitsstadien nur begrenzt wirksam.<sup>14, 19, 25</sup> Die Sensibilisierung für die wichtigsten klinischen Befunde („Red Flag“-Symptome, Tab. 1) und ein multidisziplinärer Ansatz sind daher ausschlaggebend für eine frühzeitige Diagnose und optimale Behandlung der hATTR-Amyloidose.<sup>2, 10, 15</sup></p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Neuro_1903_Weblinks_jatros_neuro_1903_s28_tab1_senti.jpg" alt="" width="1417" height="1765" /></p> <p> </p> <h2>Neue Therapien geben Hoffnung</h2> <p>Ein großer Fortschritt in der Behandlung der hATTR-Amyloidose ist die Entwicklung von Medikamenten. Seit Kurzem stehen zwei wirksame Medikamente zur Verfügung, die primär bei der seltenen erblichen Form der Amyloidose erfolgreich getestet wurden: Patirisan<sup>28, 29,</sup> ein mRNA- Silencer, und Tafamidis30, ein Transthyretrin- Stabilisator. Patirisan basiert auf der RNAi-Technolgoie, bei der siRNA-Moleküle (kurze doppelsträngige RNA-Sequenzen, die der Zielsequenz – in diesem Fall der Transthyretin-mRNA – entsprechen) in den Organismus eingebracht werden. Dadurch wird die Bildung von Transthyretrin unterbunden. Patisiran ist in Österreich seit 2018 für die Behandlung der hereditären Transthyretin-Amyloidose bei Erwachsenen mit Polyneuropathie der Stadien eins oder zwei zugelassen.<br />Tafamidis stabilisiert das abnorm gebildete Transthyretrin, in der Folge wird die Ablagerung von Amyloidfasern im Herzen gehemmt und das Fortschreiten der Erkrankung wird aufgehalten. Es kommt allerdings zu keiner Auflösung der Ablagerungen. Tafamidis ist ebenfalls nur für die Behandlung der vergleichsweise seltenen genetischen Form der Amyloidose zugelassen, die häufig auch mit Neuropathien verbunden ist.<br /> Die hohen Kosten stellen jedoch noch eine Einschränkung für die Verwendung der innovativen Medikamente dar.</p> <p>Weitere Informationen:</p> <ul> <li>www.orpha.net für Einzelheiten zu den Kompetenzzentren in Ihrer Nähe</li> <li>www.hattramyloidosis.com/de für weitere Informationen zur Erkrankung</li> </ul></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Hintergrundgespräch: „Genstilllegung als innovative Therapieform“,
8. April 2019<br>
Pressekonferenz zur Jahrestagung der Österreichischen
Kardiologischen Gesellschaft, 28. Mai 2019, Wien
</p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Hawkins PN et al.: Ann Med 2015; 47(8): 625-38 <strong>2</strong> Gertz MA: Am J Manag Care 2017; 23(7 Suppl): S107-S12 <strong>3</strong> Adams D et al.: Curr Opin Neurol 2012; 25(5): 564-72 <strong>4</strong> Rapezzi C et al.: Eur Heart J 2013; 34(7): 520-28 <strong>5</strong> Ando Y et al.: Orphanet J Rare Dis 2013; 8: 31 <strong>6</strong> Maurer MS et al.: J Am Coll Cardiol 2016; 68(2): 161-72 <strong>7</strong> Hanna M: Curr Heart Fail Rep 2014; 11(1): 50-7 <strong>8</strong> Adams D et al.: Neurology 2015; 85(8): 675-82 <strong>9</strong> Coelho T et al.: Curr Med Res Opin 2013; 29(1): 63-76 <strong>10</strong> Ruberg FL, Berk JL: Circulation 2012; 126(10): 1286-1300 <strong>11</strong> Sekijima Y: J Neurol Neurosurg Psychiatry 2015; 86(9): 1036-43 <strong>12</strong> Hellman U et al.: Amyloid 2008; 15(3): 181-6 <strong>13</strong> Parman Y et al.: Curr Opin Neurol 2016; 29(Suppl 1): S3-S13 <strong>14</strong> Adams D et al.: Curr Opin Neurol 2016; 29(Suppl 1): S14-S26 <strong>15</strong> Adams D et al.: Curr Neurol Neurosci Rep 2014; 14(3): 435 <strong>16</strong> Conceição I et al.: J Peripher Nerv Syst 2016; 21(1): 5-9<strong> 17</strong> Hanna M: Curr Heart Fail Rep 2014; 11(1): 50-7 <strong>18</strong> Mohty D et al.: Arch Cardiovasc Dis 2013; 106(10): 528-40 <strong>19</strong> Shin SC, Robinson- Papp J: Mt Sinai J Med 2012; 79(6): 733-48 <strong>20</strong> Damy T et al.: J Cardiovasc Transl Res 2015; 8(2): 117-27<strong> 21</strong> Hawkins PN et al.: Ann Med 2015; 47(8): 625-38 <strong>22</strong> Rapezzi C et al.: Eur Heart J 2013; 34(7): 520-8 <strong>23</strong> Adams D et al.: The XVth International Symposium on Amyloidosis. Uppsala, Sweden: ISA International Society of Amyloidosis; July 3-7, 2016. PA 82 <strong>24</strong> Obici L et al.: Curr Opin Neurol 2016; 29(Suppl 1): 27-35; <strong>25</strong> Planté-Bordeneuve V et al.: J Neurol 2017; 264(2): 268-76; <strong>26</strong> Patel KS, Hawkins PN: J Intern Med 2015; 278(2): 126-44 <strong>27</strong> Gilmore JD et al.: Circulation 2016; 133(24): 2404-12 <strong>28</strong> Solomon SD et al.: Circulation 2019; 139: 431-33 <strong>29</strong> Adams D et al.: NEJM 2018; 379: 11-21 <strong>30</strong> Maurer MS et al.: NEJM 2018; 379: 1007-16</p>
</div>
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