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Diagnostik und Therapie: pulmonale Hypertension im Kindesalter
Jatros
Autor:
Prof. Dr. Dietmar Schranz
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Kinderkardiologie<br> Universitätsklinikum Frankfurt am Main<br> E-Mail: dietmar.schranz@kgu.de
30
Min. Lesezeit
16.05.2019
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<p class="article-intro">Neugeborene haben eine physiologische Druckerhöhung im kleinen Kreislauf (pulmonale Hypertension, PH). Eine postnatal verzögerte oder ausbleibende Adaptation der Lungenzirkulation von einem Hoch- zum Niederdrucksystem wird als persistierende pulmonale Hypertension des Neugeborenen (PPHN) bezeichnet.<sup>1</sup></p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die Ursachen der PPHN sind vielfältig. Ein entscheidender Unterschied zur pulmonalarteriellen Hypertension (PAH) älterer Kinder oder Erwachsener ist eine noch bestehende, physiologische Kommunikation auf Vorhofebene und der Ebene der großen Gefäße. Die atriale und/oder arterielle Kommunikation sind signifikante Überlebensfaktoren; ein Rechts-Links- Shunt auf Vorhofebene (offenes Foramen ovale, PFO) und/oder Gefäßebene (Ductus arteriosus, DA) kann nämlich auf Kosten einer systemischen Zyanose ein ausreichendes Herzzeitvolumen im Körperkreislauf gewährleisten. <br />Bestimmte Herzfehler mit unterentwickelten linksseitigen Herzstrukturen und DA-abhängigem systemischem Blutfluss bedürfen sogar zum Überleben einer PH mit einem pulmonalen Gefäßwiderstand (Rp), der über dem des systemischen (Rs) liegt; eine postnatale Fehlbehandlung mit Senkung des Rp führt zu einem „low cardiac output“ (LCO) und kardiogenem Schock. Die Aufrechterhaltung einer Parallelschaltung beider Kreisläufe mit Links- Rechts-Shunt auf Vorhofebene und einem Rechts-Links-Shunt auf DA-Ebene ist eine lebensnotwendige Palliation für Patienten mit DA-abhängigen Herzfehlern.<sup>2 </sup></p> <h2>Die Ursache, nicht die Druckwerte, bestimmt die Prognose</h2> <p>Basierend auf den Erfahrungen mit angeborenen Herzfehlern (AHF) entwickelten wir neue Therapiekonzepte bei den verschiedenen Formen einer PH im Kindes- und jungen Erwachsenenalter, vor allem für Patienten, die als „end-stage“ klassifiziert und bei denen medikamentöse, aber auch operative Therapien versagten oder zum aktuellen Zeitpunkt nicht durchführbar waren.<sup>3</sup> Die Konzepte jenseits einer medikamentösen Behandlung ließen darüber hinaus pathophysiologisch basierte Differenzierungen zwischen den Möglichkeiten einer Herztransplantation (HTx), Lungen- (LTx) bzw. Herz-Lungen-Transplantation (HLTx) zu.<sup>3, 4</sup> Davon profitierten vor allem Kinder und Jugendliche mit Linksherz-bedingter „combined postcapillary induced“ PH (CpcPH). Das Konzept der Schaffung einer restriktiven Vorhofkommunikation (rASD) vor der diagnostischen Entscheidungsfindung zwischen HTx und HLTx ist nahezu mandatorisch.<sup>5</sup> <br />Generell sollten pulmonale Gefäßerkrankungen nicht nach dem Ausmaß der pulmonalarteriellen Druckwerte beurteilt werden, sondern nach der Ursache. Dies ist ebenfalls eine Erkenntnis, die von der unterschiedlichen Reversibilität und damit Prognose AHF gewonnen wurde.<sup>6, 7</sup> AHF mit „Shear“-stress bedingter PH und damit assoziierten hohen Sauerstoffgehaltswerten in den Pulmonalarterien induzieren bevorzugt eine Intimaproliferation, passive Stauungen durch linksseitige Herzstrukturerkrankungen (Mitralstenose, „borderline left ventricle“, LV-Restriktion) sind gewöhnlich mit einer Hypertrophie der Gefäßmedia assoziiert mit im Vergleich hohem Reversibilitätspotenzial.</p> <h2>Individuelle Therapiestrategien notwendig</h2> <p>Die derzeitigen Kenntnisse der sehr heterogenen Krankheitsbilder mit konsekutiver PH legen eine personalisierte, entsprechend differenzierte Therapiestrategie nahe. Eine umfassende Diagnostik ist mandatorisch. Eine isolierte Lungenvenenobstruktion oder andere kardiovaskuläre Fehlbildungen oder auch nur Fehlfunktionen sind dabei mittels CT oder einer Lungenbiopsie genauso auszuschließen wie Lungenparenchymerkrankungen. Nicht jeder Erwachsene mit AHF-assoziierter Zyanose hat eine Eisenmenger-Reaktion. Eine idiopathische pulmonalarterielle Hypertension (IPAH) mit vermeintlichem Sauerstoffbedarf muss so lange suspekt bleiben, bis die Ursache des Sauerstoffbedarfs geklärt ist. Daher sind die in „Leitlinien“ aufgeführten Allgemeinmaßnahmen im Therapiealgorithmus einer IPAH, etwa eine Antikoagulationsoder zumindest Antiaggregations-Behandlung, meist unstrittig. Der Bedarf von Sauerstoff oder von Diuretika ist jedoch äußerst kritisch zu hinterfragen.6 Eine niedrig dosierte Spironolacton(S)-Therapie in nicht diuretischer Dosierung gehört hingegen als Standardtherapie oder als Prophylaxe einer Gefäß- oder Myokardfibrose in unseren Therapiealgorithmus (Abb. 1). <br />Zielgerichtete, nicht nur PAHspezifische, medikamentöse Therapien und operativ-interventionelle Strategien komplettieren den Therapiealgorithmus im Kindesalter (Abb. 1). An erster Stelle stehen Ursachen-verhindernde oder -beseitigende Behandlungsformen. Dazu gehören neue Therapieoptionen wie „Treat-and-close“-Konzepte angeborener Herzfehler, d. h. Shuntvitien. Diese werden in weniger entwickelten Ländern viel öfter erfolgreich durchgeführt als in westlichen Ländern mit der möglichen Chance, aber auch dem zum Teil zu schnellen Fokus auf Organersatzverfahren bei vermeintlicher Inoperabilität.</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1902_Weblinks_jatros_pneumo_1902_s17_abb1_schranz.jpg" alt="" width="800" height="645" /></p> <p> </p> <h2>Ursachen und Therapie der PH</h2> <p>Das Symptom „pulmonale Hypertension“ (PH) hat vielfältige Ursachen und damit unterschiedliche Pathophysiologien. Didaktisch lassen sich Erkrankungen mit einer pulmonalarteriellen Hypertension (PAH) von denen einer „combined post-capillary PH“ (CpcPH) und einer isolierten postkapillären PH (IpcPH) unterscheiden.<br /> Eine CpcPH besteht meist in Assoziation einer Herzinsuffizienz mit erhaltener linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFpEF), während eine IpcPH bei einer Herzinsuffizienz mit reduzierter EF (HFrEF) auftritt. <br />Die medikamentösen und chirurgischinterventionellen Therapieverfahren unterscheiden sich entsprechend der Ursachen einer PH.<sup>6, 8</sup> Der therapeutische Fokus bei einer PAH richtet sich auf die Beeinflussung der rechtsventrikulären Nachlast, falls möglich im Sinne einer Vasodilatation oder eines Re-Remodeling einer Lungengefäßerkrankung, darüber hinaus auf die Vermeidung oder Therapie einer Rechtsherzinsuffizienz bzw. die Gewährleistung eines ausreichenden systemischen „cardiac output“. <br />Eine akute Testung der pulmonalen Gefäßreagibilität (AVT) gehört zum diagnostischen Routineprogramm.<sup>7</sup> Je früher die Kinder mit einer PAH klinisch auffallen, desto häufiger zeigen sie eine vasodilatative Antwort auf inhalative Test-Substanzen und damit die Chance zur oralen vasodilatativen, Kalzium-antagonistischen Therapie (CCB). Da bei diesen Kindern auch der Nachweis einer residualen Endothelfunktion besteht (pulmonale Flussreserve durch segmentale Acetylcholin-Applikation), bietet sich oftmals eine zusätzliche PDE-5-Inhibitor-Therapie an.<sup>9</sup> Der Einsatz eines PDE-5-Inhibitors kann in einer viermaligen Gabe von Sildenafil oder der einoder zweimaligen Applikation des länger wirksamen Tadalafil bestehen. Bedeutsam ist die Verhinderung von pulmonalvaskulären „Rebound“-Reaktionen, entsprechend pulmonalen Gefäßkrisen. Das heißt auch, dass sich eine Endothelin-B-Rezeptor- Blockade beim Nachweis einer residualen Aktivität der endothelialen NO-Synthase (e-Nos) verbietet.<sup>9</sup> <br />Bei Non-Respondern im AVT scheint hingegen eine meist frühzeitige Blockade aller derzeit beeinflussbaren „anti-remodeling pathways“ sinnvoll, allerdings auch unter Beachtung negativer medikamentöser Interaktionen.<sup>10</sup> Die Indikation zur Mehrfachbehandlung sollte aber auch entsprechend der NYHA-Funktionsklasse, dem Belastungsindex (Gehstrecke < 400 m) erfolgen. Spironolacton (S) in nicht diuretischer Dosierung gehört trotz fehlender Evidenz zum „Anti-Fibrose“-Konzept von pulmonaler Gefäßbelastung und gestresstem rechtem Ventrikel (RV). <br />Nicht die Höhe des PA-Druckes, sondern die Funktion des RV und die Kompetenz der Trikuspidalklappe definieren zusammen mit dem diastolischen Mitraleinstrom die Funktionsklasse des Patienten. Daraus ergibt sich auch die Bedeutung der optimalen, die diastolische Füllung berücksichtigenden Herzfrequenz. <br />Typischerweise zeigen Kinder Synkopen (zerebrale Ischämien) infolge oder gerade bei guter RV- und TV-Funktion, wenn bei Belastungsansprüchen die pulmonalarteriellen Drücke weit über Systemniveau ansteigen und eine adäquate linksventrikuläre Vorlast (Füllung) fehlt (Koronarischämie)! Solche Anamnesen sind oftmals als epileptische Krampfanfälle fehlinterpretiert. Sie sind eine klare Indikation zur Schaffung eines restriktiven Vorhofseptumdefektes (rASD). Keine medikamentöse Therapie scheint derzeit so effizient wie ein Rechts-Links-Shunt bei Bedarf mittels eines rASD.<sup>11</sup> Die Indikation zur Kreation eines rASD unterscheidet sich fast diametral von der Synkopen-Behandlung infolge Rechtsherzversagens mit Trikuspidalklappeninsuffizienz, erhöhten Systemvenendrücken und chronischem LCO. <br />Die leitlinienkonforme Kontraindikation zur Atrioseptostomie bei zentralvenösen Drücken über 20 mm Hg resultiert wahrscheinlich aus der zu gering berücksichtigten Notwendigkeit zur Schaffung einer extrem restriktiven Vorhofkommunikation! Eine Fenestrierung von 3–4 mm ist bei solch hohen rechtsatrialen Drucken (entsprechend einem „Fontan failure“) oftmals ausreichend. Sie führt effizient zur systemvenösen Entlastung, aber Steigerung des systemischen „cardiac output“, ohne eine nicht tolerable Zyanose zu provozieren. Größere Vorhofdefekte werden nicht toleriert und können fatal sein.<sup>11</sup> Liegt ein Rechtsherzversagen mit assoziierter diastolischer LV-Dysfunktion vor, so ist eine arterielle Kommunikation im Sinne eines Reverse- Potts-Shunt einer Atrioseptostomie überlegen.<sup>12</sup> Der rechte Ventrikel wird entlastet, der systemische „cardiac output“ erhöht, ohne dass eine Zyanose der Koronar- und Zerebralgefäße auftritt. Der mittels Katheter oder chirurgisch angelegte arterielle Rechts-Links-Shunt (rPotts) bleibt allerdings wie eine Lungentransplantation eine Palliation.<sup>13, 14</sup> Die Frage der besseren und längeren Lebenserwartung ist zur Zeit offen. <br />Eine Lungentransplantation steht natürlich außer Frage bei allen dekompensierenden Lungenerkrankungen, bei denen sie aufgrund von Luftnot (= zunehmender Bedarf an Sauerstoff) indiziert ist. Dazu zählen Mukoviszidose, „pulmonary veno-occlusive disease“ (PVOD) und interstitielle Hämangiomatose. Die betroffenen Patienten haben nach einer LTx meist erstmalig ein Leben ohne Sauerstoffnot. Die Dauer einer solchen (LTx) Palliativmaßnahme ist dabei zuerst einmal zweitrangig. <br />Die therapeutischen Algorithmen bei pädiatrischer PH in Assoziation mit Linksherzerkrankungen (CpcPH oder IpcPH) würden den Rahmen des Artikels sprengen und werden nicht weiter ausgeführt. Es wird auf einige Publikationen (3, 8, 15, 16, 17) verwiesen.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Cerro MJ et al.: A consensus approach to the classification of pediatric pulmonary hypertensive vascular disease: report from the PVRI Pediatric Taskforce, Panama 2011. Pulm Circ 2011; 1: 286-98 <strong>2</strong> Schranz D et al.: Fifteenyear single center experience with the "Giessen Hybrid" approach for hypoplastic left heart and variants: current strategies and outcomes. Pediatr Cardiol 2015; 36: 365- 73 <strong>3</strong> Schranz D et al.: "End-stage" heart failure therapy: from pulmonary artery banding and interatrial communication to parallel circulation. Heart 2017; 103: 262-7 <strong>4</strong> Latus H et al.: Hemodynamic evaluation of children with persistent or recurrent pulmonary arterial hypertension following complete repair of congenital heart disease. Pediatr Cardiol 2017; 38: 1342-9 <strong>5</strong> Bauer A et al.: Creation of a restrictive atrial communication in heart failure with preserved and mid-range ejection fraction: effective palliation of left atrial hypertension and pulmonary congestion. Clin Res Cardiol 2018; 107: 845-57 <strong>6</strong> Latus H et al.: Treatment of pulmonary arterial hypertension in children. Nat Rev Cardiol 2015; 12: 244-54 <strong>7</strong> Apitz C et al.: Haemodynamic assessment and acute pulmonary vasoreactivity testing in the evaluation of children with pulmonary vascular disease. Expert consensus statement on the diagnosis and treatment of paediatric pulmonary hypertension - the European Pediatric Pulmonary Vascular Disease Network, endorsed by ISHLT and DGPK. Heart 2016; 102(Suppl 2): ii23-9 <strong>8</strong> Schranz D, Voelkel N: Nihilism of chronic heart failure therapy in children and why effective therapy is withheld. Eur J Pediatr 2016; 175: 445-55 <strong>9</strong> Apitz C et al.: Assessment of pulmonary endothelial function during invasive testing in children and adolescents with idiopathic pulmonary arterial hypertension. J Am Coll Cardiol 2012; 60: 157-64 <strong>10</strong> Apitz C, Schranz D: Sildenafil-bosentan drug-drug interaction - a word of caution regarding the most common combination therapy in children with advanced pulmonary arterial hypertension. Respiration 2018; 96: 302 <strong>11</strong> Bauer A et al.: Creation of a restrictive atrial communication in pulmonary arterial hypertension (PAH): effective palliation of syncope and endstage heart failure. Pulmonary Circulation 2018; 8: 1-9 <strong>12</strong> Delhaas T et al.: Potts shunt to be preferred above atrial septostomy in pediatric pulmonary arterial hypertension patients: a modeling study. Front Physiol 2018; 9: 1252-55 <strong>13</strong> Latus H et al.: Creation of a functional Potts shunt by stenting the persistent arterial duct in newborns and infants with suprasystemic pulmonary hypertension of various etiologies. J Heart Lung Transplant 2014; 33: 542-6 <strong>14</strong> Schranz D et al.: Transcatheter creation of a reverse Potts shunt in a patient with severe pulmonary arterial hypertension associated with Moyamoya syndrome. EuroIntervention 2015; 11: 121 <strong>15</strong> Schranz D et al.: Pulmonary artery banding for functional regeneration of endstage dilated cardiomyopathy in young children: World Network Report. Circulation 2018; 137: 1410-2 <strong>16</strong> Bauer A et al.: Transcatheter left atrial decompression in patients with dilated cardiomyopathy: bridging to cardiac transplantation or recovery. Cardiol Young 2019; 29: 355-62 <strong>17</strong> Recla S et al.: Pediatric heart failure therapy: why ß1- receptor blocker, tissue ACE-I and spironolactone? Transl Pediatr 2019; review process</p>
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