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Nicht antibiotische Therapie von unkomplizierten Harnwegsinfektionen

<p class="article-intro">Unkomplizierte, bakterielle Harnwegsinfektionen gehören in Deutschland zu den häufigsten Infektionen im ambulanten Bereich. Auslöser sind meist gramnegative Bakterien, die zu einem immer bedeutsameren Problem in der Urologie werden. Das Robert-Koch- Institut verzeichnet eine deutliche Zunahme von multiresistenten gramnegativen, v. a. von <i>E. coli</i> und Klebsiella-Stämmen (Angaben des RKI, www.rki.de). Vor dem Hintergrund dieser steigenden Resistenzraten nimmt die nicht antibiotische Behandlung unkomplizierter Zystitiden als Alternative zur antibiotischen Therapie einen wichtigen Stellenwert ein.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei der akuten unkomplizierten Zystitis kann bei Patienten mit leichten/mittelgradigen Beschwerden die alleinige symptomatische bzw. phytotherapeutische Therapie als Alternative zur antibiotischen Behandlung erwogen werden.</li> <li>Eine partizipative Entscheidungsfindung mit den Patienten ist notwendig. Vor allem sollten die Pr&auml;ferenzen des Patienten angemessen ber&uuml;cksichtigt werden. Dies gilt insbesondere f&uuml;r die prim&auml;r nicht antibiotische Behandlung, die mit der Inkaufnahme einer h&ouml;heren Symptomlast einhergehen kann.</li> </ul> </div> <p>Mit einer Pr&auml;valenz von 7,32 % (2013)<sup>1</sup> geh&ouml;ren unkomplizierte Harnwegsinfektionen zu den h&auml;ufigsten Infektionskrankheiten, was weltweit einen enormen Antibiotikaverbrauch zur Folge hat, der wiederum f&uuml;r den Anstieg resistenter Erreger hauptverantwortlich gemacht wird. Verschiedene Antibiotikasubstanzen &uuml;ben dabei einen unterschiedlichen Selektionsdruck auf die Infektionserreger und die Standortflora (Mikrobiom) aus, diese Sch&auml;den werden allgemein als &bdquo;Kollateralschaden&ldquo; bezeichnet und sollten so gering wie m&ouml;glich gehalten werden. Die konzeptionellen Ver&auml;nderungen bez&uuml;glich der Therapie unkomplizierter Harnwegsinfektionen erfordern heute mehr denn je die Beachtung der Grundprinzipien des &bdquo;Antimicrobial Stewardship&ldquo;.</p> <h2>Therapieoptionen bei der akuten unkomplizierten Zystitis &ndash; mehr als nur Antibiotika?</h2> <p>Die Spontanheilungsrate der akuten unkomplizierten Zystitis ist hoch, sie liegt nach einer Woche bei 28 % (klinisch) bzw. 37 % (klinisch und mikrobiologisch). Ziel einer Therapie bei Vorliegen einer akuten unkomplizierten Zystitis ist es, die klinischen Symptome innerhalb k&uuml;rzerer Zeit (Tage) zu lindern.<sup>2</sup> Bei Patienten mit akuter unkomplizierter Zystitis mit leichten/ mittelgradigen Beschwerden kann gem&auml;&szlig; der 2017 aktualisierten AWMF-S3-Leitlinie eine nicht antibiotische, symptomatische Behandlung erwogen werden (Empfehlungsgrad B, Evidenzgrad Ia). Bei der Entscheidung f&uuml;r eine Therapie sollten die Pr&auml;ferenzen der Patienten angemessen ber&uuml;cksichtigt werden. Dies gilt insbesondere f&uuml;r die prim&auml;r nicht antibiotische Behandlung, die mit der Inkaufnahme einer h&ouml;heren Symptomlast einhergehen kann. Eine partizipative Entscheidungsfindung mit den betroffenen Patienten ist daher notwendig.<sup>3</sup><br /> Als Alternative zur Antibiotikaverordnung steht neben der bereits o. g. symptomatischen Therapie mit beispielsweise Ibuprofen auch die phytotherapeutische Therapie mit beispielsweise BNO 1045 zur Verf&uuml;gung.<br /> Im Folgenden wird die aktuelle Studienlage zur nicht antibiotischen Therapie von unkomplizierten Harnwegsinfektionen dargestellt.</p> <h2>Symptomatische Therapie einer akuten unkomplizierten Zystitis (AUZ)</h2> <p>In den vergangenen vier Jahren wurden insgesamt drei Studien<sup>4&ndash;6</sup> zur symptomatischen vs. antibiotische Therapie der akuten unkomplizierten Zystitis publiziert. Bereits die Arbeitsgruppe um G&aacute;gyor et al. konnte 2015 in ihrer randomisierten kontrollierten Studie<sup>4</sup> zeigen, dass zwei Drittel der Patientinnen, die rein symptomatisch mit Ibuprofen behandelt wurden, kein weiteres Antibiotikum (Fosfomycin-Trometamol) zur Therapie ihrer AUZ ben&ouml;tigten. Mit einer Beschwerdedauer von 5,6 Tagen hielten die Symptome einen Tag l&auml;nger an als unter antibiotischer Therapie. In der rein symptomatischen Gruppe traten insgesamt 5 Pyelonephritiden (232 behandelte Patienten) auf, dies entspricht einer Rate von 2,2 %. In der Fosfomycin-Gruppe trat eine Pyelonephritis (227 behandelte Patienten) auf (0,4 %) (p=0,12).<br /> Kronenberg et al. verglichen im Jahre 2017 Diclofenac vs. Norfloxacin zur Therapie der AUZ.<sup>5</sup> Die mittlere Dauer bis zur Symptomfreiheit betrug 4 Tage in der Diclofenac-Gruppe und 2 Tage in der Norfloxacin- Kohorte (p&lt;0,001). 38 % der Patienten in der Diclofenac-Gruppe erholten sich ohne Antibiotika. 6/133 (5 %) der mit Diclofenac behandelten Frauen entwickelten eine Pyelonephritis im Intervall, keine unter der Norfloxacin-Therapie (p=0,03). Erst im vergangenen Jahr publizierten Vik et al. die Resultate ihrer randomisierten Studie, in welcher Ibuprofen vs. Pivmecillinam in ihrer Wirksamkeit miteinander verglichen wurden.<sup>6</sup> Mehr als die H&auml;lfte der mit Ibuprofen behandelten Frauen (53 %) erholte sich ohne antibiotische Therapie von ihrer AUZ. Die mediane Dauer der Symptome betrug 6 Tage in der Ibuprofen- vs. 3 Tage in der Pivmecillinam- Gruppe. Insgesamt traten 7/181 (3,9 %) F&auml;lle von Pyelonephritis in der Ibuprofen- Gruppe gegen&uuml;ber 0/178 in der Pivmecillinam- Gruppe auf.</p> <h2>Phytotherapeutische Therapie einer akuten unkomplizierten Zystitis (AUZ)</h2> <p>Erstmals konnte im Jahre 2018 durch eine randomisierte, doppelblinde, doppeldummy, multinationale Phase-III-Nichtunterlegenheits- Studie (CanUTI-7-Studie) mit einer Studienkohorte von insgesamt 659 Patienten die Nichtunterlegenheit einer pflanzlichen Dreierkombination, BNO 1045, im Vergleich zu Fosfomycin-Trometamol hinsichtlich des Bedarfs einer zus&auml;tzlichen Antibiotika-Therapie belegt werden (p=0,0014).<sup>7</sup> Bei dem Phytotherapeutikum handelt es sich um eine Kombination aus Rosmarin, Tausendg&uuml;ldenkraut und Liebst&ouml;ckel, welche antiphlogistische, analgetische, spasmolytische und antiadh&auml;sive Effekte aufweist. Die Arbeitsgruppe um Wagenlehner et al. zeigte zudem eine vergleichbare Rate der unerw&uuml;nschten Ereignisse mit 15,1 % unter BNO 1045 vs. 12,9 % unter Fosfomycin. In beiden Behandlungsgruppen traten haupts&auml;chlich gastrointestinale Beschwerden wie Durchfall, &Uuml;belkeit und Abdominalschmerzen auf, wobei die Rate der gastrointestinalen Beschwerden unter BNO 1045 geringer als unter Fosfomycin ausgepr&auml;gt war (4,0 % unter BNO 1045 vs. 6,6 % unter Fosfomycin).<br /> Betrachtet man die Auftretensrate einer Pyelonephritis, wie auch bei den symptomatischen Therapien im vorherigen Abschnitt beschrieben, so liegt diese in der Fosfomycin-Gruppe bei 0,3 % und bei 1,5 % in der BNO-1045-Gruppe (bei 3 der 5 F&auml;lle jeweils bereits am ersten/zweiten Behandlungstag). Demzufolge besteht eine gering erh&ouml;hte Gefahr einer Pyelonephritis unter der Therapie mit BNO 1045. Eine ausf&uuml;hrliche Aufkl&auml;rung der Patienten &uuml;ber den genauen Symptomverlauf, die Risiken und sogenannten &bdquo;red flags&ldquo; ist zwingend notwendig. Tabelle 1 fasst die o. g. Studien sowie die Rate des Auftretens einer Pyelonephritis nochmals vereinfacht und verst&auml;ndlich zusammen.</p> <p>&nbsp;<img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Urologik_Uro_1902_Weblinks_urologik_uro_1902_s10_tab1.jpg" alt="" width="550" height="245" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Ziel der nicht antibiotischen Therapie von unkomplizierten Harnwegsinfektionen ist es, eine Reduktion der Verordnungen von Antibiotika im Sinne des &bdquo;Antimicrobial Stewardship&ldquo; zu erzielen. Evidenzbasierte, nicht antibiotische Therapieoptionen &ndash; wie die symptomatische Therapie und Phytotherapie &ndash; k&ouml;nnen als Prim&auml;rtherapie der akuten unkomplizierten Zystitis verwendet werden. Die Pr&auml;ferenzen der Patienten m&uuml;ssen unbedingt ber&uuml;cksichtigt werden und die Entscheidung sollte nach der Er&ouml;rterung unerw&uuml;nschter Ereignisse und Folgen, wie beispielsweise l&auml;nger andauernder Symptome oder der Entstehung einer Pyelonephritis, getroffen werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Dicheva S: Harnwegsinfekte bei Frauen. In: Glaeske G, Schicktanz C, Barmer GEK: Arzneimittelreport 2015. 107- 37 <strong>2</strong> Ferry SA et al.: The natural course of uncomplicated lower urinary tract infection in women illustrated by a randomized placebo controlled study. Scand J Infect Dis 2004; 36: 296-301 <strong>3</strong> Kranz J et al.: The 2017 Update of the German Clinical Guideline on Epidemiology, Diagnostics, Therapy, Prevention, and Management of Uncomplicated Urinary Tract Infections in Adult Patients. Part II: Therapy and Prevention. Urol Int 2018; 100(3): 271-8 <strong>4</strong> G&aacute;gyor I et al.: Ibuprofen versus fosfomycin for uncomplicated urinary tract infection in women: randomised controlled trial. BMJ 2015; 351: h6544 <strong>5</strong> Kronenberg A et al.: Symptomatic treatment of uncomplicated lower urinary tract infections in the ambulatory setting: randomised, double blind trial. BMJ 2017; 359: j4784 <strong>6</strong> Vik I et al.: Ibuprofen versus pivmecillinam for uncomplicated urinary tract infection in women- a double-blind, randomized non-inferiority trial. PLoS Med 2018; 15(5): e1002569 <strong>7</strong> Wagenlehner FM et al.: Non-antibiotic herbal therapy (BNO 1045) versus antibiotic therapy (fosfomycin trometamol) for the treatment of acute lower uncomplicated urinary tract infections in women: a double-blind, parallel-group, randomized, multicentre, non-inferiority phase III trial. Urol Int 2018; 101(3): 327-36</p> </div> </p>
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