
Highlights zur Graft-versus-Host-Erkrankung bei der EHA-Jahrestagung 2020
Klinische Abteilung für Hämatologie<br> Medizinische Universität Graz<br> E-Mail: Hildegard.greinix@medunigraz.at
Der orale selektive JAK1/2-Inhibitor Ruxolitinib verbessert das Therapieansprechen und das Überleben von Patienten mit steroid-refraktärer akuter Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD). Die Serum-Biomarker Suppressor of Tumorigenicity 2 (ST2) und Regenerating Islet-derived 3α (REG3α) haben in der Frühphase nach haploidenter hämatopoetischer Stammzelltransplantation (HSZT) wichtige prognostische Bedeutung.
Keypoints
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Die GvHD stellt eine häufige und schwere Komplikation nach allogener HSZT dar.
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Innovative Therapieoptionen wie der selektive JAK1/2-
Inhibitor Ruxolitinib stehen Patienten mit refraktärer
akuter GvHD in der Klinik zur Verfügung. -
Der selektive JAK1-Inhibitor Itacitinib hat in der Erstlinientherapie in Kombination mit Kortikosteroiden dieAnsprechraten der akuten GvHD und das Überleben der Patienten nicht verbessert.
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Patienten mit chronischer GvHD, die nicht ausreichend auf Ruxolitinib ansprechen, könnten von der Kombination mit Treg-Zell-Infusionen einen Benefit haben.
Ruxolitinib verglichen mit bester verfügbarer Therapie bei Patienten mit steroidrefraktärer akuter GvHD
Prof. Robert Zeiser vom Universitätsklinikum Freiburg stellte erstmalig die Daten der randomisierten, multizentrischen klinischen Phase-III-Studie REACH2 vor, in der die Wirksamkeit und die Sicherheit des oralen selektiven Inhibitors der
Januskinase (JAK) 1/2 Ruxolitinib verglichen mit der besten derzeit zur Verfügung stehenden immunsuppressiven Therapie bei Patienten mit kortikosteroid-refraktärer akuter Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) untersucht wurden.1 Von den in die Studie eingeschlossenen 309 Patienten im medianen Alter von 54 (12–73) Jahren erhielten 154 Ruxolitinib in einer Dosierung von zweimal 10mg/Tag und 155 die beste verfügbare Therapie (Antithymozytenglobulin, extrakorporale Photopherese, mesenchymale Stromazellen, niedrigdosiertes Methotrexat, Mycophenolat-Mofetil, mammalian target of rapamycin inhibitor, Etanercept oder Infliximab). Zum Zeitpunkt der Randomisation hatten 33,7%, 44,0% und 20,1% eine steroidrefraktäre akute GvHD Grad II, III und IV. Das Gesamtansprechen am Tag 28 war in der Ruxolitinib-Gruppe mit 62% signifikant höher als in der Kontrollgruppe mit 39% (HR: 2,64; p<0,001). Auch am Tag 56 waren die Raten des andauernden Ansprechens mit 40% verglichen mit 22% (HR: 2,38; p<0,001) in der Ruxolitinib-Gruppe höher. Nach 6 Monaten hatten 10% in der Ruxolitinib-Gruppe und 39% in der Kontrollgruppe einen Rückfall der akuten GvHD. Das mediane Überleben war 11,1 Monate in der Ruxolitinib-Gruppe verglichen mit 6,5 Monaten in der Kontrollgruppe (HR: 0,83). Die häufigsten Nebenwirkungen in der Ruxolitinib-Kohorte waren Thrombozytopenie (33%) und Anämie in der Kontrollgruppe (30%). Zytomegalievirusinfektionen traten bei 26% bzw. 21% der Patienten auf. Somit erreichte diese Studie erfolgreich ihren primären Studienendpunkt und konnte eine signifikante Erhöhung der Rate an kompletten Remissionen am Tag 28 und ein verlängertes Überleben für Ruxolitinib-therapierte Patienten erzielen.
Itacitinib oder Placebo in Kombination mit Kortikosteroiden als Erstlinientherapie der akuten GvHD
Prof. Robert Zeiser präsentierte weiters die randomisierte, doppelverblindete multizentrische Phase-III-Studie GRAVITAS-301, in der die Wirksamkeit des selektiven JAK1-Inhibitors Itacitinib in Kombination mit Kortikosteroiden in einer Dosierung von 2mg/kg Körpergewicht als Erstlinientherapie bei Patienten mit akuter GvHD Grad II–IV untersucht wurde.2 Insgesamt wurden 439 Patienten im medianen Alter von 58 (18–78) Jahren in die Studie eingeschlossen, davon 219 in den Itacitinib-Studienarm. 27% der Patienten hatten eine akute GvHD Grad III/IV und 24% eine Hochrisiko-GvHD. Das Gesamtansprechen am Tag 28 war 74% in der Itacitinib-Kohorte verglichen mit 66% in der Kontrollgruppe (p=0,08). Bei den Hochrisiko-Patienten lag das Gesamtansprechen bei 61% bzw. 56%, bei den Standardrisikopatienten bei 78% bzw. 70%. In Post-hoc-Analysen, stratifiziert nach GvHD-Risikokriterien, war die Rate an kompletten Remissionen am Tag 28 in der Itacitinib-Gruppe signifikant höher als in der Kontrollgruppe (HR: 1,66; p=0,008). Die Non-Relaps-Mortalität (NRM) nach 6 Monaten war 18% und 19% in der Itacitinib- bzw. Kontrollgruppe. Das Gesamtüberleben nach 1 Jahr war 70% bzw. 66%. Die Patienten standen im Median 47 und 44 Tage unter Kortikosteroiden. An Nebenwirkungen traten Thrombozytopenien (29% bzw. 26%), Hyperlipidämie (11% bzw. 5%) und Anämien (10% bzw. 8%) auf. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Itacitinib in Kombination mit Kortikosteroiden in der Erstlinientherapie der akuten GvHD weder das Therapieansprechen noch das Überleben der Patienten verglichen mit Kortikosteroiden allein verbesserte.
Basiliximab bei steroidrefraktärer akuter GvHD
Dr. Si-Ning Liu präsentierte 230 Patienten mit kortikosteroidrefraktärer akuter GvHD, die Basiliximab, einen Interleukin-2-Rezeptor-Inhibitor, erhielten.3 Damit wurde ein Gesamtansprechen von 78,7% einschließlich 60,9% kompletter Response und 17,8% partieller Response erzielt. Patienten mit Hochrisiko-GvHD nach den Minnesota-Kriterien, gastrointestinaler GvHD undGrad-III/IVSchweregradhatten ein schlechteres Gesamtansprechen, während Patienten, die mehr als 4 Gaben von Basiliximab erhielten, ein höheres Risiko für opportunistische Infektionen hatten. Die 4-Jahres-Inzidenzen an Rezidiv der Grunderkrankung, Non-Relaps-Mortalität, erkrankungsfreiem Überleben und Gesamtüberleben waren 11,3%, 30%, 58,7% und 61,7% und damit insgesamt sehr zufriedenstellend.
Prognostische Bedeutung einer frühzeitigen Messung von ST2 und REG3 nach haploidenter HSZT mit Posttransplantations-Cyclophosphamid
Dr. Maria Fonseca-Santos von der Universitätsklinik in Salamanca beschäftigte sich mit den Serum-Biomarkern Suppressor of Tumorigenicity 2 (ST2) und Regenerating Islet-derived 3α (REG3α),4 die als Zeichen der Kryptenschädigung im Rahmen der gastrointestinalen GvHD als prädiktive Biomarker für die 6-Monats-NRM vom Mount Sinai Acute GvHD International Consortium (MAGIC) im Rahmen eines validierten Algorithmus beschrieben wurden5. ST2 und REG3α wurden wöchentlich nach haploidenter hämatopoetischer Stammzelltransplantation (HSZT) und Posttransplantations-Cyclophosphamid bei 102 konsekutiven Patienten zwischen 2012 und 2019 gemessen. Die kumulative Inzidenz an akuter GvHD Grad II–IV am Tag +180 war 27% und an moderat-schwerer chronischer GvHD nach 2 Jahren 12,5%. Die Transplantations-assoziierte Mortalität (TRM) am Tag +100 und nach 1 Jahr war 14% und 25%. ST2-Serumspiegel waren bei Patienten, die eine akute GvHD Grad II–IV entwickelten (Tag +14), erhöht und mit höherer TRM nach 1 Jahr (Tag +7 und +14), kürzerem Überleben (Tag 0, +7, +14, +21), kürzeremprogressionsfreiem Überleben (PFS) (Tag +7, +14, +21) und kürzerem GvHD-freiem/rezidivfreiem Überleben (Tag +7, +14, +21) assoziiert. Höhere REG3α-Serumspiegel waren mit höherer TRM nach 1 Jahr (Tag +14) und kürzerem Überleben nach 2 Jahren (Tag +7) assoziiert. In der multivariaten Analyse war die TRM mit dem ST2-Serumspiegel (Tag 0, +7, +21) und dem REG3α-Serumspiegel (Tag +14, +21), vorangegangener autologer HSZT und einem hämatopoetischen Komorbiditätsindex (HCT-CI) >3 assoziiert, während das Überleben nur mit dem ST2-Serumspiegel (Tag +7, +14) und der HCT-CI >3 korrelierte. HCT-CI >3, ST2-Serumspiegel (Tag +14) und REG3α (Tag +14) korrelierten mit dem Auftreten einer akuten GvHD Grad II–IV, dem PFS und dem Gesamtüberleben. Damit konnte gezeigt werden, dass die Biomarker ST2 und REG3α, wenn sie in der Frühphase nach HSZT gemessen werden, auch bei der haploidenten Transplantation mit Posttransplantations-Cyclophosphamid eine wichtige Bedeutung haben.
Therapie der chronischen GvHD mit regulatorischen T-Zellen und Ruxolitinib
Dr. Virginia Escamilla Gomez vom Universitätsklinikum in Salamanca untersuchte eine Kombination aus Ruxolitinib und regulatorischen T-Zellen (Treg) als Therapie der chronischen GvHD.6 Ihre In-vitro-Studien zeigten eine signifikante Zunahme an Treg-Zellen unter Kultivierung aktivierter Lymphozyten gesunder Spender mit Ruxolitinib. In Suppressionsassays blieb die suppressive Funktion der Treg-Zellen unter Ruxolitinib erhalten. In einem murinen Modell zur chronischen GvHD untersuchte sie 4 Therapiekohorten, Ruxolitinib-Monotherapie, Treg-Zell-Infusion, die Kombination aus Ruxolitinib und Treg-Zell-Infusionen und eine Kontrolle. Es zeigte sich dabei, dass Mäuse mit chronischer GvHD mit der Kombinationstherapie signifikant länger überlebten (p=0,0102) verglichen mit untherapierten Tieren. Auch der klinische Score der mit der Kombination behandelten Mäuse war signifikant niedriger als unter Monotherapien. Die infundierten Treg-Zellen konnten mehr als 18 Wochen nach Infusion noch nachgewiesen werden. In eine prospektive klinische Studie wurden 12 Patienten mit moderater oder schwerer chronischer GvHD aufgenommen, die unter Therapie mit Ruxolitinib maximal eine partielle Remission erzielten. Sie erhielten zusätzlich steigende Zahlen an Treg-Zell-Infusionen von 0,5x 106/kg bis 2x 106/kg. Bei 8 von 11 Patienten verbesserte sich der NIH-definierte Score für chronische GvHD und bei 10 von 11 Patienten konnte die systemische Immunsuppression reduziert werden. ◼
Literatur:
1 Zeiser R et al.: Ruxolitinib versus best available therapy in patients with steroid-refractory acute graft-versus-host disease: overall response rate by baseline characteristics in the randomized phase 3 REACH2 trial. EHA 2020, Abstr. #S255 2 Zeiser R et al.: GRAVITAS-301: a randomized, double-blind phase 3 study of itacitinib or placebo in combination with corticosteroids for initial treatment of patients with acute graft-versus-host disease. EHA 2020, Abstr. #S256 3 Liu SN et al.: Prognostic factors and long-term follow-up of basiliximab for steroid-refractory acute graft-versus-host disease: updated experiences from a large-scale study. EHA 2020, Abstr. #S257 4 Fonseca-Santos M et al.: Early measurement of ST2 and REG3 has a predictive value in haploidentical transplantation with post-transplant cyclophosphamide outcome. EHA 2020, Abstr. #S258 5 Major-Monfried H et al.: MAGIC biomarkers predict long-term outcomes for steroid-resistant acute GVHD. Blood 2018; 131(25): 2846-55 6 Gomez VE: Combined treatment of chronic graft versus host disease using regulatory T cells and ruxolitinib. EHA 2020, Abstr. #S253
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