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Sich auf den Sterbenden einlassen

<p class="article-intro">Experten in Wien orten eine Unsicherheit unter Ärzten und Pflegenden und fordern eine neue Sterbekultur.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Infobox</h2> Das interdisziplin&auml;re Symposium &bdquo;Dem Sterbenden begegnen: Herausforderungen an Pflege und Medizin&ldquo; fand mit 300 Teilnehmern am 10.11.2017 im Raiffeisen Forum Wien statt, veranstaltet vom Institut f&uuml;r medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) in Kooperation mit der &Ouml;&Auml;K und der SVA. Die Vortr&auml;ge des Symposiums sind online nachzuh&ouml;ren, der Tagungsband kann unter www.imabe.org bestellt werden.</div> <p>Wer Menschen das Sterben erleichtern wolle, m&uuml;sse auch die Grenzen des Lebens anerkennen. Therapeutischer &Uuml;bereifer und ein &bdquo;qualit&auml;tsgesichertes Sterben&ldquo;, bei dem &bdquo;alles getan&ldquo; w&uuml;rde, verdeckten nicht selten die uneingestandene Ratlosigkeit oder Angst vor der eigenen Endlichkeit, so Internist und IMABE- Direktor Johannes Bonelli beim Symposium &bdquo;Dem Sterbenden begegnen: Herausforderung an Medizin und Pflege&ldquo; am 10. November in Wien. F&uuml;r den Medizinethiker Martin W. Schnell von der Universit&auml;t Witten/Herdecke ist die Unsicherheit unter &Auml;rzten und Pflegenden beim Thema Sterben kein Zufall. Auf existenzielle Fragen zu antworten, darauf seien sie nicht vorbereitet. Erst die Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit erm&ouml;gliche eine &bdquo;Kommunikation mit dem Sterbenden am Rande des Schweigens&ldquo;, so Schnell.<br /> &bdquo;Wir haben Medikamente gegen physische Schmerzen, aber nicht gegen psychische oder spirituelle Leiden, die oft ein Thema am Lebensende sind&ldquo;, r&auml;umte G&uuml;nther Gastl, Leiter der Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Innere Medizin V Innsbruck, ein. In der modernen Medizin werde das Sterben als Endpunkt von Krankheitsprozessen pathologisiert. Doch der Tod sei keine Krankheit, sondern nat&uuml;rlicher Teil des Lebens. Klar sprach sich der Onkologe gegen die &auml;rztliche Beihilfe zum Suizid oder T&ouml;tung auf Verlangen aus und trat f&uuml;r eine personalisierte Medizin am Lebensende ein: &bdquo;Die Personalisierung des Sterbenlassens muss wieder Teil der Kunst der Medizin werden&ldquo;, betonte Gastl.<br /> F&uuml;r Altersforscher Franz Kolland von der Universit&auml;t Wien beginnt die Verdr&auml;ngung des Sterbens schon fr&uuml;her &ndash; n&auml;mlich mit einer Verdr&auml;ngung des Alterns. Insbesondere in der Medizin herrsche eine &bdquo;Gerontophobie&ldquo;, so Kolland. Er pl&auml;dierte f&uuml;r einen Kulturwandel des Sterbens. Daf&uuml;r sei es n&ouml;tig, das Bild des selbstbestimmten, autonomen Patienten zu erg&auml;nzen durch eine Kultur, in der Fragilit&auml;t und Verletzlichkeit als Charakteristika des Menschen neu integriert werden.<br /> Unter &bdquo;gutem Sterben&ldquo; verstehen 80 % der &Ouml;sterreicher das Sterben zu Hause. Trotzdem verstarben 2015 &ouml;sterreichweit nur 26 % der Menschen an ihrem Wohnort, in st&auml;dtischen Bereichen sank der Prozentsatz bei Tumorerkrankungen sogar auf knapp 11 % . Darauf wies Hilde K&ouml;ssler, Leiterin des Mobilen Palliativteams Baden, hin. K&ouml;ssler relativierte allerdings den Wunsch des Zu-Hause- Sterben-Wollens: &bdquo;Den Wunsch &auml;u&szlig;ern Gesunde. F&uuml;r Palliativpatienten ist der gute Ort des Sterbens dort, wo sie sich sicher f&uuml;hlen.&ldquo;<br /> Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigt, dass in &Ouml;sterreich jeder f&uuml;nfte Sterbende eine sogenannte palliative Sedierungstherapie erh&auml;lt. Dietmar Weixler, Vorstandsmitglied der &Ouml;sterreichischen Palliativgesellschaft (&Ouml;PG), zeigte sich &uuml;ber das Ausma&szlig; der Medikalisierung des Sterbens betroffen. &bdquo;In &Ouml;sterreich begr&uuml;ndet man bei etwa einem Drittel der pharmakologisch Sedierten diese Vorgangsweise mit einem &sbquo;existenziellen Leiden&lsquo;. Das halte ich f&uuml;r problematisch&ldquo;, so der Intensivmediziner, der anhand der &Ouml;sterreichischen Leitlinie zur palliativen Sedierungstherapie aufzeigte, wie sich eine ausufernde &bdquo;Sedierungskultur am Lebensende&ldquo; durch klare Vorgaben vermeiden l&auml;sst.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Symposium „Dem Sterbenden begegnen: Herausforderung an Medizin und Pflege“, 10. November 2017, Wien </p>
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