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45. Jahrestagung der ÖGP

Tabakerhitzer – ein „Hot“ Topic

Die „gesündere“ Alternative zum Zigarettenrauchen – so bewerben die Tabakkonzerne ihre neuartigen Tabakerhitzer. Dank umfangreicher Werbestrategien steigt die Zahl der Nutzer kontinuierlich an. Welche Gefahren von Tabakerhitzern ausgehen und ob sie wirklich eine weniger schädliche Alternative zu herkömmlichen Zigaretten sind, zeigen aktuelle Studien.

Keypoints

  • Die Nutzung und Popularität von Tabakerhitzern steigen stetig an.

  • Tabakerhitzer haben ein ähnlich süchtig machendes Potenzial wie herkömmliche Zigaretten.

  • Derzeit kann nicht bewiesen werden, dass Tabakerhitzer weniger gesundheitsschädlich als herkömmliche Zigaretten sind.

  • Tabakerhitzer gefährden den weltweiten Rückgang des Tabakkonsums.

Zigaretten werden allmählich out. Tatsächlich ist der Absatz herkömmlicher Zigaretten in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.1,2 Die Gründe dafür sind u.a. ein steigendes Bewusstsein für ein gesünderes Leben und eine bessere Aufklärung über die negativen Folgen des Rauchens. Eigentlich eine gute Nachricht, aber namhafte Zigarettenhersteller haben prompt auf diesen Rückgang reagiert und alternative Tabakprodukte auf den Markt gebracht. Diese sog. Tabakerhitzer, „heat-not-burn tobacco products“ (Tab. 1), werden als die gesündere Alternative mit angeblich geringerer Schadstoffproduktion proklamiert, trotz Nikotinfreisetzung in gleichem Außmaß wie beim Zigarettenrauchen.

Tab. 1: Tabakerhitzer – Produkttypen, Hersteller, Jahr der Einführung (modifiziert nach McCarthy A et al.: Harms and benefits of e-cigarettes and heat-not-burn tobacco products: a literature map. Health Research Board Dublin 2020)

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Abb. 1: IQOS-Tabakerhitzer

Marktführer im Segment dieser verbrennungsfreien Tabakerhitzer ist seit einigen Jahren IQOS von Philip Morris International (PMI), der inzwischen in über 53 Ländern, u.a. auch Deutschland (2017) und Österreich (2020), gelauncht wurde. Als größter Tabakkonzern der Welt hat PMI seinen mittelfristigen Ausstieg aus dem Zigarettengeschäft verkündet und eine große Kampagne mit der direkten Aufforderung gestartet, nicht mit dem Rauchen anzufangen. Auf der seit 1. Juli 2021 aktiven Informationswebsite www.was-raucher-wissen-sollten.de informiert der Konzern darüber, dass die Hauptursache für die Schädlichkeit des Rauchens das Verbrennen von Tabak ist. Zudem zeigt PMI auf, wie ein Rauchstopp erfolgreich sein kann und dass er die beste Alternative ist.3 Gleichzeitig wirbt PMI aber in einer umfassenden Werbestrategie für den konzerneigenen Tabakerhitzer IQOS, der aufgrund der fehlenden Verbrennung von Tabak weniger schädlich sei. Entsprechende Werbemaßnahmen u.a. in Social Media zielen v.a. auf junge Menschen ab. Nicht nur der Name und das Design von IQOS (Abb. 1), sondern auch die speziellen Hightechläden, in denen der Tabakerhitzer neben den herkömmlichen Stellen für Zigarettenverkauf, wie Tabakläden, Supermärkte, Tankstellen und Zigarettenautomaten verkauft wird, erinnern unweigerlich an Produkte der Firma Apple Inc.

Nutzer von Tabakerhitzern

Auch wenn die Anzahl der Nutzer von Tabakerhitzern noch relativ gering ist, steigen die Popularität und Nutzung weltweit, mit nur geringen Unterschieden in den Ländern trotz kultureller Verschiedenheit, stetig an. Immer größerer Beliebtheit erfreuen sie sich v.a. bei jungen Erwachsenen mit höherem sozialem Status. Zwar sind überwiegend Raucher im Sinne der „harmreduction“ an der Nutzung von Tabakerhitzern interessiert, dennoch erwecken sie auch Interesse bei Nichtrauchern, denn diese würden lieber eine IQOS als eine herkömmliche Zigarette ausprobieren.4 Forscher der University of California, San Francisco (UCFS), befürchten, dass Tabakerhitzer auch viele Kinder und Jugendliche zum Tabakkonsum verleiten könnten.5 Dieser Gateway-Effekt wird zwar unter Experten noch sehr kontrovers diskutiert. In Japan aber konsumieren z.B. laut einer Studie auch Teenager Tabakerhitzer (2% unter den 15- bis 19-Jährigen), obwohl sie diese Geräte offiziell gar nicht kaufen dürfen.6

Eine im August 2020 durchgeführte Umfrage mit ca. 1000 Teilnehmern in Österreich zeigte, dass hier ca.2% der Befragten zu diesem Zeitpunkt IQOS nutzten. Immerhin 7% hatten IQOS bereits ein- oder zweimal ausprobiert, 3% hatten IQOS genutzt, aber wieder damit aufgehört (Abb. 2).7 Vor dem Hintergrund, dass IQOS erst seit Mai 2020 in Österreich erhältlich ist, scheint dieses Produkt durchaus Interesse zu wecken.

Abb. 2: Nutzung von Tabakerhitzern in Österreich 2020(modifiziert nach European Commission 2021, © Statista 2021)7

Potenzielle Schadstoffe im Aerosol von Tabakerhitzern

Untersuchungen über die Schadstoffe in den Emissionen von Tabakerhitzern liegen v.a. in umfangreichen Studien der Hersteller vor (v.a. von PMI für IQOS und British American Tobacco, BAT, für Glo). Sie zeigen eine Reduktion ausgewählter schädlicher bzw. potenziell schädlicher Stoffe in den Emissionen dieser Geräte auf. Zwar konnten auch einige unabhängige Institutionen, u.a. das Bundesinstitut für Risikobewertung in Deutschland,8 sowie eine Forschungsgruppe am Nationalen Institut für Public Health (NIPH) in Japan,9 bestätigen, dass der Gehalt der Carbonylverbindungen Formaldehyd, Acetaldehyd, Acrolein und Crotonaldehyd in den Emissionen des Tabakerhitzers IQOS im Vergleich zu konventionellen Tabakzigaretten um 80–96% geringer ist. Der Gehalt an flüchtigen und semiflüchtigen Verbindungen in den Emissionenist im Tabakerhitzer sogar um 97–99% niedriger im Vergleich zu konventionellen Zigaretten. Dennoch sind die Konsumenten aber einer nicht zu vernachlässigenden Schadstoffbelastung ausgesetzt, zumal im Aerosol der Tabakerhitzer auch Substanzen enthalten sind, die im Tabakrauch nicht vorliegen.10 So wurde in einer Studie von Davis etal. hochgiftiges Formaldehyd-Cyanohydrin gefunden, das durch das Anschmelzen des Polymerfilmfilters der IQOS freigesetzt wird.11 Auch die European Respiratory Society legt in einem Positionspapier zu Tabakerhitzern dar, dass diese Produkte erhebliche Mengen an krebserregenden tabakspezifischen Nitrosaminen sowie an toxischen und reizenden Substanzen und potenziellen Karzinogenen freisetzen und im Vergleich zu herkömmlichen Zigaretten eine Reihe von Substanzen in deutlich höheren Konzentrationen abgeben, die von der FDA nicht als schädlich oder potentiell schädlich anerkannt sind.12 Da zudem der Nikotingehalt des Aerosols von Tabakerhitzern etwa gleich oder nur etwas geringer als im Zigarettenrauch ist,10 kann von einem ähnlich süchtig machenden Potenzial der Tabakerhitzer wie bei Zigaretten ausgegangen werden.

Gesundheitsrisiko durch Tabakerhitzer

Auch wenn durch den Konsum von Tabakerhitzern ihre Nutzer zwar eventuell geringeren Mengen an Schadstoffen ausgesetzt werden als durch herkömmliche Tabakzigaretten, werden sie anderen Schadstoffen in höheren Mengen ausgesetzt – Glycerin und Propylenglykol z.B. kommen in bis zu doppelt so hohen Mengen wie im Tabakrauch vor13– und es ist nicht klar, welche kurz- und langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen dieses toxikologische Profil hat. Nach wie vor fehlen unabhängige standardisierte Daten, die belegen, dass die durch die Verwendung von Tabakerhitzern verringerte Exposition gegenüber gesundheitsschädlichen Stoffen auch zu einem geringeren gesundheitlichen Risiko führt.8

So verdichten sich durch eine Reihe aktueller Studien die Hinweise auf die negativen Auswirkungen des Konsums von Tabakerhitzern auf die Gesundheit. Unter anderem wurde inzwischen gezeigt, dass durch die Nutzung von Tabakerhitzern oxidativer Stress in den Alveolarepithelzellen induziert wird,14–17 dass sich die systolische und diastolische Funktion des Herzmuskels verschlechtert,18 sich eine negative Wirkung auf die Aortensteifigkeit und die zentrale Hämodynamik19 ergibt sowie annähernd die gleichen typischen Biomarkerwie beim Zigarettenrauchennachweisbar sind.20 Andere Studien wiederum kommen zu dem Schluss, dass der Umstieg von Tabakzigaretten auf Tabakerhitzer zu einer Verbesserung der Endothelfunktion und der Belastung durch oxidativen Stress führt und sich die Thrombozytenaktivität und die Belastung durch CO verringern,21 dass Tabakerhitzer zwar oxidativen Stress und entzündliche Reaktionen ähnlich wie Tabakzigaretten erhöhen, aber erst nach viel intensiverer Exposition,17 oder dass Tabakerhitzer zwar das ausgeatmete CO, die O2-Sättigung und die Funktion der Atemwege beeinflussen, aber nur in sehr geringem Umfang.22

Die aktuell vorliegenden Studien lassen bisher keine Schlussfolgerung zu, dass Tabakerhitzer weniger schädlich als Tabakzigaretten sind. Vielmehr muss zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgegangen werden, dass sie durchaus schädlich für die Gesundheit sind. In welchem Ausmaß dies der Fall ist, wird erst in längerfristigen Studien mit hohen Fallzahlen in einigen Jahren gezeigt werden können.23

Verhindern Tabakerhitzer den Rückgang des Tabakkonsums?

Experten sehen in der Vermarktung der Tabakerhitzer als „gesünderer“ Alternative zum Rauchen eine große Gefahr für dierückläufige Prävalenz des Zigarettenrauchens. So ist beispielsweise die Zahl der Raucher in Italien seit Einführung der Tabakerhitzer und E-Zigaretten erstmals seit 2001 wieder angestiegen.24 Das vermeintlich „gesündere“ Rauchen scheint die Bereitschaft aktueller Raucher, mit dem Zigarettenkonsum aufzuhören, zu senken. Statt einen Rauchstopp zu versuchen, greifen sie lieber zur vermeintlich gesünderen Variante oder nutzen beide Produkte parallel. Auch ehemalige Raucher, die das Rauchen bereits aufgegeben haben, scheinen durch Tabakerhitzer zu erneutem Konsum verleitet zu werden. In der Raucherentwöhnung können Tabakerhitzer derzeit, anders als E-Zigaretten, mit denen ein Rauchstopp eventuell etwas besser gelingen kann,25 nicht als Ausstiegshilfe empfohlen werden. Einerseits werden Tabakerhitzer als weniger schädlich wahrgenommen, andererseits erfolgt die Nikotinanflutung aber ähnlich schnell wie bei herkömmlichen Zigaretten, sodass sie genauso abhängig machen. Ein Rauchstopp nach Umstieg auf Tabakerhitzer bleibt dadurch erschwert und scheint nicht wahrscheinlicher zu sein.26,27 Nicht zuletzt wirkt die Vermarktung von Tabakerhitzern als harmloses „Lifestyle“-Produkt attraktiv auf Jugendliche und könnte somit den Einstieg in den Tabakkonsum bewirken.

Fazit

Tabakerhitzer sind Tabakerzeugnisse, die aufgrund ihres Nikotingehaltes, genauso wie herkömmliche Zigaretten, süchtig machen. Auch wenn sie im Allgemeinen einen geringeren Schadstoffgehalt als herkömmliche Zigaretten aufweisen, bedeutet ihre Nutzung nicht automatisch auch eine Verringerung des Gesundheitsrisikos. Derzeit gibt es keine ausreichenden, unabhängigen Erkenntnisse über das relative und absolute Risiko in Bezug auf ihren Gebrauch und die damit einhergehendeExposition gegenüber ihren Emissionen.

1 Statistisches Bundesamt: Absatz von versteuerten Zigaretten in Deutschland in den Jahren 1964 bis 2020. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/6187/umfrage/absatz-von-versteuerten-zigaretten-seit-1964/ ; zuletzt aufgerufen am 29.11.2021 2 Statista Research Department:Statistiken zum Tabakmarkt und Tabakkonsum in Österreich. https://de.statista.com/themen/4498/tabak-markt-in-oesterreich/ ; zuletzt aufgerufen am 29.11.2021 3 Philip Morris GmbH: Was Raucher wissen sollten – Informationskampagne von Philip Morris. https://www.presseportal.de/pm/37922/4992504 ; zuletzt aufgerufen am 29.11.2021 4 Ratajczak A et al.: Heat not burn tobacco product-Anew global trend: Impact of heat-not-burn tobacco products on public health, a systematic review. Int J Environ Res Public Health 2020; 17(2): 409 5 Jazbinsek D, Gießelmann K: Tabakerhitzer: Streit um rauchfreie Alternative. Dtsch Arztebl 2018; 115(4): A130-6 6 Tabuchi T et al.: Heat-not-burn tobacco product use in Japan: its prevalence, predictors and perceived symptoms from exposure to secondhand heat-not-burn tobacco aerosol. Tob Control 2018; 27(e1): e25-e33 7 European Commission: Special eurobarometer 506. Attitudes of Europeans towards tobacco and electronic cigarettes. 2021. https://europa.eu/eurobarometer/surveys/detail/2240 ; zuletzt aufgerufen am 29.11.2021 8 Pieper E et al.: Tabakerhitzer als neues Produkt der Tabakindustrie: Gesundheitliche Risiken. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2018; 61: 1422-8 9 Tabuchi T: Science and practice for heated tobacco products. Japan as a test bed for novel tobacco products. Singapore: Springer Nature Singapore, 2021 10 Schaller K et al.: E-Zigaretten und Tabakerhitzer – ein Überblick. https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/sonstVeroeffentlichungen/E-Zigaretten-und-Tabakerhitzer-Ueberblick_Oktober_2020.pdf ; zuletzt aufgerufen am 29.11.2021 11 Davis B et al.: iQOS: evidence of pyrolysis and release of a toxicant from plastic. Tob Control 2019; 28(1):34-41 12 Pisinger C: ERS position paper on heated tobacco products. https://www.ersnet.org/news-and-features/news/ers-position-paper-on-heated-tobacco-products/ ; zuletzt aufgerufen am 29.11.2021 13 Deutsches Krebsforschungszentrum (Hrsg.): Tabakerhitzer. Fakten zum Rauchen. https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/FzR/FzR_2018_Tabakerhitzer.pdf ; zuletzt aufgerufen am 29.11.2021 14 Ito Y et al.: The effect of heat-not-burn tobacco smoke on rat alveolar epithelial cell. Am J Respir Crit Care Med 2020; 201: A4088 15 Ito Y et al.: Heat-not-burn cigarette induces oxidative stress response in primary rat alveolar epithelial cells. PLoS One 2020; 15(11): e0242789 16 Loffredo L et al.: Impact of chronic use of heat-not-burn cigarettes on oxidative stress, endothelial dysfunction and platelet activation: the SUR-VAPES chronic study. Thorax 2021; 76(6): 618-20 17 Dusautior R et al.: Comparison of the chemical composition of aerosols from heated tobacco products, electronic cigarettes and tobacco cigarettes and their toxic impacts on the human bronchial epithelial BEAS-2B cells. J Hazard Mater 2021; 401: 123417 18 Yaman B et al.: Comparison of IQOS (heated tobacco) and cigarette smoking on cardiac functions by two-dimensional speckle tracking echocardiography. Toxicol Appl Pharmacol 2021; 423: 115575 19 Ioakeimidis N et al.: Acute effect of heat-not-burn versus standard cigarette smoking on arterial stiffness and wave reflections in young smokers. Eur J Prev Cardiol 2021; 28(11): e9-e11 20 Rudasingwa G et al.: Comparison of Nicotine Dependence and Biomarker Levels among Traditional Cigarette, Heat-Not-Burn Cigarette, and Liquid E-Cigarette Users: Results from the Think Study. Int J Environ Res Public Health 2021; 18(9): 4777 21 Ikonomidis I et al.: Differential effects of heat-not-burn and conventional cigarettes on coronary flow, myocardial and vascular function. Sci Rep 2021; 11: 11808 22 Pataka A et al.: Acute effects of a heat-not-burn tobacco product on pulmonary function. Medicina (Kaunas) 2020; 56(6): 292 23 WHO: Heated tobacco products – information sheet.2nd edition. https://www.who.int/publications/i/item/WHO-HEP-HPR-2020.2 ; zuletzt aufgerufen am 29.11.2021 24 Gallus S et al.: The role of novel (tobacco) products on tobacco control in italy. Int J Environ Res Public Health 2021; 18(4): 1895 25 Deutsches Krebsforschungszentrum:Krebs vorbeugen: Rauchstopp mit Hilfe von E-Zigaretten? https://www.krebsinformationsdienst.de/aktuelles/2020/news055-krebs-praevention-rauchstopp-e-zigarette.php ; zuletzt aufgerufen am 29.11.2021 26 Kanai M et al.: Association of heated tobacco product use with tobacco use cessation in a japanese workplace: a prospective study. Thorax 2021; 76(6): 615-7 27 Xia E et al.: The association between heated tobacco product use and cigarette cessation outcomes among youth smokers: A prospective cohort study. J Subst Abuse Treat 2021; 108599

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