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Wenn Nerven und Herz verkleben

hATTR-Amyloidose – neue Hoffnung durch innovative Medikamente

<p class="article-intro">hATTR-Amyloidose ist eine seltene Erkrankung, von der weltweit schätzungsweise 50 000 Patienten betroffen sind.<sup>1, 2</sup> Sie leiden unter Herzinsuffizienzsymptomen oder neuronalen Beschwerden, manche unter einer Mischform. Bei einer mittleren Überlebensrate von fünf bis sechs Jahren ist die Prognose der Erkrankung nicht gut. Neue Medikamente geben nun Hoffnung.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die hATTR-Amyloidose ist eine heredit&auml;re, progrediente, lebensbedrohliche, autosomal-dominant vererbte Multisystemerkrankung, die durch eine Mutation im Transthyretin(TTR)-Gen verursacht wird.<sup>3&ndash;9</sup> Dadurch wird die Funktion des TTR-Proteins in der Blutbahn beeintr&auml;chtigt. TTR wird &uuml;berwiegend in der Leber synthetisiert und als Tetramer sezerniert, das sich aus identischen Monomeren zusammensetzt.<sup>1, 10</sup> Bei hATTR-Amyloidose f&uuml;hren Mutationen im TTR-Gen dazu, dass die Tetramer-Proteine instabil werden und in Monomere zerfallen.<sup>1, 10</sup> Diese TTR-Monomere werden fehlgefaltet und verklumpen zu Amyloidfibrillen, die sich an mehreren Stellen im K&ouml;rper, u. a. in den Nerven, im Herzen und im Gastrointestinaltrakt ablagern und so Sch&auml;den verursachen, die zu klinischen Symptomen f&uuml;hren.<sup>1, 10</sup></p> <h2>Unterdiagnostizierte Krankheit</h2> <p>Bisher wurden &uuml;ber 120 verschiedene Mutationen im TTR-Gen identifiziert, die mit hATTR-Amyloidose assoziiert sind.<sup>11</sup> Daraus resultiert eine erhebliche Heterogenit&auml;t bei den Ph&auml;notypen, von ausschlie&szlig;lich neurologischer Beteiligung bis hin zu einem kardial dominierten Erscheinungsbild.<sup> 1, 3&ndash;6, 11&ndash;13</sup><br />Das uneinheitliche klinische Erscheinungsbild und die &Uuml;berlappung der mit hATTR-Amyloidose assoziierten Symptome mit anderen Erkrankungen (Polyneuropathien wie die chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie, amyotrophe Lateralsklerose, motorische Polyradikuloneuropathie, AL-Amyloidose, AA-Amyloidose, Morbus Fabry, Karpaltunnelsyndrom u. a) f&uuml;hren m&ouml;glicherweise dazu, dass die Erkrankung unterdiagnostiziert und die Pr&auml;valenz h&ouml;her als angenommen ist.<sup>1&ndash;3, 5, 14</sup><br />Die Diagnose der hATTR-Amyloidose wird oftmals verz&ouml;gert, wobei bei manchen Patienten vom Einsetzen der ersten Symptome bis zur Diagnose bis zu acht Jahre vergehen k&ouml;nnen.<sup>1, 14, 15</sup></p> <h2>hATTR-Amyloidose: Konstellation m&ouml;glicher Anzeichen und Symptome</h2> <p>Da Amyloidfibrillen im gesamten K&ouml;rper, einschlie&szlig;lich Nerven, Herz und Magen-Darm-Trakt, abgelagert werden, erstrecken sich die Symptome der an hATTR-Amyloidose erkrankten Patienten &uuml;ber ein breites Spektrum.<sup>16&ndash;21</sup> Tats&auml;chlich leidet mehr als die H&auml;lfte der Patienten mit hATTR an einem gemischten Ph&auml;notyp. <sup>22, 23</sup><br />&bdquo;Bei hATTR-Amyloidose gibt es keinen typischen Ph&auml;notyp, die Symptome k&ouml;nnen sehr wechselhaft sein. H&auml;ufig bemerken die Patientinnen und Patienten zun&auml;chst Gef&uuml;hlsst&ouml;rungen, also sensible St&ouml;rungen, die vor allem das Schmerz- und Temperaturempfinden betreffen. Auff&auml;llig bei dieser sogenannten Small-Fiber-Neuropathie ist, dass diese Symptome relativ rasch fortschreiten&ldquo;, so Univ.-Prof. Dr. Michaela Auer-Grumbach, Leiterin der Neuromuskul&auml;ren Fu&szlig;ambulanz, MedUni Wien/AKH Wien. &bdquo;Eine Abgrenzung von hATTR-Amyloidose-bedingten Polyneuropathien zu den idiopathischen Polyneuropathien ist, dass sich bei Ersteren manchmal nach relativ kurzem Krankheitsverlauf feinmotorische Probleme in den H&auml;nden zeigen.&ldquo;<br />Assoc. Prof. Dr. Diana Bonderman, Abteilung f&uuml;r Kardiologie MedUni Wien/AKH Wien, schildert die Situation aus der Sicht der Kardiologin: &bdquo;Auff&auml;llig sind im wesentlichen Symptome, die mit einer Herzschw&auml;che einhergehen, das bedeutet in einem fr&uuml;hen Stadium Leistungsschw&auml;che, Atemnot &mdash; zun&auml;chst bei Belastung, sp&auml;ter auch im Ruhezustand. Mit Fortschreiten der Erkrankung kommt es zu wiederkehrenden kardialen Dekompensationen, weil es zu Wasseransammlungen beispielweise in der Lunge kommt.&ldquo;<br />Bis jetzt konnte noch nicht herausgefunden werden, wieso sich das Amyloid in einem Fall an den Nervenzellen und im anderen Fall an Herzzellen bzw. bei Mischtypen in beiden Bereichen anlagert, berichtet Bonderman weiter. Es g&auml;be zwar Mutationsformen, die typisch f&uuml;r einen bestimmten Ph&auml;notyp sind, aber es g&auml;be auch F&auml;lle, die davon abweichen.<br />Auer-Grumbach erg&auml;nzte, dass f&uuml;r die Patientinnen und Patienten die hATTRAmyloidose unweigerlich mit einer erheblichen k&ouml;rperlichen Beeintr&auml;chtigung und abnehmender Lebensqualit&auml;t verbunden sei und schlie&szlig;lich zum Tode f&uuml;hren k&ouml;nne. <sup>1&ndash;8, 10, 13, 14, 29&ndash;34</sup></p> <h2>Fr&uuml;hzeitige Diagnose ist essenziell</h2> <p>Eine rasche Diagnose der hATTRAmyloidose ist wichtig, um eine geeignete Behandlung rechtzeitig in die Wege zu leiten und das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen oder zu verhindern. <sup>3, 6, 7, 10, 14, 15, 19, 24</sup><br /> Eine Genanalyse ist wichtig f&uuml;r die Absicherung der Diagnose einer hATTR-Amyloidose und zur Bestimmung der pathologischen Mutation. <sup>5, 14, 24, 26, 27</sup> Dar&uuml;ber hinaus k&ouml;nnen ebenfalls betroffene Familienmitglieder, die Tr&auml;ger der Mutation sind und bei denen die Krankheit noch nicht ausgebrochen ist, einfacher identifiziert werden.<sup>5, 6, 19</sup> Sie k&ouml;nnen dann von einer zeitgerechten, optimierten Behandlung profitieren,<sup>2, 10, 14, 19, 24</sup> denn die derzeitigen Therapien sind in den sp&auml;teren Krankheitsstadien nur begrenzt wirksam.<sup>14, 19, 25</sup> Die Sensibilisierung f&uuml;r die wichtigsten klinischen Befunde (&bdquo;Red Flag&ldquo;-Symptome, Tab. 1) und ein multidisziplin&auml;rer Ansatz sind daher ausschlaggebend f&uuml;r eine fr&uuml;hzeitige Diagnose und optimale Behandlung der hATTR-Amyloidose.<sup>2, 10, 15</sup></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Neuro_1903_Weblinks_jatros_neuro_1903_s28_tab1_senti.jpg" alt="" width="1417" height="1765" /></p> <p>&nbsp;</p> <h2>Neue Therapien geben Hoffnung</h2> <p>Ein gro&szlig;er Fortschritt in der Behandlung der hATTR-Amyloidose ist die Entwicklung von Medikamenten. Seit Kurzem stehen zwei wirksame Medikamente zur Verf&uuml;gung, die prim&auml;r bei der seltenen erblichen Form der Amyloidose erfolgreich getestet wurden: Patirisan<sup>28, 29,</sup> ein mRNA- Silencer, und Tafamidis30, ein Transthyretrin- Stabilisator. Patirisan basiert auf der RNAi-Technolgoie, bei der siRNA-Molek&uuml;le (kurze doppelstr&auml;ngige RNA-Sequenzen, die der Zielsequenz &ndash; in diesem Fall der Transthyretin-mRNA &ndash; entsprechen) in den Organismus eingebracht werden. Dadurch wird die Bildung von Transthyretrin unterbunden. Patisiran ist in &Ouml;sterreich seit 2018 f&uuml;r die Behandlung der heredit&auml;ren Transthyretin-Amyloidose bei Erwachsenen mit Polyneuropathie der Stadien eins oder zwei zugelassen.<br />Tafamidis stabilisiert das abnorm gebildete Transthyretrin, in der Folge wird die Ablagerung von Amyloidfasern im Herzen gehemmt und das Fortschreiten der Erkrankung wird aufgehalten. Es kommt allerdings zu keiner Aufl&ouml;sung der Ablagerungen. Tafamidis ist ebenfalls nur f&uuml;r die Behandlung der vergleichsweise seltenen genetischen Form der Amyloidose zugelassen, die h&auml;ufig auch mit Neuropathien verbunden ist.<br /> Die hohen Kosten stellen jedoch noch eine Einschr&auml;nkung f&uuml;r die Verwendung der innovativen Medikamente dar.</p> <p>Weitere Informationen:</p> <ul> <li>www.orpha.net f&uuml;r Einzelheiten zu den Kompetenzzentren in Ihrer N&auml;he</li> <li>www.hattramyloidosis.com/de f&uuml;r weitere Informationen zur Erkrankung</li> </ul></p> <p class="article-quelle">Quelle: Hintergrundgespräch: „Genstilllegung als innovative Therapieform“, 8. April 2019<br> Pressekonferenz zur Jahrestagung der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft, 28. Mai 2019, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Hawkins PN et al.: Ann Med 2015; 47(8): 625-38 <strong>2</strong> Gertz MA: Am J Manag Care 2017; 23(7 Suppl): S107-S12 <strong>3</strong> Adams D et al.: Curr Opin Neurol 2012; 25(5): 564-72 <strong>4</strong> Rapezzi C et al.: Eur Heart J 2013; 34(7): 520-28 <strong>5</strong> Ando Y et al.: Orphanet J Rare Dis 2013; 8: 31 <strong>6</strong> Maurer MS et al.: J Am Coll Cardiol 2016; 68(2): 161-72 <strong>7</strong> Hanna M: Curr Heart Fail Rep 2014; 11(1): 50-7 <strong>8</strong> Adams D et al.: Neurology 2015; 85(8): 675-82 <strong>9</strong> Coelho T et al.: Curr Med Res Opin 2013; 29(1): 63-76 <strong>10</strong> Ruberg FL, Berk JL: Circulation 2012; 126(10): 1286-1300 <strong>11</strong> Sekijima Y: J Neurol Neurosurg Psychiatry 2015; 86(9): 1036-43 <strong>12</strong> Hellman U et al.: Amyloid 2008; 15(3): 181-6 <strong>13</strong> Parman Y et al.: Curr Opin Neurol 2016; 29(Suppl 1): S3-S13 <strong>14</strong> Adams D et al.: Curr Opin Neurol 2016; 29(Suppl 1): S14-S26 <strong>15</strong> Adams D et al.: Curr Neurol Neurosci Rep 2014; 14(3): 435 <strong>16</strong> Concei&ccedil;&atilde;o I et al.: J Peripher Nerv Syst 2016; 21(1): 5-9<strong> 17</strong> Hanna M: Curr Heart Fail Rep 2014; 11(1): 50-7 <strong>18</strong> Mohty D et al.: Arch Cardiovasc Dis 2013; 106(10): 528-40 <strong>19</strong> Shin SC, Robinson- Papp J: Mt Sinai J Med 2012; 79(6): 733-48 <strong>20</strong> Damy T et al.: J Cardiovasc Transl Res 2015; 8(2): 117-27<strong> 21</strong> Hawkins PN et al.: Ann Med 2015; 47(8): 625-38 <strong>22</strong> Rapezzi C et al.: Eur Heart J 2013; 34(7): 520-8 <strong>23</strong> Adams D et al.: The XVth International Symposium on Amyloidosis. Uppsala, Sweden: ISA International Society of Amyloidosis; July 3-7, 2016. PA 82 <strong>24</strong> Obici L et al.: Curr Opin Neurol 2016; 29(Suppl 1): 27-35; <strong>25</strong> Plant&eacute;-Bordeneuve V et al.: J Neurol 2017; 264(2): 268-76; <strong>26</strong> Patel KS, Hawkins PN: J Intern Med 2015; 278(2): 126-44 <strong>27</strong> Gilmore JD et al.: Circulation 2016; 133(24): 2404-12 <strong>28</strong> Solomon SD et al.: Circulation 2019; 139: 431-33 <strong>29</strong> Adams D et al.: NEJM 2018; 379: 11-21 <strong>30</strong> Maurer MS et al.: NEJM 2018; 379: 1007-16</p> </div> </p>
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