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Hormontherapie und Blutdruck

Eine Hormonbehandlung in den Wechseljahren kann das Risiko für Bluthochdruck erhöhen. Es kommt aber auf die Zusammensetzung des Präparates und auf die Applikationsform an.

Dass eine Hormontherapie in den Wechseljahren je nach Präparat und Anwendungsdauer das Risiko für Brustkrebs, Thromboembolien und Schlaganfall erhöht, ist seit Längerem bekannt. Ob die Hormone aber auch Bluthochdruck verursachen, war bisher nicht klar – die Studien widersprachen sich. Forscher aus Frankreich haben deshalb den Zusammenhang zwischen Hormonpräparaten und dem Auftreten einer Hypertonie nochmals in einer grossen Studie untersucht.1

Sie werteten Daten von 49905 Frauen der E3N-Studie aus. Diese prospektive Kohortenstudie schliesst Frauen ein, die bei der Krankenversicherung Mutuelle Générale de l’Education versichert sind oder waren. Zu Beginn der Studie im Jahr 1992 hatten die Frauen noch keinen Bluthochdruck. Zu diesem Zeitpunkt und alle 2–3 Jahre danach sollten die Teilnehmerinnen in einem Fragebogen angeben, ob sie Hormone einnahmen und wenn ja, welche Präparate und in welcher Applikationsform. Um den Frauen zu helfen, sich an die Präparate zu erinnern, legte man eine Broschüre mit Fotos aller Östrogen- und Progesteronpräparate bei. Ausserdem notierten die Frauen, ob der Arzt Bluthochdruck festgestellt und ob er dagegen Medikamente verschrieben hatte.

Im Schnitt waren die Frauen zu Studienbeginn 54,2 Jahre alt. 32183 Frauen gaben an, jemals Hormonpräparate gegen Wechseljahresbeschwerden genommen zu haben, im Durchschnitt 7,5 Jahre lang. Die Frauen wurden durchschnittlich 10,6 Jahre beobachtet. In dieser Zeit bekamen 10173 Frauen die Diagnose Bluthochdruck. Eine Hormontherapie erhöhte das Risiko dafür: 2 von 3 Frauen mit neu aufgetretenem Bluthochdruck hatten Hormone genommen.

«Wir sollten unsere Patientinnen mit diesem Ergebnis aber nicht verunsichern», sagt Prof. Dr. med. Petra Stute, Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Menopause. «Man muss sich in der Studie genau anschauen, für wen das erhöhte Risiko gilt.» So erhöhten Östrogene allein das Risiko nicht, sondern nur in Kombination mit Gestagenen. Und hier kam es auf die Art des Gestagens an: Vor allem Präparate mit Norpregnanen oder Pregnanen erhöhten den Blutdruck. Ein solches Gestagen enthält aber nur noch ein Präparat auf dem Schweizer Markt (Indivina®). Andere hierzulande häufig eingesetzte Hormonpräparate enthalten neben dem Östrogen als Gestagen entweder oft Norethisteronacetat – z.B: Estalis®, Systen Conti®, Activelle®, Trisequens N®, Novofem® und Kliogest® – oder das naturidentische mikronisierte Progesteron. Beide Gestagene gingen in der Studie nicht mit einem erhöhten Risiko einher. Manchmal wird auch Dydrogesteron zu den Pregnanen gezählt. Aber Pillen mit Dydrogesteron, z.B. Femoston® oder Femoston conti®, waren in der Studie auch nicht mit einem erhöhten Risiko assoziiert.

<< Selbst mit der besten Statistik kann man nicht ausschliessen, dass die Frauen aus anderen Gründen Bluthochdruck bekamen.>>
T. Lüscher, London

Neben der Art des Gestagens spielte die Applikationsart eine Rolle: So erhöhte sich das Risiko kaum, wenn eine Frau die Hormone in Pflasterform anwendete.

Die Forscher haben versucht, andere Risikofaktoren für Bluthochdruck, etwa Bewegungsmangel oder Übergewicht, herauszurechnen. «Selbst mit der besten Statistik kann man aber nicht ausschliessen, dass die Frauen aus anderen Gründen als durch die Hormone Bluthochdruck bekamen», sagt Prof. Dr. med. Thomas Lüscher, Direktor Research, Education & Development und Professor für Kardiologie im Royal Brompton & Harefield Hospital Trust und Imperial College in London. So gehen die Wechseljahre per se mit einem höheren Risiko für Bluthochdruck einher, was vermutlich an den sinkenden Östrogenspiegeln liegt. «Hinzu kommt, dass viele Frauen in dem Alter leider weniger Sport treiben und Gewicht zunehmen», sagt Lüscher. Zwar haben die Forscher versucht, das zu erfassen (die Frauen sollten in den Fragebogen angeben, ob und wie viel Sport sie treiben und wie viel sie wiegen), solche Antworten sind aber manchmal ungenau, meint Lüscher. «Besser wäre gewesen, wenn man Grösse und Gewicht regelmässig gemessen hätte und detailliert gefragt hätte, ob und wie viel sich die Frauen bewegten.»

Wie soll man nun in der Praxis vorgehen? Stute: «Eine Hormontherapie ist eine sichere Behandlung, aber bei Frauen mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko würde ich trotzdem etwas vorsichtig sein.» So würde sie einer übergewichtigen Frau, die wenig Sport treibt oder gar schon Bluthochdruck hat, eher ein Hormonpräparat in Form von Gel oder Pflaster verschreiben. «Abgesehen davon ist zu überlegen, ob die Frau wirklich Hormone braucht», so Stute. Wechseljahresbeschwerden lassen sich nämlich auch durch nicht hormonelle Massnahmen lindern, etwa mit Akupunktur, Traubensilberkerze oder kognitiver Verhaltenstherapie.

Ergänzend dazu ist ein Kommentar von Prof. Dr. med. Petra Stute erschienen:
Hormontherapie und Blutdruck: Kommentar

1 Madika AL et al.: Menopausal hormone therapy and risk of incident hypertension: role of the route of estrogen administration and progestogens in the E3N cohort. Menopause 2021; 28(11): 1204-8

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