Studien zur Sakroiliitisdiagnose und zur Therapie bei Gicht und axSpA
Bericht:
Dr. Susanne Kammerer
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Der Kongress des American College of Rheumatology (ACR) fand im November letzten Jahres erstmals virtuell statt. Nachfolgend eine kleine Auswahl von interessanten Studien, welche die gängige Praxis in der Rheumatologie verändern könnten: von der Sakroiliitisdiagnose mit künstlicher Intelligenz überneue Daten zum kardiovaskulären Risiko unter Febuxostat bis zu„treatto target“ bei Spondylarthritis.
Selbst für Experten gestaltet sich die röntgenologische Diagnose einer Sakroiliitis schwierig. Studien zeigten, dass ambulant tätige Rheumatologen und Radiologen hier häufig falsch liegen. In großen Zentren sind die gestellten Diagnosen zwar zuverlässiger, doch solche Experten sind nicht überall verfügbar. „Wir sehen eine große Diskrepanz zwischen der lokalen und zentralen Beurteilung der Sakroiliitis im Röntgenbild, die manchmal die Hälfte der Fälle betrifft“, sagte Prof. Dr. Denis Poddubnyy, Leiter der Abteilung für Rheumatologie an der Charité Universitätsmedizin Berlin. Könnte vielleicht künstliche Intelligenz (KI) die Diagnose unterstützen? – Diese Frage wollte sein Team mithilfe einer Studie beantworten.
Für ihre Untersuchung verwendeten Prof. Poddubnyy und sein Team konventionelle Röntgenbilder der Iliosakralgelenke zweier Kohorten von Patienten mit axialer Spondylarthritis: 1669 Röntgenbilder dienten zum Trainieren und Validieren des neuronalen Netzwerks, die restlichen 100 Röntgenbilder als Testdatensatz.1 Alle Röntgenbilder wurden sowohl von Ärzten als auch von dem künstlichen neuronalen Netzwerk beurteilt. Die Experten verwendeten zur Diagnose einer röntgenologischen Sakroiliitis die modifizierten New-York-Kriterien.
Die Forscher analysierten daraufhin, ob die menschliche Diagnosestellung mit derjenigen des künstlichen neuronalen Netzwerks übereinstimmte. Ergebnis: Das künstliche neuronale Netzwerk erzielte hervorragende Ergebnisse bei der genauen Diagnose einer röntgenologischen Sakroiliitis bei diesen Patienten. Sowohl bei der Sensitivität als auch bei der Spezifität wurden hohe Werte erreicht, bei den Bildern zur Validierung wie auch im Testdatensatz (0,90 bzw. 0,93 für die Validierung und 0,87 bzw. 0,97 für den Testsatz).
Dieses auf künstlicher Intelligenz basierende Modell könnte nach Ansicht der Forscher eine wertvolle Hilfestellung zum genauen Erkennen einer Sakroiliitis sein, sowohl bei der Diagnose von Patienten in der Klinik als auch, wenn es um die Klassifizierung einer axialen Spondylarthritis zur Auswahl von Patienten für klinische Studien geht.
„Ich denke, dass das von uns entwickelte künstliche neuronale Netzwerk in der klinischen Praxis wirklich hilfreich sein könnte“, schloss Prof. Poddubnyy.
Dieser Ansatz soll nun auch für die Auswertung der Magnetresonanztomografie des Iliosakralgelenks getestet werden. Erweist sich das System auch hier als erfolgreich, könnte die axiale Spondylarthritis in einem noch früheren Stadium diagnostiziert werden.
Febuxostat: keine Sicherheitsbedenken in neuer FAST-Studie
Für das Gichttherapeutikum Febuxostat waren von den europäischen Regulierungsbehörden neue Sicherheitsdaten im Vergleich zu Allopurinol angefordert worden, nachdem es innerhalb der Phase-IV-CARES-Studie Hinweise auf vermehrte kardiovaskuläre (KV) Ereignisse gab. Aufgrund dessen wurde die offene prospektive FAST-Studie mit verblindetem Endpunkt initiiert, die die Nichtunterlegenheit von Febuxostat gegenüber Allopurinol in Hinsicht auf KVEreignisse untersuchte.2 Die Ergebnisse wurden bei der ACR Convergence vorgestellt.
Die 6128 Gichtpatienten in FAST waren >60 Jahre alt, hatten ≥1 KV-Risikofaktor und wurden bereits mit Allopurinol therapiert. Nach Erreichen des Harnsäurezielwertes von <0,357mmol/l (<6mg/dl) erfolgte die Randomisierung: Entweder wurde Allopurinol in der erforderlichen Dosis fortgesetzt oder durch 80mg Febuxostat pro Tag mit der Option zur Erhöhung auf 120mg ersetzt. Für die Patienten der Febuxostat-Gruppe wurde eine Wash-out-Phase von 1–3 Wochen eingeplant. Als primärer Studienendpunkt wurde ein Verbund aus mehreren schweren KVEreignissen definiert. Dazu gehörten stationäre Aufnahmen aufgrund von Biomarker-positivem akutem Koronarsyndroms, nichttödlichem Apoplex und nichttödlichem Myokardinfarkt sowie der KV-bedingte Tod. Eine Cut-off-Hazard-Ratio von 1,3 wurde für die Nichtunterlegenheit von Febuxostat festgelegt. Die Cox-Modelle wurden jeweils für die On-treatment(OT)-Analyse und für die Intention-to-Treat(ITT)-Population erstellt.
85,3% der Studienpatienten waren männlich. Das Durchschnittsalter betrug 71,85 Jahre und bei 33,4% war schon zuvor eine Herz-Kreislauf-Erkrankung diagnostiziert worden. Die mediane Beobachtungszeit innerhalb der Studie betrug 4 Jahre bzw. 3,6 Jahre unter Therapie. Gichtanfälle ereigneten sich innerhalb der Studie mit einer Rate von 17,95/100 Patientenjahre mit Febuxostat und 19,85/100 Patientenjahre unter Allopurinol.
Bezüglich der KVEreignisse war Febuxostat Allopurinol mit p-Werten <0,001 sowohl in der OT- als auch in der ITT-Analyse nicht unterlegen. Das OT-Ergebnis für die Gesamtmortalität war für Febuxostat nominell sogar niedriger, in der ITT-Analyse erwies sich der Unterschied jedoch als nicht mehr signifikant. Auch die Analysen für den KVTod zeigten keinen statistischsignifikanten Unterschied der Gruppen. Im Bereich der schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse traten unter Febuxostat 222 (7,2%) Todesfälle auf und in der Allopurinolgruppe 263 (8,6%). 59,4% der Allopurinolempfänger hatten mindestens ein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis,im Vergleich mit 57,3% derer, die mit Febuxostat behandelt wurden, wobei 0,2% (Allopurinol) bzw. 0,6% (Febuxostat) auf die Therapie zurückgeführt wurden. „Im Gegensatz zu früheren Studien gab es keine Hinweise auf eine erhöhte Mortalität mit Febuxostat, und wir glauben, dass die Aufsichtsbehörden die Zulassungsbeschränkungen für Febuxostat überprüfen sollten“, meinte Prof. Thomas MacDonald, Universität Dundee, Großbritannien, in seinem Vortrag.
Die Quintessenz der FAST-Studie ist also: Febuxostat war in beiden Analysen (OT und ITT) Allopurinol hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse nicht unterlegen.
„Treat to target“: auch bei Spondylarthritis ein wertvolles Behandlungskonzept?
Die „Treattotarget“(T2T)-Managementstrategie hat sich bereits seit Jahren bei Patienten mit rheumatoider Arthritis bewährt. Doch ist dieses Vorgehen auch bei Patienten mit axialer Spondylarthritis empfehlenswert? Diese Frage wurde in der Studie „Tight Control in Spondyloarthritis“ (TICOSPA) untersucht – mit zwiespältigem Ausgang: Zwar wurde der primäre Studienendpunkt knapp verfehlt, es gibt jedoch mehrere Hinweise auf einen Nutzen bei den sekundären Endpunkten im Vergleich zur üblichen Versorgung.3 Die TICOSPA-Studie wurde an 10 französischen Zentren und je 4 Zentren in Belgien und den Niederlanden durchgeführt. Eingeschlossene Patienten hatten einen ASDAS (Ankylosing Spondylitis Disease Activity Score) größer als 2,1 und bisher noch kein Biologikum erhalten. 160 Patienten wurden entweder zu T2T oder zur üblichen Behandlung randomisiert. Die Patienten in der T2T-Gruppe (n=80) nahmen alle 4 Wochen an Konsultationen teil, anstatt nur alle 3 Monate wie die Patienten in der Gruppe mit der herkömmlichen Versorgung. Zudem wurde in der T2T-Gruppe eine vordefinierte Managementstrategie verfolgt, die darauf abzielte, den ASDAS auf <2,1 abzusenken.
Primärer Wirksamkeitsendpunkt der TICOSPA-Studie war eine mindestens 30%ige Verbesserung im ASAS HI (Assessment of Spondyloarthritis International Society Health Index), einem Maß für die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Patienten mit axialer Spondylarthritis.
Nach 12 Monaten erreichten 47% der Patienten, die der T2T-Behandlung zugewiesen wurden, den primären Endpunkt im Vergleich zu 36% der Patienten, die konventionell versorgt wurden. Dieser absolute Unterschied von 11% zwischen den beiden Gruppen verfehlte haarscharf statistische Signifikanz, das Studienziel wurde demnach nicht erreicht. Allerdings zeigten 6 sekundäre Endpunkte statistisch signifikante Verbesserungen im Vergleich zu den Kontrollpatienten, darunter der BASDAI (Bath Ankylosing Spondylitis Disease Activity Index) sowie das ASAS20- und das ASAS40-Ansprechen.
Interessanterweise zeigte eine vom Studienteam durchgeführte Kosten-Wirksamkeits-Analyse ebenfalls eine Überlegenheit der T2T-Strategie im Vergleich zu der üblichen Versorgung: Demnach wurden bessere Ergebnisse mit geringeren Gesamtkosten erzielt, obwohl doppelt so viele Patienten unter der T2T-Strategie ein Biologikum erhielten als Patienten in der Gruppe mit der üblichen Versorgung. „Statistische Signifikanz wurde für den primären Wirksamkeitsendpunkt zwar nicht erreicht, aber ein allgemeiner Trend zugunsten von T2T wurde bei anderen Endpunkten mit einem ähnlichen Sicherheitsprofil beobachtet“, schloss Dr. Anna Moltó, Rheumatologin am HôpitalCochin, Paris, Frankreich.
Literatur:
1 Bressem KK et al.: Development and validation of an artificial intelligence approach for the detection of radiographic sacroiliitis. ACR Convergence 2020; Abstract Nr. 2018 2 MacDonald T et al.: Long-term cardiovascular safety of febuxostat and allopurinol in patients with chronic gout: The Febuxostat versus Allopurinol Streamlined Trial (on Behalf of the FAST Investigators). ACR Convergence 2020; Abstract-Nr. L08 3 Moltó A et al.: Cluster-randomized pragmatic clinical trial evaluating the potential benefit of a tight-control and treat-to-target strategy in axial spondyloarthritis: the results of the TICOSPA trial. ACR Convergence 2020; Abstract-Nr. 1444
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