Prä- und postoperatives Transplantationsmanagement in der hausärztlichen Praxis
Autor:
Dr. med. Maximilian J. Severin
Zentrum für Nephrologie und Dialyse
Klinik Hirslanden, Zürich
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Hausärzte spielen in der Betreuung von Patienten vor und nach Nierentransplantation, aber auch bei der Begleitung von potenziellen Lebendspendern von der Auswahl bis zur Nachbetreuung eine wichtige Rolle. Dieser Artikel zeigt, welche Besonderheiten hierbei zu beachten sind.
Keypoints
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Die Vorbereitung einer Transplantation braucht Zeit, idealerweise sollte diese spätestens bei Einleitung einer Nierenersatztherapie abgeschlossen sein.
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Nierentransplantierte Patienten bleiben Nierenpatienten. Dies bedeutet eine lebenslange regelmässige Nachsorge und Nephroprotektion.
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Auch bei Lebendspendern sind nach einer Nierenspende regelmässige Verlaufskontrollen erforderlich. Eine hilfreiche Informationsquelle für Spender ist die Schweizer Lebendspenderbroschüre.9
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Bei Fragen soll immer Kontakt zum behandelnden Nephrologen oder zu der behandelnden Nephrologin aufgenommen werden, damit aus akuten Problemen keine chronischen werden.
In der Schweiz erhielten im Jahr 2024 381 Personen eine Niere, 270 nach postmortaler Nierenspende und 111 nach Lebendspende. Gleichzeitig waren 871 Patienten auf der Warteliste für eine Niere. Die mittlere Wartezeit für eine Niere beträgt aktuell etwas über drei Jahre.1 Die Funktionsdauer einer transplantierten Niere hängt von der Qualität der Spenderniere ab. Die durchschnittliche Lebensdauer des besten Fünftels der postmortalen Spendernieren beträgt circa 11,5 Jahre; die Nieren von Lebendspendern sind denen von postmortalen Spendern überlegen.2 Sowohl Nierenempfänger als auch Lebendnierenspender benötigen eine besondere Aufmerksamkeit.
Selektion
Generell sollte die Evaluation für eine Nierentransplantation bei einer geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) von 20ml/min/1,73m2 eingeleitet wer-den. Dies verschafft sowohl den Patientinnen und Patienten als auch den behandelnden Ärztinnen und Ärzten ausreichend Zeit, um die Transplantationseignung sorgfältig zu prüfen und potenzielle Lebendnierenspender zu rekrutieren. Eine kurze Dialysedauer wirkt sich sowohl positiv auf die Gesamtmortalität als auch auf die Transplantatfunktion aus. Optimal ist die präemptive Transplantation, bei der eine Lebendnierenspende noch vor dem Erreichen der Dialysepflichtigkeit erfolgt.
Für die Abklärung einer Transplantation ist in der Regel ein Zeitraum von drei bis sechs Monaten erforderlich. Idealerweise wird die Zuweisung frühzeitig an die wohnortnahe Nephrologin bzw. den wohnortnahen Nephrologen zur Einleitung der Transplantationsabklärung veranlasst.6
Bei der Auswahl von Transplantationskandidatinnen und -kandidaten sind Komorbiditäten wichtiger als das chronologische Alter. Der ideale Empfänger ist normalgewichtig, therapietreu und frei von Malignomen und Suchterkrankungen. Idealerweise gibt es in der Anamnese auch keine sensibilisierenden Ereignisse (z.B. Bluttransfusionen, Transplantationen oder Schwangerschaften), die zur Bildung von Antikörpern führen und dadurch die Zahl potenziell geeigneter Spenderorgane deutlich einschränken können. Aufgrund der notwendigen Immunsuppression, welche ein Tumorwachstum begünstigen kann, sind aktive Malignomerkrankungen absolute Kontraindikationen. Dies gilt auch für akute Infektionen. Aktiver Drogenmissbrauch und stark eingeschränkte Therapietreue sind ebenfalls Gegenanzeigen, da das Transplantatüberleben auch von der Therapietreue des Empfängers abhängt. Die absoluten Kontraindikationen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.6 Bei der Evaluation sollte nicht nur die Möglichkeit der Listung für eine postmortale Nierenspende, sondern auch die Lebendnierenspende angesprochen werden.
Optionen
Postmortale Nierenspende
Die Vergabe postmortal gespendeter Nieren erfolgt in der Schweiz zentral über Swisstransplant nach einer streng geregelten Zuteilung. Die Rangfolge berücksichtigt mehrere Kriterien wie Dringlichkeit, Blutgruppenkompatibilität, Alter, Gewebeübereinstimmung (HLA), Immunisierungsgrad (mit Vorrang für hochimmunisierte Patientinnen und Patienten), den erwarteten medizinischen Nutzen sowie die Wartezeit auf der Liste.4
Lebendnierenspende
Die Spenderauswahl benötigt Zeit. Eine Blutgruppenungleichheit ist keine absolute Kontraindikation, bedarf aber einer besonderen Vorbereitung. Es sind auch Ringspenden mit anderen Lebendspenderpaaren möglich, sollte ein Organ z.B. aufgrund von Antikörpern oder der Konstitution nicht geeignet sein. Der ideale Spender ist gesund, schlank, normotensiv und nicht wesentlich kleiner als der Empfänger. Es sind einige Kontraindikationen zu beachten, so sind z.B. Minderjährigkeit, Diabetes mellitus, Albuminurie, akute Infektionen und rezidivierende Nierensteine Ausschlusskriterien. Des Weiteren sind Adipositas (je nach Zentrum liegt die BMI-Grenze bei 30 oder 35kg/m2) und arterielle Hypertonie, welche mit mehreren Medikamenten behandelt werden muss, Gegenanzeigen.2,5
Vorbereitungen/Abklärungen
Vor einer möglichen Transplantation werden folgende Impfungen empfohlen: Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Polio, Masern, Mumps, Röteln, Hepatitis B, Pneumokokken, Influenza und Varizellen. Generell sind ein dermatologischer Check-up und eine zahnärztliche Kontrolle erforderlich. Neben der ausführlichen klinischen Untersuchung und umfassenden Blutentnahmen werden ein Thoraxröntgen (ggf. Thorax-CT), eine Sonografie des Abdomens und ein EKG gefordert. Bei Patienten über 40 und solchen mit Risikofaktoren müssen ausserdem eine kardiale Ischämiediagnostik und eine Duplex-Sonografie der Beckengefässe erfolgen. Ab 50 Jahren soll ausserdem eine Koloskopie durchgeführt werden, bei Patienten mit familiärer Belastung schon früher. Bei Männern ab dem 50. Lebensjahr gehört zur Vordiagnostik ausserdem die Bestimmung des PSA-Werts.3,10
Ablauf
Nach der Organentnahme erfolgt die Implantation der Niere in den Unterbauch auf die entgegengesetzte Seite, das heisst, eine linke Spenderniere wird auf der rechten Seite implantiert. Die Operationszeit beträgt im Normalfall zwei bis drei Stunden, wichtig sind die zwei Anastomosen von Arterie und Vene sowie die Implantation des Ureters in die Blase. Im Regelfall nimmt die transplantierte Niere die Funktion direkt auf. Meistens dauert der Spitalaufenthalt eine Woche. In den ersten sechs Monaten sind engmaschige ambulante Kontrollen erforderlich.
Nachbehandlung
Nach der Transplantation wird eine ausgewogene Ernährung mit reichlich Gemüse, Obst und Ballaststoffen empfohlen. Fleisch sollte nur in Massen konsumiert und auf gesüsste Getränke möglichst verzichtet werden. Der Salzkonsum sollte 5Gramm pro Tag nicht überschreiten. Zusätzlich sind regelmässige körperliche Aktivität (mindestens 150Minuten pro Woche in moderater Intensität), Gewichtskontrolle sowie vollständiger Rauchverzicht essenziell. Als Zielwerte gelten ein systolischer Blutdruck unter 120mmHg sowie eine Senkung des LDL-Cholesterins in den empfohlenen Bereich.7,8
Verlaufskontrollen
Empfänger
Die anlässlich der regelmässigen Kontrollen erforderlichen Untersuchungen sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Unabhängig davon ist bei akuter Verschlechterung des Allgemeinzustands, Fieber, Auftreten von Ödemen sowie hypertensiver Entgleisung eine Kontrolle noch am gleichen Tag erforderlich. Je nach Ausprägung sollte direkt eine Vorstellung auf der Notfallstation erfolgen. Grundsätzlich können immer ein Infekt oder eine Abstossung vorliegen, wobei die Unterscheidung mitunter nur durch eine Biopsie erfolgen kann. Bei Unklarheiten sollte immer die behandelnde Nephrologie kontaktiert werden. Nach einer Transplantation gilt der Merksatz: «Vorsicht ist besser als Nachsicht.»
Spender
Auch der Nierenspender verdient nach der Organspende weiterhin Beachtung und muss regelmässig nachkontrolliert werden. Im Rahmen des Schweizerischen Lebendspender-Registers werden jährlich Blut- und Urinkontrollen durchgeführt (Tab. 3). In unserer Klinik erfassen wir zusätzlich den HbA1c-Wert, um einen möglichen Diabetes mellitus frühzeitig zu diagnostizieren. Von zentraler Bedeutung ist zudem, dass potenzielle Spenderinnen und Spender von Beginn an eine feste Ansprechperson haben, die ihnen bei Fragen oder Sorgen beratend zur Seite steht.5,9
Literatur:
1 Swisstransplant: Jahresbericht 2024. https://www.swisstransplant.org/fileadmin/user_upload/Jahresbericht_2024_DE.pdf ; zuletzt aufgerufen am 2.10.2025 2 Lerma EV et al. (eds.): Nephrology Secrets. 4th ed. Elsevier, 2019 3 Chadban S et al.: Summary of the kidney disease: improving global outcomes (KDIGO) clinical practice guideline on the evaluation and management of candidates for kidney transplantation. Transplant 2020; 104: 708-14 4 Bundesamt für Gesundheit (BAG): Zuteilung von Organen, Geweben und Blut-Stammzellen. https://www.bag.admin.ch/de/zuteilung-von-organen-geweben-und-blut-stammzellen ; zuletzt aufgerufen am 2.10.2025 5 Lentine KL et al.: Summary of kidney disease: improving global outcomes (KDIGO) clinical practice guideline on the evaluation and care of living kidney donors. Transplant 2017; 101: 1783-92 6 Gilbert SF et al. (eds.): National Kidney Foundation’s Primer on Kidney Diseases. 8th ed. Elsevier, 2022 7 Kidney Disease: Improving global outcomes (KDIGO) transplant work group: KDIGO clinical practice guideline for the care of kidney transplant recipients. Am J Transplant 2009; 9 (Suppl 3): S1-155 8 McEvoy J et al.: 2024 ESC Guidelines for the management of elevated blood pressure and hypertension. Eur Heart J 2024; 45: 3912-4018 9 Binet I et al.: Schweizer Lebendspenderbroschüre. 4. Aufl., 2015. https://www.sol-dhr.ch/broschuere/Lebendspenderbroschuere_DE.pdf ; zuletzt aufgerufen am 21.10.2025 10 Universitätsspital Basel: Checkliste Anmeldung Nierenempfänger/in. Transplantationsimmunologie und Nephrologie. https://www.unispital-basel.ch/dam/jcr:d7501012-3f06-4f25-be29-0091a98f12ad/Checkliste_Anmeldung_Nierenempf%C3%A4nger.pdf ; zuletzt aufgerufen am 28.10.2025
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