
©
Getty Images/iStockphoto
Chronischer Husten: ERS-Leitlinie beruht auf dünner Evidenz
Jatros Digital
30
Min. Lesezeit
04.10.2019
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Eine neue Leitlinie der ERS zum Management des chronischen Hustens erkennt diesen als eigenständiges Krankheitsbild mit gut definierter und von anderen Erkrankungen unterscheidbarer Pathophysiologie an. Die Empfehlungen beruhen allerdings weitgehend auf schwacher Evidenz. Zu zahlreichen Fragen fehlen qualitativ hochwertige Studien.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Drei Jahre Arbeit liegen hinter der Task Force, die die neue und kürzlich publizierte ERS-Leitlinie zum Management des chronischen Hustens erstellte. Die Evidenzbasis ist dünn, sodass die meisten Empfehlungen den Disclaimer „conditional recommendation, very low quality evidence“ tragen. Um die Lesbarkeit und Anwendbarkeit des Dokuments zu erhalten, wurde der Leitlinie eine zusätzliche „narrative Komponente“ verliehen, so Prof. Dr. Alyn Hugh Morice von der Hull University.</p> <p>Chronischer, refraktärer Husten hat nach aktuellem Verständnis in den allermeisten Fällen seine Ursache in einer Hypersensitivität des Nervus vagus gegenüber unterschiedlichen Stimuli. Damit ist chronischer, refraktärer Husten eine eigenständige Diagnose und Erkrankung, die sich in unterschiedlichen Phänotypen manifestieren kann. Betroffen sind mehrheitlich Frauen im mittleren Lebensalter. Adipositas und Reizdarmsyndrom sind häufig mit chronischem, refraktärem Husten assoziiert. Husten ist nicht zwingend das Symptom einer anderen Erkrankung. Die Folgen können schwerwiegend sein, mit sozialer Belastung, Inkontinenz und fallweise sogar Synkopen.</p> <p>Im Rahmen der Erstellung der neuen Leitlinie stellte die Task Force eine Reihe von Fragen und sie versuchte, diese so gut wie möglich zu beantworten.</p> <p>Frage 1 hatte die Notwendigkeit eines Thorax-CT zum Thema. Hier empfiehlt die Leitlinie auf Basis schwacher Evidenz, dass ein CT-Scan nicht routinemäßig durchgeführt werden soll, wenn Thoraxröntgen und klinische Untersuchung unauffällig sind.</p> <p>Frage 2 bezieht sich auf die Prädiktion eines Ansprechens auf Kortikosteroide und Leukotrien-Antagonisten durch Bestimmung von FeNO und Eosinophilen im Blut. Hier weist die Leitlinie auf das völlige Fehlen von kontrollierten Studien hin, weshalb keine Empfehlung gegeben werden kann. Stattdessen kann ein Therapieversuch mit oralen oder inhalativen Steroiden unternommen werden.</p> <p>Frage 3 bezieht sich auf die Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Asthmamedikamenten (Bronchodilatatoren oder antiinflammatorische Substanzen) bei Patienten mit chronischem Husten. Diese Frage wird mit der Empfehlung für einen kurzen Therapieversuch mit einem ICS beantwortet.</p> <p>Nicht empfohlen wird hingegen (Antwort auf Frage 4) der routinemäßige Einsatz von Substanzen zur Erhöhung des pH-Werts im Magen (PPI und H2-Antagonisten). Auch hier ist die Evidenz allerdings dürftig.</p> <p>Auch Makrolide werden nicht routinemäßig zur Behandlung des chronischen Hustens empfohlen. Bei chronischem Husten in Zusammenhang mit Bronchitis kann bei Nichtansprechen auf andere Therapien ein Therapieversuch über einen Monat unternommen werden, wobei die lokalen Empfehlungen im Hinblick auf das antimikrobielle Stewardship beachtet werden müssen.</p> <p>Frage 6 dreht sich um den Einsatz von neuromodulatorischen Substanzen beim chronischen Husten. Hier empfiehlt die Leitlinie einen Therapieversuch mit niedrig dosiertem Morphin in Retard-Formulierung oder einen Therapieversuch mit Gabapentin oder Pregabalin.</p> <p>Auch nicht pharmakologische Maßnahmen im Sinne einer Hustenkontrolltherapie werden als Therapieversuch empfohlen (Frage 7).</p> <p>Als Antwort auf Frage 8 empfiehlt die Leitlinie schließlich bei Kindern mit chronischem, produktivem Husten einen Therapieversuch mit Antibiotika, wenn Thoraxröntgen und Spirometrie unauffällig und keine Warnzeichen vorhanden sind.</p> <p>Die aktuellen ERS Guidelines zur Diagnose und Behandlung des chronischen Hustens bei Erwachsenen und Kindern wurden zeitgleich mit dem Kongress online im European Respiratory Journal publiziert.<sup>1</sup></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: „New clinical practice guidelines for chronic cough“, Guidelines Session im Rahmen des ERS 2019 am 1. Oktober 2019 in Madrid
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<ol> <li><span lang="EN-US">Morice AH et al.: ERS guidelines on the diagnosis and treatment of chronic cough in adults and children. Eur Respir J 2019. Doi: 10.1183/13993003.01136-2019</span></li> </ol>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Chronische Atemwegserkrankungen in einem sich verändernden Klima
Die global steigenden Temperaturen und zunehmenden Hitzewellen haben einen negativen Einfluss auf die Luftqualität, vor allem in Städten. Die Atemwege und die Lunge als Eintrittspforten ...
Pathobiologie und Genetik der pulmonalen Hypertonie
Für die 7. Weltkonferenz für pulmonale Hypertonie (World Symposium on Pulmonary Hypertension; WSPH) 2024 beschäftigten sich zwei Task-Forces aus 17 internationalen Experten allein mit ...