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Fetale Herzfehler: vier Beispiele
Jatros
Autor:
Dr. Rüdiger Hammer
Praenatalmedizin und Genetik Düsseldorf<br> Düsseldorf, Deutschland<br> E-Mail: r.hammer@praenatal.de
30
Min. Lesezeit
24.10.2019
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<p class="article-intro">Nach Nierenstörungen stellen Herzfehler die zweithäufigste fetale Fehlbildung mit einer Inzidenz von 8 bis 9 auf 1000 Lebendgeburten dar.<sup>1</sup> Meist besteht kein Vorrisiko, sodass die Raten der pränatalen Entdeckung, mit Ausnahme spezialisierter Zentren, bei 20 bis 50 % liegen. Eine Verbesserung kann nur durch gezieltes Training der fetalen Echokardiografie erzielt werden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Zusätzlich zum Vierkammerblick sollten die Überkreuzung der großen Arterien und die obere Gefäßebene in die standardisierte Herzuntersuchung integriert werden, um die Raten der Entdeckung relevanter Herzfehler auch außerhalb spezialisierter Zentren zu erhöhen.</li> <li>Einige Herzfehler, z. B. der AVSD und die Fallot’sche Tetralogie, sind häufig mit chromosomalen Anomalien assoziiert. Daher sollte zumindest eine Karyotypisierung angeboten werden. In Deutschland werden die Kosten für einen Array-CGH zurzeit nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.</li> <li>Die Diagnose eines Herzfehlers sollte eine subtile Untersuchung nach weiteren intraund extrakardialen Fehlbildungen nach sich ziehen, da assoziierte Fehlbildungen nicht selten sind.</li> </ul> </div> <p>Verschiedene Fachgesellschaften haben Leitlinien erstellt, wie eine Untersuchung des fetalen Herzens durchgeführt werden sollte.<sup>2, 3</sup> Im Wesentlichen ist man sich einig, dass der Vierkammerblick, die Überkreuzung der großen Herzarterien und die obere Gefäßebene überprüft werden sollen. Die alleinige Darstellung des Vierkammerblicks ermöglicht die Entdeckung einer großen Anzahl fetaler Herzfehler, aber insbesondere die conotrunkalen Anomalien werden in aller Regel erst durch Untersuchung der kreuzenden Arterien und/ oder der oberen Gefäßebene (auch Drei- Gefäß-Blick genannt) erkannt.<sup>2</sup><br /> Hier werden nun vier Beispiele von Fehlern des fetalen Herzens präsentiert. Zwei fallen durch einen abnormalen Vierkammerblick auf, die beiden anderen erfordern die Betrachtung der Überkreuzung, respektive der oberen Gefäßebene, bei unauffälligem Vierkammerblick.</p> <h2>Auffälliger Vierkammerblick</h2> <p><strong>Atrioventrikulärer Septumdefekt (AVSD)</strong><br /> Es besteht die Kombination eines Septum- primum-Defekts des Vorhofseptums und eines Inlet-Ventrikelseptumdefekts. Hier setzen normalerweise die AV-Klappen (Mitral- und Trikuspidalklappe) an. Da dies aufgrund des „Lochs“ nicht möglich ist, entsteht eine gemeinsame AVKlappe, die meistens aus fünf Segeln besteht. Eines dieser Segel, das sogenannte Brückensegel, zieht von einer Ventrikelwand zur gegenüberliegenden und verleiht dem AVSD den typischen Anblick in der Systole. Der normale Anblick der versetzten AV-Klappen (Trikuspidalklappe dem Apex näher als die Mitralklappe) ist nicht darstellbar. In der Diastole sieht der Vierkammerblick in der Mitte wie ausgestanzt aus (Abb. 1). Eine besondere Bedeutung hat dieser Herzfehler wegen seiner hohen Assoziation mit einer Trisomie 21 (Risiko etwa 50 %).<sup>4</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1904_Weblinks_jatros_gyn_1904_s25_abb1.jpg" alt="" width="250" height="259" /></p> <p><strong>Univentrikuläres Herz: „double inlet left ventricle“ (DILV)</strong><br /> Einige Herzfehler zeigen nur einen vorhandenen Ventrikel, unter anderem das hypoplastische Linksherz oder die Trikuspidalatresie. Auch der „double inlet ventricle“ (DIV) gehört in diese Gruppe. Hierbei handelt es sich um ein Vitium, bei dem zwei normal entwickelte Vorhöfe sich mit einem singulären Ventrikel über zwei normale AV-Klappen verbinden. Eine zweite rudimentäre Kammer ist oft angelegt, allerdings nicht immer im Vierkammerblick darstellbar. Die häufigste Form des DIV stellt mit etwa 80 % der „double inlet left ventricle“ (DILV) dar.<sup>5</sup> Der rudimentäre rechte Ventrikel ist über einen VSD (richtiger: Foramen bulboventriculare) verbunden und die großen Gefäße entspringen, je nach anatomischer Lage der kleinen rechten Kammer (links oder rechts), in L- oder D-Malposition. Die Prävalenz ist mit 0,1 auf 1000 Lebendgeborene niedrig und die Prognose ist abhängig von assoziierten Fehlern, insbesondere aus der Gruppe der Isomerismen.<sup>6</sup></p> <h2>Auffällige Gefäße oder auffällige obere Gefäßebene</h2> <p><strong>Transposition der großen Arterien (TGA)</strong><br /> Sowohl bei der häufigeren d-TGA als auch bei der etwa fünffach selteneren cc-TGA (auch l-TGA) kreuzen die Gefäße nicht. Der Vierkammerblick ist bei der d-TGA unauffällig, während er bei der cc-TGA auffällig ist.<sup>7, 8</sup><br /> Bei der d-TGA sind die Vorhöfe und Kammern korrekt miteinander verbunden (atrioventrikuläre Konkordanz), doch die großen Arterien kommen aus den „falschen“ Kammern (ventrikuloarterielle Diskordanz) und die Aorta liegt meistens rechts anterior des Truncus pulmonalis, was dazu führt, dass die Gefäße parallel laufen (Abb. 2) und in der oberen Gefäßebene meist nur ein Gefäß (die Aorta) sichtbar ist (Abb. 3). Häufig assoziierte Herzfehler (30–40 %) sind Ventrikelseptumdefekte und eine Pulmonalstenose.<sup>7</sup><br /> Lediglich 15 % der cc-TGA-Herzfehler kommen isoliert vor. Somit sind assoziierte Fehlbildungen häufig und der Herzfehler ist oft sehr komplex.<sup>9, 10</sup> Es besteht eine atrioventrikuläre und ventrikuloarterielle Diskordanz (rechter Vorhof <strong>→</strong> linke Kammer <strong>→</strong> Truncus pulmonalis und linker Vorhof <strong>→</strong> rechte Kammer <strong>→</strong> Aorta). Die Aorta liegt links vor dem Truncus pulmonalis. Da der rechte Ventrikel (somit per definitionem die Trikuspidalklappe) unter dem linken Atrium liegt, ist der Vierkammerblick auffällig, weil die AV-Klappe linksseitig und nicht wie normal auf der rechten Seite der Herzspitze näher liegt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1904_Weblinks_jatros_gyn_1904_s25_abb2.jpg" alt="" width="250" height="259" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1904_Weblinks_jatros_gyn_1904_s26_abb3.jpg" alt="" width="250" height="256" /></p> <p><strong>Tetralogie von Fallot (TOF)</strong><br /> Auch hier ist der Vierkammerblick so gut wie immer unauffällig. Erst wenn man den Fünfkammerblick (mit Abgang der Aorta) einstellt, fallen zwei Charakteristika der TOF auf. Man sieht 1. einen subaortalen VSD und 2. eine überreitende, meist dilatierte Aorta, die über diesem VSD sitzt und somit Blut aus beiden Herzkammern erhält (Abb. 4). Schwenkt man weiter nach apikal, zeigt sich 3. die resultierende Pulmonal- stenose, die unterschiedlich schwer sein kann und meist mit dem Schwangerschaftsalter zunimmt. Das vierte Kriterium der Tetralogie, die Rechtsherzhypertrophie, zeigt sich pränatal typischerweise nicht. Die klassische TOF stellt etwa 80 % dieses Herzfehlers dar.<sup>11</sup> Varianten (Pulmonalatresie mit VSD und „absent pulmonary valve syndrome“) sind deutlich seltener. Man sollte auf assoziierte Fehler achten, z. B. einen rechtsdrehenden Aortenbogen (Abb. 5), der in etwa 25 % der Fälle auftritt, und eine links persistierende obere Hohlvene, mit einer Häufigkeit von etwa 10 %. Atriale Septumdefekte und ein persistierendes Foramen ovale sind sehr häufig, allerdings pränatal schwer oder gar nicht diagnostizierbar.<sup>12</sup> In der Beratung zu beachten ist die mit etwa 30 % recht hohe Rate an chromosomalen Anomalien. In ebenso vielen Fällen findet sich eine Mikrodeletion 22q.11, die in der konventionellen Karyotypisierung nicht entdeckt wird.<sup>13–15</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1904_Weblinks_jatros_gyn_1904_s26_abb4.jpg" alt="" width="250" height="256" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Gyn_1904_Weblinks_jatros_gyn_1904_s26_abb5.jpg" alt="" width="250" height="256" /></p></p>
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<p><strong>1</strong> Hoffmann JI, Christianson R: Am J Cardiology 1978; 41: 641-7 <strong>2</strong> International Society of Ultrasound in Obstetrics and Gynecology, Carvalho JS et al.: Ultrasound Obstet Gynecol 2013; 41: 348-59 <strong>3</strong> American Institute of Ultrasound in Medicine: J Ultrasound Med 2013; 32: 1067-82 <strong>4</strong> Cetta F et al.: In: Moss and Adams Heart disease in Infants, Children and Adolescents. 8<sup>th</sup> ed. 2012, Williams & Wilkins, Baltimore: 691-712 <strong>5</strong> Van Praagh R et al.: Am J Cardiol 1965; 15: 345-66 <strong>6</strong> Hoffman JI, Kaplan S: J Am Coll Cardiol 2002; 39: 1890-900 <strong>7</strong> Wernovsky G: In: Moss and Adams΄ Heart disease in Infants, Children and Adolescents. 8<sup>th</sup> ed. 2012, Williams & Wilkins, Baltimore: 1097-146 <strong>8</strong> Atallah J et al.: In: Moss and Adams Heart disease in Infants, Children and Adolescents. 8<sup>th</sup> ed. 2012, Williams & Wilkins, Baltimore: 1147-60 <strong>9</strong> Paladini D et al.: Ultrasound Obstet Gynecol 2006; 27: 281-5 <strong>10</strong> Sharland G et al.: Heart 2005; 91: 1453-8 <strong>11</strong> Mitchell SC et al.: Circulation 1971; 43: 323-32 <strong>12</strong> Rao BN et al.: Am Heart J 1971; 81: 361-71 <strong>13</strong> Poon LC et al.: Ultrasound Obstet Gynecol 2007; 29: 625-7 <strong>14</strong> Boudjemline Y et al.: J Pediatr 2001; 138: 520-4 <strong>15</strong> Goldmuntz E et al.: J Am Coll Cardiol 1998; 32: 492-8</p>
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