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«Eine gute, kostensparende Option»
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01.10.2019
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<p class="article-content"><p><em><strong>Soll man bei jedem Patienten versuchen, die DMARDs zu reduzieren? </strong></em><br /><em><strong>A. Rubbert-Roth:</strong></em> Bei Patienten mit unkompliziertem Krankheitsverlauf – etwa wenn unter dem ersten Biologikum eine rasche Remission eingetreten ist – ist die Deeskalation eine gute, kostensparende Option. Es lässt sich aber in der Praxis den Patienten oft schwer vermitteln, dass sie auf das Medikament verzichten sollen, das ihnen letztlich die Remission ermöglicht hat.</p> <p><em><strong>Was sagen Sie den Patienten? <br />A. Rubbert-Roth:</strong></em> Ich erkläre ihnen, dass eine Deeskalation möglich ist und versucht werden kann, dass aber die Chance, dass komplett auf Medikamente verzichtet werden kann, nicht sehr gross ist. Patienten in Remission bleiben zwar oft beschwerdefrei, wenn man die Biologikadosis reduziert oder die Intervalle zwischen den Gaben verlängert. Setzt man die Medikamente jedoch komplett ab, bekommen die Patienten häufig wieder Symptome. Man läuft auch Gefahr, dass die Beschwerden sich dann nicht mehr so einfach bessern lassen: In der Studie der Kollegen aus Rotterdam erreichte man nicht bei allen Patienten eine erneute Krankheitskontrolle, die als DAS44 ≤ 2,4 definiert war: nur bei 46 % der Patienten nach 3 Monaten und bei 67 % nach 6 Monaten. Zwei Patienten, also 1 %, erreichten gar keine Remission.</p> <p><em><strong>Aber immerhin waren nach einem Jahr noch 67 % der csDMARD-Patienten und 57 % der TNF-Blocker-Patienten gut kontrolliert. </strong></em><br /><em><strong>A. Rubbert-Roth:</strong></em> Ich halte die Dauer der Studie von einem Jahr einschliesslich 6 Monate Medikamentenreduktion für zu kurz für eindeutige Aussagen. Nach 12 Monaten war die kumulative Schubrate in der TNF-Blocker-Gruppe 10 % höher als bei den Patienten mit csDMARD – vielleicht wären es nach längerer Nachbeobachtungszeit noch mehr gewesen.</p> <p><em><strong>In der Studie heisst es, dass die DAS28- Remission als Kriterium nicht ausreicht. Warum nicht? </strong></em><br /><em><strong>A. Rubbert-Roth:</strong></em> Der DAS28 ist ein «composite score» mit Limitationen: Man kann eine formelle Remission erreichen, auch wenn noch ein oder sogar mehrere Gelenke geschwollen sind. Dass dann die Erkrankung nicht komplett supprimiert ist, kann man sich gut vorstellen. Ein besseres Kriterium wäre die Boolean-Remission, da-bei darf maximal ein Gelenk betroffen sein. Das erreichen aber nur wenige Patienten.</p> <p><em><strong>Warum? Sind die derzeitigen Medikamente nicht effektiv genug? </strong></em><br /><em><strong>A. Rubbert-Roth:</strong></em> Die RA verläuft chronisch und ist in der Regel nicht heilbar, auch wenn es Patienten gibt, die im Verlauf auf Medikamente verzichten können. Einige Studien zur sehr frühen RA zeigen, dass die Chance, eine medikamentenfreie Remission zu erzielen, höher ist, wenn man die Krankheit frühzeitig erkennt und behandelt.</p> <p><em><strong>Die Autoren schliessen, dass es besser wäre, zuerst den TNF-Inhibitor abzusetzen, denn das sei preisgünstiger und man reduziere die Langzeitnebenwirkungen. Stimmen Sie dem zu? </strong></em><br /><em><strong>A. Rubbert-Roth:</strong></em> TNF-Blocker kosten heute mehr als eine csDMARD-Therapie, zum Beispiel MTX. Unter dem Kostengesichtspunkt muss jedoch auch bedacht werden, dass Schübe zur Einschränkung der Arbeitsfähigkeit führen können. Bei manchen Patienten dauert es Wochen bis Mo-nate, bis sie eine Remission erreicht haben, und möglicherweise können sie in dieser Zeit nicht so viel arbeiten – das verursacht indirekte Kosten im Gesundheitssystem, gar nicht zu reden von den Einschränkungen im privaten und häuslichen Umfeld.</p> <p><em><strong>Und was ist mit den Nebenwirkungen? </strong></em><br /><em><strong>A. Rubbert-Roth:</strong></em> In der Regel kommen die Patienten mit Nebenwirkungen von TNF-Blockern sehr gut zurecht. Infektionen können häufiger auftreten, insbesondere Infekte der oberen Atemwege. Eine regelmässige Vorstellung beim Dermatologen gehört mittlerweile zum Standard, um Basaliome und andere nichtmelanomatöse Hauttumoren rechtzeitig zu erkennen.</p> <p><em><strong>Würde nicht jeder Patient eine Deeskalation wollen? </strong></em><br /><em><strong>A. Rubbert-Roth:</strong></em> Haben Patienten einen jahrelangen Leidensweg hinter sich, sind sie nicht mehr so experimentierfreudig. Aber ich schlage es ihnen immer vor, wenn ich es für sinnvoll halte. Entscheiden müssen letztendlich Patient und Arzt gemeinsam. Dieses «shared decision making» ist auch ein übergeordnetes Prinzip in den EULARTherapieempfehlungen.</p> <p><em><strong>Was ist der typische Patient, bei dem Sie eine Deeskalation erwägen? </strong></em><br /><em><strong>A. Rubbert-Roth:</strong></em> Ein Beispiel für einen derartigen Patienten wäre: Die RA besteht noch nicht lange, also seit wenigen Jahren, es lassen sich in der Bildgebung keine Erosionen in den Gelenken nachweisen und mit dem ersten Biologikum lässt sich rasch eine Remission erzielen.</p> <p><em><strong>Wie gehen Sie bei der Deeskalation vor? </strong></em><br /><em><strong>A. Rubbert-Roth:</strong></em> Die Art der Deeskalation muss man immer individuell an den Patienten anpassen. Sie hängt u. a. von Nebenwirkungen bei früher eingenommenen Medikamenten und der Familienplanung ab. So würde ich einen Patienten, bei dem schon mehrere Medikamente erfolglos eingesetzt wurden und für den wir jetzt endlich eine wirksame Therapie gefunden haben, nur ungern in eine Situation bringen, die wieder ein erhöhtes Risiko für Krankheitsaktivität mit sich bringt. Hier wäre ich mit der Deeskalation eher vorsichtig. Aber bei einem Patienten, der unter der Kombination TNF-Blocker und MTX wiederholt Infekte der Atemwege erleidet, würde ich versuchen, den TNF-Blocker zu reduzieren oder abzusetzen. Das sind aber nur zwei Beispiele, letztlich muss man das von Fall zu Fall entscheiden und natürlich immer den Wunsch des Patienten einbeziehen.</p> <p>Lesen sie auch: <a href="https://ch.universimed.com/fachthemen/1000001883">Deeskalation der Medikamente möglich, aber der Patient muss mitentscheiden</a></p></p>
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