
Patientenoptimierung in der orthopädischen Chirurgie
Autoren:
Dr. med. Michael Najfeld
Prof. Dr. med. Robert Hube
Orthopädische Chirurgie München
E-Mail: michael.najfeld@ocm-muenchen.de
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Die Patientenoptimierung vor orthopädischen Eingriffen, insbesondere in der Endoprothetik, spielt eine entscheidende Rolle für den Erfolg der Operation und die Zufriedenheit der Patienten. Eine strukturierte Vorbereitung kann Komplikationen reduzieren, die Mobilisation beschleunigen und langfristige Ergebnisse verbessern. Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Aspekte der Patientenoptimierung mit wissenschaftlich fundierten Empfehlungen.
Keypoints
-
Individuelle Indikationsstellung basierend auf Symptomen, nicht nur auf radiologischen Befunden
-
Präoperatives Management von Anämie, Diabetes, Adipositas und Rauchen trägt zum Erfolg bei.
-
Präoperative und intraoperative Massnahmen zur Infektionsprophylaxe richtig angewendet, können signifikant das Infektionsrisiko minimieren.
Patientenselektion und Indikationsüberprüfung
Die Entscheidung zur Implantation einer Endoprothese sollte nicht allein aufgrund radiologischer Veränderungen getroffen werden, sondern vor allem auf Basis der Symptome des Patienten. Eine sorgfältige Patientenselektion ist essenziell, um optimale postoperative Ergebnisse zu gewährleisten.1, 2, 3
Prädiktoren für eine hohe Patientenzufriedenheit nach Knie-Totalendoprothese (KTEP) sind unter anderem:
-
Alter unter 60 Jahren
-
Schmerzfreiheit
-
Gute Funktionalität
-
Erfüllung der Erwartungen4, 5
Studien zeigen, dass die Patientenzufriedenheit weniger von der objektiven Funktionsverbesserung als von der Erfüllung individueller Erwartungen abhängt.6
Präoperative Patientenoptimierung
Die präoperative Optimierung umfasst mehrere medizinische und lebensstilbezogene Faktoren, die sich direkt auf das perioperative Risiko und die langfristigen Ergebnisse auswirken. Wichtige Massnahmen zur Optimierung beinhalten das Management von Anämie, Diabetes, Raucherentwöhnung sowie Adipositas und Ernährung.

Abb. 1: Präoperative Haarentfernung sollte mittels Clipping erfolgen, da eine Rasur das Infektionsrisiko erhöht
Anämie ist ein häufiger präoperativer Risikofaktor mit einer Prävalenz von 20–51%.7 Eine unbehandelte Anämie erhöht das Risiko für postoperative Transfusionen, verlängerte Krankenhausaufenthalte und Mortalität.8
Eine gezielte Anämiebehandlung vier Wochen vor der Operation umfasst:
-
1000mg Eisen-Carboxymaltose intravenös
-
40000IE Erythropoetin subkutan
-
1mg Vitamin B12 subkutan
-
5mg Folsäure täglich oral
Diese Massnahmen haben gezeigt, dass sie die Anämierate und den Bedarf an Bluttransfusionen signifikant reduzieren,9 des Weiteren kann eine adäquate Anämiebehandlung das Risiko von Wundheilungsstörungen verringern.10
Ein weiterer Faktor, der Wundheilungsstörungen signifikant beeinflussen kann, ist das Diabetesmanagement. Ein schlecht eingestellter Diabetes erhöht das Infektionsrisiko und beeinträchtigt die Wundheilung. Patienten mit einem HbA1c-Wert über 7% haben ein signifikant höheres Risiko für postoperative Komplikationen.11 Optimale präoperative Blutzuckerwerte sollten daher angestrebt werden:
-
HbA1c <7%12
-
Präprandial: 90–120mg/dl
-
Postprandial: <180mg/dl
Ein weiterer Faktor, der eine signifikante Rolle in der präoperativen Vorbereitung spielt, ist das Rauchen. Obwohl die Gesundheitsgefahr, die vom Rauchen ausgeht, seit Langem bekannt ist, greifen nach wie vor unzählige Menschen zu Zigaretten & Co. In Deutschland gibt es 26,2 Millionen Raucher, weltweit 1,3 Milliarden (Stand 2020). Das Rauchen beeinflusst die Wundheilung und erhöht das Risiko für Infektionen. Eine Rauchpause von mindestens vier Wochen vor und nach der Operation reduziert Komplikationen erheblich.13 Einer weiterer Lifestylefaktor, welcher heutzutage zu einer Volkskrankheit geworden ist, ist die Fettleibigkeit. Adipositas ist mit einem erhöhten Risiko für postoperative Infektionen, Wundheilungsstörungen und Revisionseingriffe verbunden. Eine Metaanalyse mit 37 Studien ergab, dass ein BMI ≥40kg/m2 das Risiko für eine septische Revision um das 3,69-Fache erhöht.14 Mögliche Massnahmen, die positiv auf das Endergebnis Einfluss nehmen können und präoperativ eine Rolle spielen, sind: interdisziplinäre diätetische Gewichtsreduktion8 und medikamentöse Therapie mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten wie Semaglutid.15 Aktuelle Studien zeigen, dass mit Semaglutid/Cyanocobalamin ausserhalb einer streng kontrollierten Umgebung ein bedeutender Gewichtsverlust erreichbar ist. Darüber hinaus verbesserte sich die Körperzusammensetzung durch den Verlust an Fettmasse und die Zunahme des Gesamtanteils an Muskelmasse und Skelettmuskeln.16 Neben konservativen Massnahmen gibt es auch chirurgische Eingriffe. Allerdings sind bariatrische Operationen vor endoprothetischen Eingriffen umstritten, da sie den Knochenstoffwechsel negativ beeinflussen können.17
Infektprophylaxe
Postoperative Infektionen gehören zu den häufigsten Komplikationen nach chirurgischen Eingriffen und sind mit einer erhöhten Morbidität, verlängerten Krankenhausaufenthalten und gesteigerten Gesundheitskosten verbunden. Eine konsequente Infektprophylaxe kann das Risiko erheblich reduzieren. Ein wesentlicher Bestandteil ist die präoperative Dekolonisation und Präreinigung der Haut, die das Infektionsrisiko um mehr als 50% senken kann.18, 19 Dazu gehören antiseptische Waschungen mit speziellen Lösungen 1–3 Tage vor der Operation und am OP-Tag, die nasale Dekolonisation mit Mupirocin zur Reduktion von Staphylococcus aureus sowie die Hautdekontamination mit Chlorhexidin. Zudem sollten chronische Infektionen, Zahnerkrankungen oder bestehende Harnwegsinfekte präoperativ behandelt werden, um das Risiko systemischer Infektionen zu minimieren.
Ein weiterer zentraler Baustein ist die perioperative Antibiotikaprophylaxe, deren richtige Dosierung und deren richtiges Timing essenziell sind. Die Gabe sollte 30–60 Minuten vor der Inzision erfolgen und bei längerer Operationsdauer oder hohem Blutverlust über 2 Liter wiederholt werden.20 Auch die präoperative Haarentfernung spielt eine Rolle: Falls notwendig, sollte sie unmittelbar vor der Operation durch Clipping erfolgen, da Studien zeigen, dass eine Rasur das Infektionsrisiko deutlich erhöht (5,6% vs. 0,6% beim Clipping).21
Das intraoperative Temperaturmanagement trägt wesentlich zur Infektprävention bei. Eine Hypothermie schwächt die Immunabwehr und kann zu einer gestörten Wundheilung führen. Durch gezielte Erwärmung der Haut, den Einsatz von Wärmesystemen und die Aufrechterhaltung einer normothermen Körpertemperatur können Durchblutung, Sauerstoffsättigung und Immunzellmigration verbessert werden, was das Infektionsrisiko reduziert.20 Ebenso wichtig ist eine effektive chirurgische Hautantiseptik, bei der die Kombination aus Alkohol und Chlorhexidin die grösste Reduktion der bakteriellen Besiedlung zeigt. Die Luftkontamination im OP-Saal sollte durch die Begrenzung der Türöffnungsfrequenz und der Anzahl der anwesenden Personen minimiert werden.10, 22, 23 Ein häufig unterschätzter Faktor ist die bakterielle Kontamination von Handschuhen und Instrumenten. Mehr als 50% der Handschuhe sind nach chirurgischer Manipulation kontaminiert, weshalb ein regelmässiger Wechsel, insbesondere nach kritischen Schritten wie Repositionen oder Zementierungen, empfohlen wird.24 Auch der Saugeransatz stellt eine potenzielle Infektionsquelle dar. Bei Operationen, die länger als eine Stunde dauern, liegt das Kontaminationsrisiko bei 66,7%, während es bei kürzeren Eingriffen nur 9,1% beträgt.25 Die Evidenzlage zum Nutzen von Inzisionsfolien bleibt uneinheitlich. Während einige Studien keinen klaren Vorteil feststellen, deuten andere darauf hin, dass insbesondere antimikrobielle, iodimprägnierte Folien das Risiko postoperativer Wundinfektionen senken können. Daher sollte die Entscheidung über ihren Einsatz individuell und unter Berücksichtigung des Operationskontexts sowie aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen werden.26,27
Fazit
Die präoperative Optimierung von Patienten in der Endoprothetik ist ein essenzieller Bestandteil des Behandlungserfolgs. Durch eine gezielte Patientenselektion, eine Optimierung von Begleiterkrankungen und eine präventive Infektionskontrolle können Komplikationen minimiert und die Patientenzufriedenheit maximiert werden. Eine umfassende Infektprophylaxe erfordert ein interdisziplinäres Vorgehen und beginnt bereits in der präoperativen Phase. Durch gezielte Massnahmen wie Dekolonisation, Antibiotikaprophylaxe, Temperaturmanagement und sterile OP-Techniken kann das Risiko postoperativer Infektionen erheblich reduziert und die Patientensicherheit verbessert werden.
Literatur:
1 Kehlet H: Lancet 2013; 381(9878): 1600-2 2 Lamplot JD et al.: J Arthroplasty 2014; 29(2): 329-34 3 Kehlet H: Lancet 2013; 381(9878): 1600-2 4 Giesinger JM et al.: J Arthroplasty 2015; 30(12): 2154-82 5 Noble PC et al.: Clin Orthop Relat Res 2006; 452: 35-43 6 Naal FD et al.: Qual Life Res 2015; 24(12): 2917-25 7 Rosencher N et al.: Transfusion 2003; 43(4): 459-69 8 Lasocki S et al.: Lancet Haematol 2023; 10(9): e747-55 9 Theusinger OM et al.: Blood Transfus 2014; 12(2): 195-203 10 Gehrke T et al.: Bone Joint J 2015; 97-B: 20-9 11 Marchant MH et al.: J Bone Joint Surg Am 2009; 91(7): 1621-9 12 Kunutsor SK et al.: PLoS One 2016; 11(3): e0150866 13 Lindström D et al.: Ann Surg 2008; 248(5): 739-45 14 Malinzak RA et al.: J Arthroplasty 2009; 24(6 Suppl): 84-8 15 Rubino D et al.: JAMA 2021; 325(14): 1414-25 16 Chun E et al.: Diabetes Obes Metab 2025; 27(3): 1536-43 17 Stein EM et al.: J Clin Endocrinol Metab 98(2): 541-9 18 Kapadia BH et al.: Lancet 2016; 387(10016): 386-94 19 Markatos K et al.: Surg Infect (Larchmt) 2015; 16(3): 221-5 20 Leaper D: Surg Infect (Larchmt) 2006; 2: S101-3 21 Allegranzi B et al.: Lancet Infect Dis 2016; 16(12): e276-e87 22 Erichsen AE et al.: Am J Infect Control 2012; 40(8): 750-5 23 Ostrander RV et al.: J Bone Joint Surg Am 2005; 87(5): 980-5 24 Beldame J et al.: Orthop Traumatol Surg Res 2012; 98(4): 432-40 25 González Edery E et al.: Rev Española Cirugía Ortopédica y Traumatol (English Ed) 2020; 64(5): 318-25 26 Milandt N et al.: Acta Orthop 2016; 87(4): 380-5 27 Webster J, Alghamdi A: Cochrane Database Syst Rev 2013; 31(1): CD006353
Das könnte Sie auch interessieren:
Multiligamentverletzungen im Knie: die ideale Bandplastik
Kombinationsverletzungen mehrerer Bänder im Kniegelenk sind eine Herausforderung in der Orthopädie. Ohne korrekte Therapie ist das Risiko für Rotationsinstabilitäten hoch. Eine vordere ...
Knorpeldefekte im Kniegelenk: MFX versus MCI
Knorpeldefekte im Knie sind häufig und erfordern eine Behandlung, denn sonst droht eine verfrüht einsetzende Arthrose. Verschiedene Techniken stehen zur Verfügung, die Mikrofrakturierung ...
Versagensanalyse nach Rotatorenmanschettenrekonstruktion
Die Rotatorenmanschette (RM) besteht aus den Muskeln Supraspinatus, Infraspinatus, Teres minor und Subscapularis. Diese zentrieren den Oberarmkopf in der Gelenkpfanne und tragen jeweils ...