
©
Getty Images/iStockphoto
Einblicke in die Pathogenese der Entzündung bei COPD
Leading Opinions
30
Min. Lesezeit
31.08.2017
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">In den letzten Jahren hat die Forschung viele neue Erkenntnisse in Bezug auf die Pathogenese der COPD erbracht. So nimmt man heute an, dass die COPD einem beschleunigten Alterungsprozess der Lunge entspricht. Auch über die zellulären Mechanismen der Entzündung sind heute viele Details bekannt. Daraus ergeben sich verschiedene potenzielle therapeutische Angriffspunkte, die dereinst vielleicht eine spezifische COPD-Behandlung ermöglichen werden.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>COPD ist charakterisiert durch beschleunigte Alterung der Lunge</h2> <p>Seit einigen Jahren beschäftigt sich auch die COPD-Forschung mit Alterung, genauer gesagt: mit der Seneszenz, dem biologischen Alterungsprozess. Die Lungen von alten Menschen zeigen nämlich ähnliche Merkmale wie die Lungen von COPD-Patienten: erweiterte Lufträume (seniles Emphysem), Entzündung und Fibrose. Aufgrund dessen nimmt man heute an, dass die COPD eine beschleunigte Alterung der Lunge darstellt.<sup>1, 2</sup> Ab einem Alter von ungefähr 25 Jahren nimmt die Lungenfunktion physiologischerweise stetig ab. «Lebten wir lange genug, würden wir alle im Alter von etwa 160 Jahren an einem respiratorischen Versagen sterben», so Prof. Peter Barnes vom National Heart and Lung Institute am Imperial College in London.<br /> Die normale Organalterung verläuft über zwei Wege: 1. Verkürzung der Telomere als Ausdruck der wiederholten Zellteilung (= programmierte Alterung) und 2. DNA-Schädigung durch oxidativen Stress (= nicht programmierte Alterung).1, 2 Beide Wege führen u.a. dazu, dass die Proteine p53 und p21 aktiviert werden, welche die Zellapoptose oder einen vorübergehenden oder permanenten (= Seneszenz) Stillstand des Zellzyklus induzieren. Über diesen Mechanismus schützt sich der Körper vor der Bildung von Tumorzellen. Die beiden Wege der Alterung sind dadurch, dass oxidativer Stress auch zu einer Verkürzung der Telomere führen kann, miteinander verbunden.<br /> Anders als bisher angenommen sind seneszente Zellen nicht inert, sondern bleiben metabolisch aktiv und sezernieren eine Vielzahl an proinflammatorischen Proteinen, was als «senescence-associated secretory phenotype» (SASP) bezeichnet wird. Daraus resultiert eine Entzündung, die ihrerseits die Seneszenz unterhält. Zudem bilden die seneszenten Zellen auch Sauerstoffradikale, welche den oxidativen Stress weiter erhöhen und auf diese Weise die Seneszenz vorantreiben. Die Akkumulierung von seneszenten Zellen und der SASP-induzierte proinflammatorische Zustand spielen bei vielen altersbedingten Veränderungen eine zentrale Rolle. So offenbar auch bei der COPD. Im peripheren Lungengewebe von COPD-Patienten finden sich viele Anzeichen einer Seneszenz, wie z.B. die vermehrte Expression von p21, Erhöhung diverser proinflammatorischer Proteine und verkürzte Telomere.<sup>2</sup> «Wir haben bisher gedacht, dass die Entzündung die COPD verursacht, aber es ist wohl eher so, dass die COPD über die SASP-Antwort eine Entzündung verursacht », folgerte Barnes.<br /> Normalerweise wird der Alterungsprozess von vielen endogenen Anti-Aging-Molekülen gebremst. Die am besten beschriebenen Moleküle sind die Sirtuine (SIRT) 1 und 6. Dies sind Proteindeacetylasen, welche für zelluläre Reparaturmechanismen, die zelluläre Stressresistenz und die Genomstabilität eine zentrale Rolle spielen. Alle Anti-Aging-Moleküle werden aber durch oxidativen Stress, wie er z.B. bei COPD durch Rauchen und andere Schadstoffe ausgelöst wird, vermindert. Über verschiedene Mechanismen führt die Abnahme von SIRT1 und SIRT6 bei COPD, aber auch bei anderen Krankheiten wie Alzheimer, Typ-2-Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen zu einer beschleunigten Seneszenz. Barnes und sein Forscherteam konnten zeigen, dass der oxidative Stress bei COPD-Patienten zur einer Erhöhung der microRNA-34a (miR-34a) führt, welche eine zentrale Rolle spielt für die verminderte Expression von SIRT1 und SIRT6 in den Epithelzellen.<sup>3</sup> Und sie haben auch gezeigt, dass die Hemmung von miR-34a durch ein Antagomir zu einer Normalisierung von SIRT1 und SIRT6 führt. «Die miR-34a stellt somit ein potenzielles therapeutisches Angriffsziel dar und bietet sich auch als Biomarker bei COPD und anderen Krankheiten an, die durch oxidativen Stress angetrieben werden », schloss Barnes.</p> <h2>Entzündungsmechanismen bei COPD</h2> <p>Die chronische Entzündung bei COPD betrifft vorwiegend das periphere Lungenparenchym und die peripheren Luftwege und ist charakterisiert durch eine Erhöhung der alveolaren Makrophagen, Neutrophilen und T-Lymphozyten. Je mehr dieser Entzündungszellen vorhanden sind und je höher die Zytokine, Proteasen und andere Entzündungsmediatoren sind, je ausgeprägter also die Entzündung ist, desto schwerer ist die COPD.<sup>4</sup> Bei COPD wirken inhalative Reizstoffe, meistens Zigarettenrauch, auf Epithelzellen und Makrophagen ein, sodass es einerseits zu einer Freisetzung von Wachstumsfaktor TGF-β kommt, der durch Aktivierung der Fibroblasten eine Fibrosierung der kleinen Luftwege induziert. Andererseits nehmen aufgrund der von den Makrophagen ausgeschütteten chemotaktischen Faktoren die Neutrophilen und Monozyten in der Lunge zu. Dadurch werden vermehrt Proteasen produziert, die die Alveolarwände zerstören und zu einer Hypersekretion von Schleim führen.<sup>5</sup> Dadurch, dass bei COPD andere Immunzellen aktiviert werden und andere Entzündungsmediatoren eine zentrale Rolle spielen als bei Asthma, führt die Entzündung bei COPD zu einem anderen Krankheitsbild als bei Asthma. Versuche, auf verschiedenen Ebenen der Entzündungskaskade therapeutisch einzugreifen, waren bisher wenig erfolgreich. «Anders als bei Asthma konnte man bei COPD auch mit Inhibitoren, die ein einzelnes Zytokin blockieren, noch keinen therapeutischen Durchbruch erzielen. Wahrscheinlich müssen mehrere Zytokine gleichzeitig blockiert werden», berichtete Prof. Maria Belvisi vom National Heart and Lung Institute am Imperial College in London.<br /> Bei COPD spielen IL-1β und IL-18 eine zentrale Rolle. Belvisi und ihre Kollegen vermuten, dass diese beiden Zytokine über eine steroidresistente Entzündungskaskade induziert werden.<sup>6</sup> Verschiedene Versuche sprechen laut Belvisi dafür, dass es bei COPD durch Zigarettenrauch zu einer ATP-abhängigen Aktivierung des P2X7-Rezeptors und des sog. Inflammasoms, eines zytosolischen Proteinkomplexes in Makrophagen und Neutrophilen, kommt, wodurch die Entzündungsreaktion ausgelöst wird (Abb. 1).<sup>6</sup> In Tiermodellen konnte durch Blockierung des P2X7-Rezeptors die Entzündungskaskade gestoppt werden, weshalb dieser ein attraktives therapeutisches Angriffsziel sein könnte.<sup>6</sup><br /> «Wir könnten aber auch weiter oben in der Kaskade eingreifen, nämlich bei der durch Zigarettenrauch induzierten Ausschüttung von ATP», so Belvisi. «Das extrazelluläre ATP ist in der Lunge von COPD-Patienten stark erhöht, und wir glauben, dass es in der Pathophysiologie dieser Erkrankung eine zentrale Rolle spielt.»<sup>7</sup> Belvisi und Kollegen konnten zeigen, dass bei der durch Zigarettenrauch ausgelösten Ausschüttung von ATP unter anderem TRP(«transient receptor potential »)-Kanäle, insbesondere TRPV4, involviert sind. Über die TRPV4-ATP-Achse wird neben dem P2X7-Rezeptor/Inflammasom auch der P2X3-Rezeptor in den sensorischen Nerven der Atemwege aktiviert, was einen Hustenreiz auslöst.<sup>7, 8</sup> Und über die gleiche Achse kann auch der P2X4-Rezeptor in den Mastzellen aktiviert und somit eine IgE-unabhängige Bronchokonstriktion ausgelöst werden (Abb. 2). «Diese Erkenntnisse sprechen dafür, dass TRPV4 ein ideales therapeutisches Angriffsziel wäre», schloss Belvisi.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1704_Weblinks_lo_innere_1704_s17_abb1+2.jpg" alt="" width="1419" height="2000" /></p> <h2>Asthma-COPD-Overlap – Phantom oder Realität?</h2> <p>Bereits über 60 Jahre hinweg wird darüber debattiert, ob es das sog. Asthma- COPD-Overlap-Syndrom (ACOS) überhaupt gibt. Obwohl in den letzten Jahren einige Publikationen darüber erschienen sind und GINA und GOLD 2015 eine gemeinsame Leitlinie erarbeitet haben, gibt es im Hinblick auf Definition, Diagnostik und Therapieempfehlungen noch keinen Konsens. Während die sog. «holländische Hypothese» in den 1960er-Jahren dafür plädierte, dass Asthma und COPD zwei unterschiedliche Formen derselben Erkrankung seien, vertraten britische und amerikanische Forscher vehement die Meinung, dass Asthma und COPD zwei verschiedene Krankheiten mit unterschiedlichem Pathomechanismus seien (britische Hypothese).<sup>5, 9</sup> Fakt ist, dass es Patienten gibt, die Merkmale sowohl von COPD als auch von Asthma aufweisen. «Diese Patienten zeigen jedoch kein einheitliches klinisches Bild und sollten in verschiedene Phänotypen unterteilt werden, da sie von unterschiedlichen Behandlungen profitieren könnten», erklärte Prof. Daiana Stolz, Leitende Ärztin Pneumologie, Universitätsspital Basel.<sup>9</sup> Die drei wichtigsten Phänotypen sind:<sup>9</sup></p> <ol> <li>COPD-Patienten mit erhöhten Eosinophilen, die auf Steroide oder spezifische antieosinophile Therapien ansprechen könnten.</li> <li>Asthmatiker mit einer schweren Erkrankung oder Asthmatiker, die rauchen und eine vorwiegend neutrophile Entzündung aufweisen.</li> <li>Asthmatiker mit einer weitgehend irreversiblen Atemwegsobstruktion mit oder ohne vermehrte Entzündung.</li> </ol> <p>Damit nicht der Eindruck entsteht, ACOS sei eine eigenständige Krankheit, hat Peter Barnes vorgeschlagen, nur von Asthma- COPD-Overlap (ACO) zu sprechen und nicht von einem Syndrom.<sup>10</sup> Man geht davon aus, dass 10–20 % der COPD-Patienten auch Asthmamerkmale zeigen. Unter den Asthmapatienten dürfte der Anteil an Patienten mit ACO gemäss Barnes etwas höher sein, da viele Asthmatiker rauchen.<sup>10</sup><br /> Über die diagnostischen Kriterien für ACO besteht noch keine Einigkeit. GINA und GOLD schlagen beispielsweise vor, anhand eines Fragebogens die typischen Symptome und Befunde von Asthma und COPD durchzugehen. Werden für beide Krankheiten mindestens drei Fragen positiv beantwortet, sollte ein ACO in Betracht gezogen werden.<sup>11</sup> «Hilfreich können die ‹5 Gebote für die Diagnose von ACO› sein, die Marc Miravitlles kürzlich in einem Editorial vorgestellt hat», so Stolz. Diese lauten:<sup>12</sup></p> <ol> <li>Ein Patient mit Asthma kann eine nicht vollständig reversible Atemwegsobstruktion entwickeln, aber das ist nicht COPD und auch nicht ACO; das ist obstruktives Asthma.</li> <li>Ein Patient mit Asthma, der raucht, kann ebenfalls eine nicht vollständig reversible Atemwegsobstruktion entwickeln, die sich von obstruktivem Asthma und «reiner» COPD unterscheidet. Dies ist wahrscheinlich die häufigste Variante eines Patienten mit ACO.</li> <li>Gewisse Raucher, die eine COPD entwickeln, könnten einen genetischen Th2-Hintergrund haben (auch ohne Asthmaanamnese) und werden anhand einer Hypereosinophilie identifiziert. Diese Patienten können dem Oberbegriff ACO zugeordnet werden.</li> <li>Ein COPD-Patient mit einem positiven Bronchodilatator-Test (>200ml und >12 % FEV<sub>1</sub>-Unterschied) hat eine reversible COPD, aber kein Asthma und auch kein ACO.</li> <li>Ein COPD-Patient mit einem stark positiven Bronchodilatator-Test (>400ml FEV<sub>1</sub>-Unterschied) hat eher Merkmale von Asthma und kann als Patient mit ACO klassifiziert werden.</li> </ol> <p>«Ist dies nur eine semantische Diskussion oder ergeben sich daraus auch therapeutische Konsequenzen?», fragte Stolz. «Tatsächlich gibt es Hinweise, dass gewisse ACO-Patienten von inhalativen Steroiden (ICS) und möglicherweise auch von Biologika profitieren.»<sup>9, 13</sup> GINA und GOLD empfehlen, bei Patienten mit möglichem ACO mit einer Asthmatherapie inklusive eines ICS zu beginnen. Miravitlles et al. haben vor Kurzem einen einfachen Algorithmus vorgeschlagen, um diejenigen COPD-Patienten zu identifizieren, die von ICS profitieren könnten (Abb. 3).<sup>14</sup> «Zusammenfassend kann man sagen, dass es Asthma-COPD-Overlap gibt, sogar ziemlich häufig, dass es aber noch keinen Konsens bezüglich der Definition gibt. Für die Behandlung gilt einstweilen ein personalisierter Ansatz», schloss Stolz.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1704_Weblinks_lo_innere_1704_s18_abb3.jpg" alt="" width="686" height="1294" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Gemeinsamer Kongress von SGP und CHEST, 7.–9. Juni
2017, Basel
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Ito K, Barnes PJ: COPD as a disease of accelerated lung aging. Chest 2009; 135: 173-80 <strong>2</strong> Mercado N et al.: Accelerated ageing of the lung in COPD: new concepts. Thorax 2015; 70: 482-9 <strong>3</strong> Baker JR et al.: Oxidative stress dependent microRNA-34a activation via PI3Kα reduces the expression of sirtuin-1 and sirtuin-6 in epithelial cells. Sci Rep 2016; 6: 35871 <strong>4</strong> Barnes PJ: Inflammatory mechanisms in patients with chronic obstructive pulmonary disease. J Allergy Clin Immunol 2016; 138: 16-27 <strong>5</strong> Barnes PJ: Immunology of asthma and chronic obstructive pulmonary disease. Nat Rev Immunol 2008; 8: 183-92 <strong>6</strong> Eltom S et al.: P2X7 receptor and caspase 1 activation are central to airway inflammation observed after exposure to tobacco smoke. PLoS One 2011; 6: e24097 <strong>7</strong> Baxter M et al.: Role of transient receptor potential and pannexin channels in cigarette smoke-triggered ATP release in the lung. Thorax 2014; 69: 1080-9 <strong>8</strong> Bonvini SJ et al.: Transient receptor potential cation channel, subfamily V, member 4 and airway sensory afferent activation: Role of adenosine triphosphate. J Allergy Clin Immunol 2016; 138: 249-61 <strong>9</strong> Barnes PJ: Therapeutic approaches to asthma-chronic obstructive pulmonary disease overlap syndromes. J Allergy Clin Immunol 2015; 136: 531-45 <strong>10</strong> Barnes PJ: Asthma- COPD Overlap. Chest 2016; 149: 7-8 <strong>11</strong> GINA, GOLD: Diagnosis of disease of chronic airflow limitation: asthma, COPD and Asthma-COPD-Overlap Syndrome (ACOS). Update 2015 <strong>12</strong> Miravitlles M: Diagnosis of asthma-COPD overlap: the five commandments. Eur Respir J 2017; 49: pii: 1700506 <strong>13</strong> Maltby S et al.: Omalizumab treatment response in a population with severe allergic asthma and overlapping COPD. Chest 2017; 151: 78-89 <strong>14</strong> Miravitlles M et al.: Algorithm for identification of asthma-COPD overlap: consensus between the Spanish COPD and asthma guidelines. Eur Respir J 2017; 49: pii: 1700068</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Wenig genützte Chance: COPD-Therapie abseits der Medikamente
Neben der medikamentösen Behandlung spielen im Management der COPD nicht-medikamentöse Maßnahmen eine wichtige Rolle. Dies betrifft vor allem die pulmonale Rehabilitation, die ...
Gewebeschädigung: Proteasen bahnen der Allergie den Weg
Warum entwickeln manche Menschen Allergien und andere nicht? Viele Aspekte dieser Frage sind nach wie vor ungeklärt. Auf der klinischen Seite zeigt sich zunehmend, dass die Behandlung ...