
Bessere Arzt-Patienten-Kommunikation dank Erhebung von PRO
Bericht:
Dr. Susanne Kammerer
Medizinjournalistin
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Zahlreiche Vorträge am diesjährigen Kongress der European League Against Rheumatism (EULAR) beschäftigten sich damit, wie man Patientenzufriedenheit messen und verbessern und Therapieadhärenz fördern kann. Selbstverständlich wurden aber auch die aktuellsten Daten zum Thema «Covid-19 und Rheuma» präsentiert. Hier stiessen vor allem Registerdaten zur Covid-Impfung bei Rheumapatienten auf Interesse.
Die Bedeutung von patientenbezogenen Endpunkten («patient-reported outcomes», PRO) bei rheumatoider Arthritis (RA) zeigt sich in der zunehmenden Zahl von Veröffentlichungen zu diesem Thema in den letzten zehn Jahren. Im Laufe der Zeit wurde zu deren Erhebung eine Reihe von Instrumenten entwickelt. Auch wenn noch strittig ist, welche in praxi verwendet werden sollten, ist eine Integration von PRO nach Ausführung von Prof. Rieke Alten, Schlosspark-Klinik, Charité Universitätsmedizin Berlin, unerlässlich.
«Bei einigen Patienten treten trotz geringer Krankheitsaktivität noch Restsymptome auf», erklärte Alten. Dies zeigte eine systematische Literaturübersicht mit 53 kürzlich veröffentlichten Studien: Selbst RA-Patienten, die eine geringe Krankheitsaktivität oder eine Remission erreicht hatten, litten unter Symptomen, insbesondere unter Müdigkeit, Schmerzen und Funktionsstörungen. Die Verwendung von PRO zusätzlich zu einem «Treat-to-target»-Ansatz kann Informationen liefern, die eine Behandlung dieser Symptome erst ermöglichen.
Eine Reihe von Studien demonstriert, so Alten, dass die Bewertung der Krankheitsaktivität bei RA durch Patienten und Ärzte erheblich voneinander abweicht: Während die globale Einschätzung des Arztes von der Anzahl der Gelenke und den Akutphasenreaktionen abhängt, sind die Hauptfaktoren für die Krankheitsaktivität bei den Patienten Schmerzen und Müdigkeit.
«Die Erhebung von PRO in der RA-Versorgung verbessert die Arzt-Patienten-Kommunikation, erleichtert die Entscheidungsfindung und steigert die Zufriedenheit und das Vertrauen der Patienten», meinte Alten.
Höherer Zeitbedarf nur bei Therapiebeginn
In einer amerikanischen Studie stellten die Ärzte fest, dass die Besprechung der Ergebnisse anfangs die Dauer des Besuchs verlängerte, dass aber die Überprüfung der Veränderungen in den PRO dabei half, die Verbesserung und Verschlechterung der Symptome in Bezug auf die Behandlungsänderungen zu quantifizieren.
Alten empfahl die EULAR Outcomes Measure Library (http://oml.eular.org), in der viele validierte PRO-Instrumente zu finden sind. Diese Instrumente sind leicht zugänglich und können in vielen Sprachen kostenlos heruntergeladen werden. «In unserer Klinik hat der Fragebogen RAID (Rheumatoid Arthritis Impact of Disease) am besten abgeschnitten», sagte Alten. Der RAID-Fragebogen bewertet 7 Bereiche: Bewältigung, Schlaf, körperliches und emotionales Wohlbefinden, Müdigkeit, funktionelle Beeinträchtigung und Schmerzintensität. Studien haben gezeigt, dass der RAID in der Routineversorgung gut funktioniert und eng mit den subjektiven Komponenten des Disease Activity Score(DAS)28 verbunden ist. Der RAID korrelierte auch mit der Komponente der globalen Patientenbeurteilung im DAS28 Composite Score. «Er kann leicht elektronisch übermittelt werden, sodass ein persönliches Gespräch nicht erforderlich ist, was in der aktuellen Pandemiesituation besonders wichtig ist», erklärte Alten.
Längere Adhärenz bei Behandlung mit JAK-Inhibitoren
Einer kanadischen Studie zufolge bleiben RA-Patienten, die mit Januskinase(JAK)-Hemmern behandelt werden, länger bei der Therapie als solche, die mit Biologika behandelt werden. «Die EULAR-Richtlinien stellen Biologika gleichberechtigt neben JAK-Inhibitoren, da sie in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit ähnlich sind und dementsprechend im Behandlungsalgorithmus auf gleicher Höhe stehen», sagte Karla Machlab, University of Western Ontario, London (Kanada).
Meistens wird zunächst mit Biologika behandelt, weil sie bereits länger für RA zugelassen sind und die Ärzte mehr Erfahrung mit dieser Medikamentenklasse haben. Aber ist diese Bevorzugung gerechtfertigt? Die Dauer einer Therapie ist ein wichtiges Mass für den Behandlungserfolg und spiegelt die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Behandlung wider. «JAK-Inhibitoren sind diesbezüglich vielleicht überlegen, weil sie oral wirksame Medikamente sind, während Biologika subkutan verabreicht werden müssen», erklärte Machlab. Bislang gibt es nur wenige Daten, mit denen die Langzeittherapie der beiden Medikamentenklassen verglichen wird. Diese Frage sollte die kanadische Studie beantworten. Hier wurden Daten von 215 erwachsenen Patienten mit fortgeschrittener RA ausgewertet, die im St. Joseph’s Rheumatology Center zwischen Juni 2014 (als Tofacitinib in Kanada zugelassen wurde) und April 2020 behandelt wurden. Alle Teilnehmer hatten auf konventionelle DMARD nicht ausreichend angesprochen, bevor sie mit Biologika oder JAK-Inhibitoren behandelt wurden. Mithilfe von Cox-Regressionsanalysen wurden Prädiktoren für den Behandlungsabbruch analysiert.
Patienten, die Biologika anstelle von JAK-Inhibitoren erhielten, brachen die Therapie signifikant früher ab: Die Hazard-Ratio (HR) für den Therapieabbruch von JAK-Inhibitoren versus bDMARD betrug 0,676 (p=0,034). «Dieser Unterschied war statistisch signifikant und deutet auf eine bessere Therapietreue unter JAK-Inhibitoren hin», so Machlab. Die Analyse zeigte auch, dass sowohl JAK-Hemmer als auch Biologika eine bessere Therapietreue aufweisen, wenn sie als Erstlinientherapie im Vergleich zu späteren Therapielinien verabreicht werden: 57,6% der JAK-Inhibitoren und 31,1% der bDMARD wurden als Erstlinientherapie im fortgeschrittenen Stadium eingesetzt. Auch bei der Erstlinientherapie zeigte sich eine signifikant höhere Therapietreue unter JAK-Hemmern. Dagegen hatten weder Geschlecht noch Alter oder Krankheitsdauer einen Einfluss auf die Therapietreue. Ineffektivität war der häufigste Grund für den Abbruch (60%), gefolgt von Nebenwirkungen (22%).
Sowohl JAK-Inhibitoren als auch Biologika werden in den Leitlinien bei fortgeschrittener RA empfohlen. «Daher ist es klinisch wichtig, festzustellen, ob die Therapie mit einer Medikamentenklasse länger aufrechterhalten wird, da dies beeinflussen kann, welche Klasse bevorzugt eingesetzt wird», sagte Machlab. Ihres Erachtens können JAK-Inhibitoren bei fortgeschrittener RA als bevorzugte Behandlungsmethode nach Versagen von konventionelle DMARD eingesetzt werden.
Covid-19-Impfung auch bei RA-Patienten sicher
«Die Folgen des Covid-19-Ausbruchs sind beispiellos und betrafen alle Menschen auf der Welt, auch solche mit rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen. Mit der Entwicklung von Impfstoffen wird die Zukunft heller», sagte Dr. Pedro Machado, University College London (Grossbritannien). Doch sind sie auch bei RA-Patienten sicher, die immunsuppressive Medikamente einnehmen müssen? Dies wurde in einer Datenanalyse eines grossen europäischen Registers untersucht. Insgesamt konnten 1519 Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen in das Covid-19-Impfregister der EULAR aufgenommen werden. Die meisten kamen aus Italien und Frankreich. Mehr als zwei Drittel waren Frauen mit einem Durchschnittsalter von 63 Jahren. Die häufigsten Diagnosen waren RA (30%), ankylosierende Spondyloarthritis (8%), Psoriasisarthritis (8%), systemischer Lupus erythematodes (7%) und Polymyalgia rheumatica (6%). Die Erkrankungen wurden in 91% der Fälle als entzündlich eingestuft. Zum Zeitpunkt der Impfung nahmen 45% der Patienten konventionelle DMARD ein, 36% wurden mit Biologika, 31% mit systemischen Kortikosteroiden, 6% mit anderen Immunsuppressiva wie Azathioprin, Mycophenolat oder Cyclophosphamid und 3% mit «targeted» DMARD behandelt. Die Mehrheit der Impflinge (78%) erhielt den Impfstoff von Pfizer/BioNTech, weitere 16% erhielten den Impfstoff von AstraZeneca, 5% den von Moderna. Für den Rest gab es diesbezüglich keine Informationen.
Eine Covid-19-Diagnose nach der Impfung wurde bei 1% gemeldet. Rheumatische Krankheitsschübe traten bei 5% auf, wobei die Schübe bei 1,2% als schwer eingestuft wurden. Zu den Symptomen bei den Schüben gehörten Arthritis bei 2,5%, Arthralgie bei 2,1%, kutane Schübe bei 0,8% und vermehrte Müdigkeit ebenfalls bei 0,8%.
31% der Patienten berichteten mögliche Impfstoffnebenwirkungen. Die meisten traten innerhalb von 7 Tagen auf. Am häufigsten waren Schmerzen an der Injektionsstelle (19%), Müdigkeit (11%), Kopfschmerzen (7%) und generalisierte Muskelschmerzen (6%). «Die meisten der unerwünschten Ereignisse waren die gleichen wie in der allgemeinen Bevölkerung und wie bei anderen Impfstoffen», sagte Machado. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse waren sehr selten und wurden nur bei zwei Patienten beobachtet: In einem Fall kam es bei einem Patienten mit Osteoarthritis zu einer Riesenzellarteriitis, die ohne Folgeerscheinungen abklang. Bei einem anderen Patienten mit klinischem Mischbild aus SLE und Systemsklerose kam es zu einer Hemiparese, die zum Zeitpunkt des letzten Berichts noch andauerte.
«Diese ersten Ergebnisse sollten Rheumatologen und Impfstoffempfängern Sicherheit geben und das Vertrauen in die Sicherheit des Covid-19-Impfstoffs bei Rheumapatienten fördern, insbesondere bei Patienten mit entzündlicher Erkrankung und/oder bei solchen, die immunmodulatorische Behandlungen erhalten», schloss Machado.
Quellen:
● Alten R: Value of patient reported outcome measures in rheumatic disease EULAR Virtual Congress, 2.–5. Juni 2021 ● Machlab K et al.: Real world retention of JAKi is longer than bDMARDs in RA. Poster No POS0207, EULAR Virtual Congress, 2.–5. Juni 2021 ● Machado PM et al.: Covid-19 vaccine safety in patients with rheumatic and musculoskeletal disease. Abstract LB002, EULAR Virtual Congress, 2.–5. Juni 2021
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