
Der Einfluss von Luftverschmutzung auf Pollenallergiker
Autor:
Dr. Markus Berger
Forschungsgruppe Aerobiologie und Polleninformation
HNO-Klinik,
Medizinische Universität Wien
E-Mail: markus.berger@meduniwien.ac.at
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In den letzten Jahrzehnten rückte die Pollenallergie mehr und mehr in die Aufmerksamkeit der Bevölkerung. Das Erkennen eines „simplen Heuschnupfens“ bedarf heute einer differenzierten Allergiediagnostik, es braucht Behandlungsmöglichkeiten sowie Vermeidungsstrategien, die laufend weiterentwickelt werden. Heutzutage leiden Pollenallergiker unter längeren Saisonen und potenziell stärker allergenen Pollen. Globale Erwärmung und Luftverschmutzung spielen eine zentrale Rolle für die Interaktion zwischen Mensch und Pollen und führen so zu längeren Belastungszeiten unter stärkeren Symptomen. Neue Forschungsergebnisse der Medizinischen Universität Wien zeigen, dass Ozon der relevanteste Luftschadstoff für Pollenallergiker ist.
Keypoints
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Sowohl die globale Erwärmung als auch die Luftverschmutzung haben Einfluss auf Pollenallergiker, da sie die Saisonlänge ausdehnen und die Allergenität der Pollen steigern.
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Die bedeutensten gesundheitschädigenden Luftschadstoffe sind Feinstaub, Stickstoffdioxid (NO2), Schwefeldioxid (SO2) und Ozon (O3).
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Eine erhöhte Ozonkonzentration verstärkt die Symptome einer allergischen Rhinitis bei Pollenallergikern in der Birken-, Gräser- und Ragweedsaison.
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Ozon wird vom Pollenwarndienst in personalisierte Vorhersagemodelle für Allergiker miteinbezogen.
In vielen Ländern der Welt steigt die Prävalenz von Pollenallergie an.1 Laut Studien leiden zwischen 10 und 30% der erwachsenen Bevölkerung an allergischer Rhinitis.2 Das bedeutet, dass weltweit ca. 400Millionen Menschen von einer allergischen Rhinitis betroffen sind.2 Somit muss nicht nur ein immer größer werdender Teil der Bevölkerung mit Einschränkungen in der Lebensqualität kämpfen, dies hat auch beträchtliche Folgen für das Gesundheitssystem und die Wirtschaft: Schätzungen zufolge belaufen sich die direkten und indirekten Kosten einer unbehandelten Allergie auf 2400€ pro Jahr in der Europäischen Union (EU).3 Viele Wissenschaftler betrachten die Luftverschmutzung als einen wichtigen Faktor für diese Entwicklung.4
Globale Erwärmung und Luftverschmutzung
Das Thema globale Erwärmung und Luftverschmutzungist schon seit einigen Jahren zentraler Bestandteil der Nachrichten und der Politik. Trotz kontinuierlicher Bemühungen kämpft der Planet mit steigenden Temperaturen und Luftverschmutzung. Für Pollenallergiker sind beide Aspekte von großer Bedeutung.
Globale Erwärmung beeinflusst Pollenproduktion und Saisonlänge. Die Annahme, dass Pollenallergien nur im Hochsommer relevant sind, ist schon lange veraltet. Allgemeine Aussagen über die Verlängerung der einzelnen Pollensaisonen können nicht getätigt werden. Trotzdem verlängert sich im Schnitt für viele Pollenallergiker die Belastungszeit, dies wird auch durch die Ausbreitung von Neophyten, wie Ragweed, beeinflusst. Heutzutage ist es nicht mehr unüblich, dass Belastungen für manche Allergiker schon Mitte Dezember beginnen und (vor allem im Osten Österreichs) erst im Oktober enden (Abb.1). Somit findet man in 10 von 12 Monaten im Jahr relevante Mengen an Aeroallergenen.
Der zweitwichtigste Faktor ist die Luftverschmutzung. Viele Studien haben schon belegt, dass sie in hohen Konzentrationen, unabhängig von Vorerkrankungen, gesundheitsschädlich ist. Erhöhte Konzentrationeneinzelner Luftschadstoffe können allerdings auch einen Einfluss auf Pollenproduktion und Allergenität haben. Im Folgenden werden die wichtigsten Luftschadstoffe in Österreich und ihr Einfluss erklärt:
Feinstaub
Feinstaub wird in zwei wichtige Kategorien geteilt: PM10 („particulate matter“) ist Feinstaub unter einer Größe von 10μm. Ein Großteil von PM10 wird bereits in den oberen Atemwegen abgefangen. PM2,5 ist Feinstaub mit einer Größe unter 2,5μm. Dieser gelangt tief in die unteren Atemwege und ist somit auch gesundheitsschädlicher. Feinstaub entsteht beispielsweise durch Verbrennungsprozesse bei Öl- oder Holzheizungen oder durch Abrieb (Bremsen, Reifen). Feinstaub hat vor allem Einfluss auf das kardiopulmonale System und auf die Mortalität von Lungenkrebs.5
Stickstoffdioxid (NO2)
NO2 entsteht bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen (Autoabgase) und kann Asthmasymptome verstärken.6 Zusätzlich wurde auch festgestellt, dass NO2 die Allergenität von Pollen erhöhen kann.7
Schwefeldioxid (SO2)
SO2 entsteht ebenso bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen und verursacht Entzündungsprozesse in den Atemwegen.8 Ein möglicher Einfluss auf die Allergenität von Pollen wird diskutiert.9
Ozon (O3)
Ozon existiert auf der Erde in zwei Bereichen der Atmosphäre. In der Stratosphäre schützt Ozon vor UV-Strahlung. In der Troposphäre, dem Lebensbereich des Menschen, wirkt Ozon als Treibhausgas und interagiert mit Menschen. Der Großteil des troposphärischen Ozons in Großstädten wird durch Sonnenlicht und Autoabgase gebildet. Bei diesem Prozess reagiert UV-Strahlung mit Stickstoffoxiden zu Ozon. Erhöhte Ozonkonzentrationen führen zu einer verminderten Lungenfunktion und steigern bei Exposition über einen längeren Zeitraum das Risiko, an einer lungenassoziierten Erkrankung zu sterben.10,11 Ozon interagiert mit Pollen und erhöht deren Allergenität. Einzelne Ozonmoleküle können auf Pollen „haften“ bleiben und so ebenfalls in die Atemwege gelangen.12
Anhand eineraktuellen Studie wird ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Luftschadstoffen und deren Wirkung auf Pflanzen und Menschen hergestellt.
Die Rolle von Ozon
Eine neue Studie hat untersucht, welchen Einfluss die einzelnen Luftqualitätsparameter auf Pollenallergiker im Alltag haben.13 Hierfür wurden die Luftqualitätsdaten von Wien für O3, PM10, PM2,5, NO2 und SO2 mit den Symptomdaten aus dem digitalen Pollentagebuch (Pollentagebuch.at) des Österreichischen Pollenwarndienstes aus den Jahren 2010 bis 2018 verglichen. In diesem Zeitraum wurden die Pollentagebucheinträge der Birken-, Gräser- und Ragweedsaison verwendet. Das Ergebnis zeigte, dass eine erhöhte Ozonkonzentration die Symptome einer allergischen Rhinitis bei Pollenallergikern in der Birken-, Gräser- und Ragweedsaison verstärkte. In einer zweiten Berechnung wurden Temperatur und Luftfeuchtigkeit miteinbezogen: Hier führte Ozon zu verstärkten Symptomen bei Gräserpollenallergikern.
Diesbedeutet jedoch nicht, dass die anderen Luftschadstoffe für Pollenallergiker ungefährlich sind. In Wien überschreiten NO2- und SO2-Konzentrationen nur sehr selten den Grenzwert. Bei Feinstaub ist dies weitaus öfter der Fall. Die Konzentrationsspitzen werden allerdings im Winter gemessen, somit außerhalb der drei analysierten Pollensaisonen.
Ausblick
Diese Informationen werden verwendet, um die Prävention für Pollenallergiker weiter zu verbessern. Der Österreichische Pollenwarndienst hat Ozon bereits in das personalisierte Vorhersagemodell miteinbezogen. Allergiker sollten über Ozon informiert werden, um so die Alltags- und Urlaubsplanung adaptieren zu können.
Fazit
Die Auswirkungen von globaler Erwärmung und Luftverschmutzung sind jetzt schon spürbar. Besonders für Pollenallergiker ist die Situation problematisch, da Luftverschmutzung sowohl mit dem Körper als auch mit Pflanzen interagiert (Abb.2). Während der Pollensaisonen führt vor allem Ozon zu einer höheren Symptomlast. Daher sollte Ozon in Vorhersagemodelle implementiert und in Informationen für Pollenallergiker integriert werden. Zukünftig könnten weitere Analysen in anderen Großstädten mit höheren Luftschadstoffkonzentrationen dazu beitragen, die Interaktion zwischen Luftverschmutzung und Pollenallergien noch besser zu verstehen.
Abb. 2: Interaktion globale Erwärmung und Luftverschmutzung mit Mensch und Pflanze (Quelle: Bastl K, Berger M 2021)14
Literatur:
1 D’Amato G et al.: Meteorological conditions, climate change, new emerging factors, and asthma and related allergic disorders. A statement of the world allergy organization. World Allergy Organ J 2015; 8(1): 25 2 Pawankar R et al. (eds.): World Allergy Organization (WAO) White Book on Allergy: Update 2013.Zuletzt aufgerufen unter https://www.worldallergy.org/UserFiles/file/WhiteBook2-2013-v8.pdf am 19.05.2021 3 Zuberbier T et al.: Economic burden of inadequate management of allergic diseases in the european union: a GA(2) LEN review. Allergy 2014; 69(10): 1275-9 4 D’Amato G et al.: The role of outdoor air pollution and climatic changes on the rising trends in respiratory allergy. Respir Med 2001; 95(7): 606-11 5 Cohen AJ et al.: The global burden of disease due to outdoor air pollution. J Toxicol Environ Health A. 2005; 68(13-14): 1301-7 6 D’Amato M et al.: News on climate change, air pollution, and allergic triggers of asthma. J Investig Allergol Clin Immunol 2018; 28(2): 91-7 7 Frank U, Ernst D: Effects of NO2 and ozone on pollen allergenicity. Front Plant Sci 2016; 7(2): 2-5 8 Liu L et al.: Acute effects of air pollution on pulmonary function, airway inflammation, and oxidative stress in asthmatic children. Environ Health Perspect 2009; 117(4): 668-74 9 Rogerieux F et al.: Modifications of phleum pratense grass pollen allergens (O3, NO2, SO2). Int Arch Allergy Immunol 2007; 143(2): 127-34 10 Rice MB et al.: Short-term exposure to air pollution and lung function in the framingham heart study. Am J Respir Crit Care Med 2013; 188(11): 1351-7 11 Jerrett M et al.: Long-term ozone exposure and mortality. N Engl J Med 2009; 360(11): 1085-95 12 Zhu C et al.: Uptake of ozone and modification of lipids in betula pendula pollen. Environ Pollut 2018; 242: 880-6 13 Berger M et al.: Impact of air pollution on symptom severity during the birch, grass and ragweed pollen period in vienna, sustria: Importance of O3 in 2010–2018. Environ Pollut 2020; 263: 114526r 14 Bastl K, BergerM: Pollen und Allergie. 2. Auflage. Wien: MANZ-Verlag, 2021
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