
©
Getty Images/iStockphoto
Diabetes und Kinderwunsch
DAM
Autor:
Dr. Eva Novak
Autor:
OÄ Priv.-Doz. Dr. Gerlies Treiber
Medizinische Universität Graz<br> Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie<br> E-Mail: gerlies.treiber@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
12.07.2018
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Das Blutzuckermanagement in der Schwangerschaft mit vorbestehendem Diabetes ist für betroffene Patientinnen sowie auch für die Betreuer noch immer eine Herausforderung.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Das Risiko für maternale und fetale Komplikationen ist bei Patientinnen mit Typ-1-Diabetes (T1D) und Typ-2-Diabetes (T2D) erhöht und selbst bei einer normnahen Blutzuckereinstellung nicht gleich jenem bei schwangeren Frauen ohne Diabetes. Es bedarf einer individuellen Risikoerhebung im Rahmen der präkonzeptionellen Betreuung in spezialisierten interdisziplinären Diabetesambulanzen und entsprechender Therapieadaptionen vor und während der Schwangerschaft. Der Anteil an Schwangerschaften bei Frauen mit präexistentem T1D und T2D ist im Steigen, jedoch deutlich geringer (<1 % aller Schwangerschaften) im Vergleich zum Gestationsdiabetes (erstmalig in der Schwangerschaft auftretende Hyperglykämie, welche nicht den Kriterien eines präexistenten Diabetes entsprechen), von welchem 3–5 % aller schwangeren Frauen betroffen sind.</p> <h2>Präkonzeptionelle Vorbereitung</h2> <p>Eine normnahe Blutzuckereinstellung ist bereits 3 Monate vor Konzeption anzustreben, um das Risiko für mütterliche und kindliche Komplikationen zu reduzieren. Eine Übersicht über mögliche Komplikationen durch den Diabetes in der Schwangerschaft zeigt Tabelle 1. Dabei ist eine individuelle Risikoabschätzung im Rahmen einer präkonzeptionellen Beratung zu empfehlen, um die Patientin entsprechend vorzubereiten, Therapieadaptionen vorzunehmen und eine „Nachschulung“ im Diabetesmanagement durchzuführen. Es hat sich gezeigt, dass eine präkonzeptionelle Betreuung das Risiko für Fehlbildungen auf ein Drittel reduzieren kann.<sup>1</sup> Auf Begleiterkrankungen wie die Zöliakie, arteriellen Hypertonus und bereits vorliegende diabetische Spätkomplikationen sowie Hypowahrnehmungsstörungen ist einzugehen.<br /> Eine 35-jährige Patientin mit langjährigem T1D, HbA<sub>1c</sub>-Werten außerhalb der therapeutischen Zielbereiche, vorliegender Makroalbuminurie, diabetischer Retinopathie und arteriellem Hypertonus hat z.B. ein 70 % iges Risiko für eine Eklampsie im Rahmen einer Schwangerschaft.<sup>2</sup> Liegt zusätzlich noch eine autonome Neuropathie vor, dann ist die Schwangerschaft für die Frau mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden.<br /> In der präkonzeptionellen Vorbereitung soll eine etwaige Umstellung auf eine Insulinpumpe, kontinuierliches Glukosemonitoring oder sensorunterstützte Insulinpumpentherapie erfolgen, um entsprechende Zeit für das Erlernen der Handhabung dieser Geräte zu haben.<br /> Leider sind über 90 % der Schwangerschaften von Frauen mit bereits bestehendem T2D ungeplant, obwohl gerade bei diesen Frauen Adaptionen der Diabetestherapie und der antihypertensiven Therapie sowie das Absetzen einer etwaigen Statintherapie notwendig wären.</p> <h2>Individualisiertes Blutzuckermanagement</h2> <p>Der Insulinbedarf in der Schwangerschaft ändert sich, was gerade Frauen mit T1D deutlich bemerken. Bei positivem Schwangerschaftstest wird initial, um die Blutzucker(BZ)-Zielwerte (Tab. 2) zu erreichen, die Insulindosis erhöht. Jedoch gegen die 12. Gestationswoche steigt die Insulinsensitivität, wobei sich gleichzeitig die Hypowahrnehmung reduziert, was wiederum das Risiko für schwere Hypoglykämien erhöht. 80 % der schweren Hypoglykämien in der Schwangerschaft (Fremdhilfe notwendig, zu 75 % durch Partner) ereignen sich in den ersten 20. Gestationswochen. Ab der 20. bis 24. Gestationswoche steigt der Insulinbedarf dann wieder an, was aufgrund vermehrter Ausschüttung der Schwangerschaftshormone (humanes Plazentalaktogen, Progesterion und Östriol) sowie durch die Umstellung des mütterlichen Stoffwechsels bedingt ist. Das bedeutet für die Frauen, dass eine Anpassung der Kohlenhydratfaktoren, des Korrekturfaktors sowie eine Anhebung der Basalrate notwendig werden. Der Insulinbedarf kann dadurch bis zur Geburt auf das 2- bis 3-Fache ansteigen. In dieser Phase ist das Risiko einer diabetischen Ketoazidose vor allem im Krankheitsfall und/oder bei Katheterstellenproblemen erhöht (Inzidenz bei T1D: 2–22 % ).<br /> Um die postprandialen BZ-Werte bei T1D in den Zielbereich zu bekommen, hilft es die Menge an Kohlenhydraten (KH) zu reduzieren, auf langsam resorbierbare KH zu wechseln sowie auch auf den Fett- und Proteinanteil zu achten. Neben der Erhöhung der Dosis des Mahlzeiteninsulins ist auch das Timing der Insulingabe entscheidend. Vielfach wird gerade im ersten und zweiten Trimenon ein Spritz-Ess-Abstand von 20–30 Minuten eingehalten, vor allem zum Frühstück, dieser kann bei Verwendung des Insulins Fiasp verkürzt werden. Eine durch die Schwangerschaft verzögerte Magenentleerung wird des Öfteren um die 30. Gestationswoche beobachtet, wo sich der Einsatz des Dual-Wave-Bolus bewährt hat.<br /> Die Frauen mit T1D und T2D werden alle 2–3 Wochen zur BZ-Besprechung gebeten, wobei der Gewichtsverlauf und der arterielle Hypertonus erhoben werden sowie je nach Fundusstatus und Nierenfunktion entsprechende Kontrollen in den Fachabteilungen durchgeführt werden. Abhängig von der fetalen Biometrie ist die Blutzuckereinstellung noch weiter zu optimieren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1806_Weblinks_dam_1805+6_s22_tab1+2.jpg" alt="" width="2132" height="1201" /></p> <h2>Geburt und postpartale Zeit</h2> <p>Mit Beginn der Wehen kommt es zum drastischen Absinken des Insulinbedarfs. Unter der Geburt ist ein BZ von 70– 120mg/dl anzustreben, um postnatale Hypoglykämien des Babys nach Durchtrennung der Nabelschnur zu verhindern. Mit der Geburt des Kindes ändert sich der Insulinbedarf abrupt und er kann wieder auf die Einstellungen vor der Schwangerschaft reduziert werden. Auch durch das Stillen sinkt der Insulinbedarf bis zu 25 % ab.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Murphy HR et al.: Diabetes Care 2010; 33(12): 2514-20 <strong>2</strong> Klemetti MM et al.: Diabetologia 2015; 58(4): 678-86</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Update smarter medicine
Die internationale Kampagne startete in der Schweiz vor rund 12 Jahren mit der ersten Top-5-Liste. Wie ist der Stand heute, mit welchen Herausforderungen ist der eigens gegründete Verein ...
Wandel im Denken: smarter medicine – Floskel oder sinnvolle Notwendigkeit?
Das Bewusstsein, dass viel Medizin nicht immer auch zu einer besseren Gesundheit führt, sondern – im Gegenteil – dem Patienten auch schaden kann, hat durch die «Smarter medicine»- ...
Smarter medicine – ein Beitrag zum ökologischen Wandel in der Medizin
Expert:innen des Universitätsspitals Genf (HUG) stellten am Frühjahrskongress der SGAIM die Projekte «Choosing greenly» und «smarter medicine soins intensifs» vor, die seit einigen ...