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Hormontherapie und Blutdruck: Kommentar

Hormonpräparate in den Wechseljahren erhöhten in einer grossen Kohortenstudie aus Frankreich das Risiko für eine Hypertonie.1 Man sollte sich von den Ergebnissen aber nicht verunsichern lassen, sondern die Daten kritisch betrachten.

Das Ergebnis der Studie aus Frankreich1 scheint zunächst besorgniserregend: Frauen, die in den Wechseljahren eine Hormontherapie bekamen, hatten ein erhöhtes Risiko für eine arterielle Hypertonie. Man muss die Untersuchung aber kritisch anschauen:

Erstens war das Risiko zwar erhöht, aber nur leicht: Die Hazard-Ratio betrug 1,07 mit einem Konfidenzintervall von 1,02–1,12.

Zweitens betraf das erhöhte Risiko vor allem Kombinationspräparate mit Norpregnanen oder Pregnanen, dazu gehören zum Beispiel Cyproteronacetat, Promegeston oder Chlormadinonacetat (Tab.1). Von den genannten Kombinationspräparaten gibt es in der Schweiz nur noch ein Präparat, nämlich die Kombination aus Estradiolvalerat und Medroxyprogesteronacetat (Handelsname Indivina®). Dieses wird im Vergleich zu anderen Präparaten selten verschrieben.

Tab. 1: Synthetische Gestagene

Drittens gelten die Ergebnisse nicht für Frauen, denen wir die Hormone in transdermaler Applikationsform verschreiben. Denn für diese zeigte die Studie kein erhöhtes Hypertonierisiko.

Abgesehen von diesen drei Punkten hat die Studie einige Schwächen:

  1. Während des Beobachtungszeitraums wechselten einige Frauen ihre Hormontherapiepräparate. Bei diesen Frauen kamen dann die Einflüsse verschiedener Präparate zusammen, was dazu geführt haben könnte, dass ein Präparat den Blutdruck erhöhte und das andere nicht, aber auch dem zweiten ein blutdrucksteigernder Effekt bescheinigt wird. Die Forscher hätten in ihren Berechnungen berücksichtigen müssen, dass eine Frau ihr Medikament gewechselt hat.

  2. Die Studie liefert keine Angaben zur Dosis und zum Einnahmeregime der Medikamente. Frauen, die eine kontinuierlich-kombinierte Therapie bekamen, hatten eine höhere Gesta­gen­exposition als solche, die ein sequenziell-kombiniertes Präparat anwendeten. Möglicherweise spielt dieser Unterschied eine Rolle. Für Brustkrebs haben wir Hinweise darauf, dass eine kontinuierlich-kombinierte Hormontherapie ungünstiger ist als eine sequenziell-kombinierte. Das könnte für Blut­hochdruck ähnlich sein, aber wir haben dafür bisher keine Belege.

  3. Die Autoren berechneten zwar Faktoren mit ein, die ebenfalls das Risiko für eine Hypertonie erhöhen und das Ergebnis hätten verfälschen können, nämlich unter anderem Body-Mass-Index, Nikotinabusus, sportliche Aktivität, bestehenden Diabetes oder Hypercholesterinämie oder eine familiäre Vorbelastung mit Hypertonie. Aber diese Informationen erhielten die Forscher durch eigene Angaben der Frauen. Es ist leicht vorstellbar, dass eine Frau beispielsweise angab, sie treibe regelmässig Sport und rauche kaum, wobei das nicht der Fall war. So erhöhten dann diese Faktoren den Blutdruck und nicht das Hormontherapiepräparat. Abgesehen davon wurden einige relevante Risikofaktoren für Blut­hochdruck nicht erfasst, nämlich ob die Frauen Medikamente nahmen und welche, ob sie viel Stress hatten oder wie viel Alkohol sie tranken.

  4. Es könnte sein, dass Frauen mit Hormontherapie in den Wechseljahren häufiger zu ihrer Frauenärztin gehen, etwa um die Medikation kontrollieren zu lassen. Den Frauen wird in der Praxis oft routinemässig der Blutdruck gemessen und so könnte ein erhöhter Druck eher erkannt werden. Statistiker nennen das Detektionsbias.

Mein Fazit für die Praxis: Frauen mit kardiovaskulären Risikofaktoren wie Nikotinabusus, Adipositas oder einer vorbestehenden Hypertonie sollte man lieber ein transdermales Östrogen mit einem stoffwechselneutralen Gestagen verschreiben, zum Beispiel Duphaston® oder Utrogestan®.

Weiterführend dazu lesen Sie das Referat mit Prof. Dr. med. Thomas Lüscher
Hormontherapie und Blutdruck

1 Madika AL et al.: Menopausal hormone therapy and risk of incident hypertension: role of the route of estrogen administration and progestogens in the E3N cohort. Menopause 2021; 28(11): 1204-8

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