© T. Eggimann, Kreuzlingen

Hypermenorrhö

«Ergebnisoffen beraten, auch wenn es zeitaufwendig wird»

Die Ursachen für Dys- und Hypermenorrhö sind vielfältig und es reicht nicht, einfach pauschal Pille oder Spirale zu verschreiben, meint Dr. med. Thomas Eggimann.

Wissenschaftler aus Japan untersuchten die Lebensqualität bei 593 Frauen, die eine Hormonspirale wegen Dysmenorrhö oder Hypermenorrhö bekommen hatten.1 Den Frauen ging es besser mit der Spirale. Wie man das Ergebnis interpretieren muss und wie man in der Praxis am besten vorgeht, erklärt uns Dr. med. Thomas Eggimann aus Kreuzlingen.

Sind die Ergebnisse für Sie überraschend?

T. Eggimann: Nein. Der beschriebene positive Effekt auf Menstrualblutung und Schmerzen überrascht mich nicht. Dass die Hormonspirale nicht nur einen guten Verhütungsschutz bietet, sondern auch unregelmässige oder übermässige Periodenblutungen lindern kann und dass es den Frauen damit besser geht, ist seit Jahren bekannt und das ist ja auch eine Indikation für die Spirale. Meine Praxis ändert die Studie jedenfalls nicht. Ähnliches haben andere Autoren schon mehrfach gezeigt.

Wie beurteilen Sie den Studienaufbau?

T. Eggimann: Der Umstand, dass 83 sogenannte Zentren von 2015 bis 2019 brauchten, um knapp 600 Fälle zusammenzubekommen, hat mich überrascht. Entweder waren es sehr kleine klinische Einheiten, die als Zentren bezeichnet wurden, oder die Motivation zur Rekrutierung war nicht sehr gross. Positiv finde ich die stringenten Vor- und Nachkontrollen, also einmal zum Zeitpunkt der Einlage der Spirale, dann nach drei Monaten und nach einem Jahr. Es wäre allerdings schön gewesen, wenn die Forscher die Frauen noch länger nachbeobachtet hätten. In der Praxis sehe ich immer wieder Frauen, die schon nach knapp vier Jahren wieder unter Blutungsproblemen leiden, während andere nach sechs Jahren noch eine Amenorrhö haben. Das ist aber mein subjektiver Eindruck. Eine Objektivierung, ob dem wirklich so ist, hätte mich interessiert.

Wie gehen Sie konkret vor bei einer Frau mit Dys- oder Hypermenorrhö?

T. Eggimann: Ich versuche, mit einer detaillierten Anamnese die möglichen Ursachen und den Leidensdruck zu erfassen. Danach reden wir über die Behandlungsmöglichkeiten, die je nach vermuteter Diagnose unterschiedlich sein können. Bei einer funktionellen Hypermenorrhö ohne Schmerzen ist beispielsweise die Hormonspirale eine sehr gute Lösung und bei anämisierender Blutung auch eine Pflichtleistung der Krankenkassen. Besteht der Verdacht auf eine Adenomyose, würde ich auch für eine Spirale plädieren. Denn diese wirkt am besten, wo sie liegt, nämlich im Uterus. Handelt es sich dagegen um eine Endometriosis genitalis externa oder extragenitalis, würde ich der Frau zur Minipille raten. Denn die Hormone der Spirale würden hier nicht so gut am Ort der Problematik ankommen. Bei Blutungsstörungen durch Myome, insbesondere solche, die das Cavum uteri formmässig verändern, ist die Pille, also eine Minipille oder ein kombiniertes orales Kontrazeptivum, ebenfalls besser als die Spirale, da es bei diesen Frauen vermehrt zu Spiralexpulsionen kommen kann.

Warum gibt es keine Leitlinie zum Vorgehen bei Dys- oder Hypermenorrhö?

T. Eggimann: Es gibt Leitlinien zum Thema benigne Uteruserkrankungen und deren Therapie. Diese sind etwas «operationslastig». Eine Hysterektomie ist bei einer jungen Frau aber in der Regel kein Thema. Die Ursachen für Dys- und Hypermenorrhö sind vielfältig und die entsprechende Behandlung ist so individuell, dass ein «Kochrezept» nur bedingt hilfreich wäre, respektive nie allen Frauen gerecht würde.

Wir wissen durch die Studie nicht, ob das IUD besser hilft als die Pille.

T. Eggimann: Es gibt ein paar Head-to-Head-Studien zwischen Spirale und Pille, die vor einigen Jahren in einer Metaanalyse ausgewertet wurden.2 Sie zeigen meist keinen signifikanten Unterschied in der Blutungs- und Schmerzkontrolle, insbesondere nicht bei kontinuierlicher Pilleneinnahme oder Gestagenpille. Bei der Entscheidung, ob Spirale oder Pille gegen Dys- oder Hypermenorrhö, muss man aber noch andere Faktoren beachten. Jede Frau soll individuell beraten werden und unsere Aufgabe ist es, ergebnisoffen zu beraten, auch wenn es zeitaufwendig werden kann. So kann bereits der Umstand, dass eine Frau keinen Fremdkörper in sich tragen möchte oder aber Mühe mit dem Schlucken von Tabletten hat, ein Grund für oder gegen Pille oder Spirale sein. Daneben sind bei den kombinierten Kontrazeptiva die Risikofaktoren Thrombose und Lungenembolie zu erwähnen, die bei der Hormonspirale und bei der Gestagenpille wegfallen.

Weiterführende Informationen zum Thema:
Hypermenorrhö: Ausführliche Diagnostik ist essenziell

1 Momoeda M et al.: Adv Ther 2022; online ahead of print 2 Qiu J et al.: Med Sci Monit 2014; 20: 1700-13

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