Fit für die OP: atemphysiotherapeutische Aspekte
MTDG – Kardiorespiratorische Therapie<br>Klinik Floridsdorf, Wien<br>E-Mail: daniela.bruckmueller@gesundheitsverbund.at
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Nicht nur die Rehabilitation nach operativen Eingriffen, auch die Prähabilitation – also Maßnahmen, die vor einer Operation ergriffen werden können, um die Leistungsfähigkeit zu steigern – hat positive Auswirkungen auf das postoperative Outcome. Die Verbesserung der respiratorischen bzw. kardiorespiratorischen Ausgangssituation wirkt sich günstig auf die Komplikations- und Mortalitätsraten aus.
Keypoints
-
Prähabilitation steigert die kardiorespiratorische Leistungsfähigkeit und bereitet Patienten auf einen elektiven chirurgischen Eingriff vor.
-
Kardiorespiratorische Leistungstests vervollständigen eine präoperative Risikostratifizierung.
-
Ausdauertraining, Krafttraining, Atemmuskeltraining und Atemphysiotherapie sind essenzielle Bestandteile der Prähabilitation.
-
Prähabilitation senkt das postoperative Komplikationsrisiko und die postoperative Mortalitätsrate.
Fortschritte bei diagnostischen Verfahren, chirurgischen Technologien und perioperativer Versorgung haben die Sicherheit und das funktionelle Outcome nach chirurgischen Resektionen verbessert. Umgekehrt werden bei Patienten mit eingeschränkter präoperativer Funktionsfähigkeit postoperativ schlechtere Ergebnisse beobachtet. In den letzten Jahren wird der Fokus vermehrt nun auch auf den präoperativen Bereich gelegt. Prähabilitation hat das Ziel, die respiratorische Ausgangssituation zu verbessern und die präoperative körperliche Leistungsfähigkeit zu optimieren – Patienten fit für die OP zu machen.
Die kardiorespiratorische Leistungsfähigkeit ist ein starker, unabhängiger Faktor für das Risiko für kardiovaskuläre Morbidität und ebenso ein Prädiktor für das postoperative Mortalitätsrisiko. Schon geringe Verbesserungen zeigen einen deutlichen Einfluss auf das postoperative Outcome. Ein um auch nur ein MET (metabolisches Äquivalent) erhöhtes Fitnesslevel ist assoziiert mit einer beträchtlichen Verbesserung des Überlebens um 10–25%. Es ist bereit evident, dass die Verbesserung der präoperativen kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit zu einer Reduktion postoperativer pulmonaler Komplikationen führt – vor allem die Inzidenz postoperativer Pneumonien und Atelektasen ist signifikant geringer. Eine verkürzte Krankenhausaufenthaltsdauer, sowohl im Intensivsetting als auch auf den Normalbettenstationen, und die damit verbundene Senkung der Spitalsausgaben sind wichtige gesundheitsökonomische Aspekte.
Und so wurde in den 2018 veröffentlichten Guidelines der European Society of Thoracic Surgeons und der Gesellschaft für „enhanced recovery after surgery“ eine starke Empfehlung für Prähabilitation ausgesprochen.
Vor allem profitieren davon natürlich Patienten mit einer verschlechterten respiratorischen Ausgangssituation und einer reduzierten körperlichen Leistungsfähigkeit. Genau diese Patienten haben ein höheres Risiko, durch den geplanten chirurgischen Eingriff unter ein Minimum der funktionellen kardiorespiratorischen Leistungsfähigkeit zu fallen. Das Risiko für die Entstehung postoperativer pulmonaler Komplikationen ist zwischen dem 1. und 4. postoperativen Tag am größten. Für diese entscheidende Phase ist es ausschlaggebend, auf welchem präoperativen Niveau sich der Patient befunden hat (Abb.1). Die optimale Selektion und die Einteilung der Patienten, welche von einer Prähabilitation profitieren und welche Personen keine präoperative Vorbereitung benötigen, sind somit die ersten wesentlichen Schritte der Prähabilitation.
Abb. 1: Konzeptionelles Modell der Prähabilitation (modifiziert nach Banugo P, Amoako D: BJA Education 2017; 17[12]: 401-5)
Präoperative Evaluierung
Nach der kardiovaskulären und Lungenfunktionsdiagnostik sind kardiorespiratorische Leistungstests wichtige Entscheidungshilfen. Die maximale Sauerstoffaufnahmekapazität – die VO2max – gilt als der wichtigste Parameter und als direktes Maß für die Trainingskapazität. Eine VO2max über 20ml/kg/min oder über 75% ist ein Prädiktor für ein geringes postoperatives Risiko. Ein hohes Risiko für postoperative Komplikationen und erhöhte postoperative Mortalität ist vor allem bei Personen mit einer VO2max unter 10ml/kg/min bzw. unter 35% zu sehen.
Ein weiterer in der präoperativen Evaluation eingesetzter kardiorespiratorischer Leistungstest ist der Stair Climbing Test. Mehrere Arbeiten zeigten bereits die Wirksamkeit dieses Tests zur Vorhersage schwerwiegender kardiopulmonaler Komplikationen. Hierbei zählt die geschaffte Aufstiegshöhe – Patienten, die weniger als zwölf Meter erreichten, weisen eine zweifach höhere Komplikationsrate und eine 13-fach erhöhte Mortalitätsrate auf.
Der Shuttle Walk Test sollte zur präoperativen Risikostratifizierung nicht alleine als kardiorespiratorischer Leistungstest eingesetzt werden. In der Literatur angegeben korreliert eine erreichte Gehstrecke von unter 400 Metern mit einem VO2max-Wert unter 15ml/kg/min und zählt damit zu einem moderaten bzw. hohen Risiko.
Der 6 Minute Walking Test ist ein valides diagnostisches Mittel in der Pneumologie. Für den Einsatz in der präoperativen Risikoeinschätzung konnten bis jetzt keine eindeutigen Ergebnisse gezeigt werden. Somit wurde bis jetzt keine Empfehlung für die Durchführung im präoperativen Setting ausgesprochen. In Abbildung2 ist ein Algorithmus zur präoperativen Entscheidungsfindung und Risikoeinschätzung dargestellt.
Abb. 2: Algorithmus zur funktionellen Patientenselektion (modifiziert nach Li TC et al.: J Cancer Res Pract 2017; 4[3]: 89-94)
Inhalte der Prähabilitation
Zu den wesentlichen Punkten der präoperativen Leistungssteigerung zählen Ausdauertraining, Krafttraining als auch Atemmuskeltraining:
Für das Ausdauertraining wird eine wöchentliche Trainingszeit von 150 Minuten empfohlen. Die Belastungsintensität richtet sich nach der BORG-Skala (0–10): 3–6 an der BORG-Skala für moderate und 7 und darüber für eine starke Intensität. Die gewählten Aktivitäten sind an den Patienten anzupassen, sollten zu den Bewegungsgewohnheiten und Möglichkeiten passen und natürlich sicher durchgeführt werden können.
Ein präoperatives Krafttraining sollte für alle großen Muskelgruppen jeden zweiten Tag mit 70% des One-Repetition-Maximums mit 8–12 Wiederholungen pro Muskelgruppe durchgeführt werden (Abb.3).
Abb. 3: Körperliche Aktivität und Trainingsziele in der präoperativen Phase (modifiziert nach Carli F et al.: Acta Oncol 2017; 56[2]: 128-33)
Für das präoperative Atemmuskeltraining wird ein zweimal tägliches Training mit je 30 Wiederholungen und der Intensität von 60% des maximalen inspiratorischen Druckes empfohlen.
Zusätzlich sollte jeder Patient präoperative physiotherapeutische Schulungen erhalten. Dabei geht es um die Aufklärung und Beratung in Bezug auf die postoperative Versorgung. Hierbei ist das Ziel, dass Patienten die Auswirkung der Anästhesie, der Operation und der Schmerzen auf das respiratorische System verstehen.
Als weiterer wichtiger Punkt steht im präoperativen Setting das Vorbereiten und Erlernen der postoperativen respiratorischen Maßnahmen im Vordergrund. Atemvertiefung und Volumenerhöhung z.B. mit einem „incentive“ Spirometer oder auch „deep breathing exercises“ sind bewährt und tragen zur Verbesserung der Ventilation und Atemmechanik, also auch zur Verbesserung der Lungenfunktion, bei. Außerdem können diese auch von Patienten unter ausreichend Anleitung selbstständig durchgeführt werden.
Sekretmobilisation ist vor allem bei bestehender Sekretproblematik, wie bei COPD-Patienten, als auch zur Vorbereitung auf die postoperative Situation unabdingbar und muss zusammen mit einer effektiven und schmerzreduzierten Hustentechnik unbedingt präoperativ erlernt werden.
Evidenz
Die in der Literatur angegebenen Prähabilitationszeiträume reichen von zwei Wochen – was eine sehr kurze Phase der Prähabilitation darstellt und natürlich auch weniger Output bieten kann – bis zu 12 Wochen. Die durchschnittliche zur Verfügung stehende Zeit für die kardiorespiratorische Leistungssteigerung beträgt zwischen 4 und 8 Wochen.
In diesem Zeitraum kann die maximale Sauerstoffaufnahmekapazität im Schnitt um 2,4ml/kg/min gesteigert werden. Diese Zunahme kann das Risiko für postoperative Komplikationen und Mortalität von hoch auf moderat herabsetzen. Eine Verbesserung ist vor allem auch von der Adhärenz der Patientinnen und Patienten abhängig. Bei Einhaltung von 80% oder mehr der geplanten Therapieeinheiten zeigen sich die größten Verbesserungen – auch bei einer relativ kurzen Prähabilitationsdauer von 4–6 Wochen. Eine verlängerte Gehstrecke im 6 Minute Walking Test ist ein weiterer Output der präoperativen kardiorespiratorischen Leitungssteigerung. Auch die Inzidenz postoperativer pulmonaler Komplikationen sinkt um bis zu 67% durch Prähabilitation. Die Krankenhausaufenthaltsdauer reduziert sich im Durchschnitt um 4,24 Tage und führt dadurch zu einer wesentlichen Reduktion der Spitalsausgaben. Für Patienten selbst sind die postoperativ verbesserte Belastungstoleranz und die dadurch mögliche frühere Rückkehr zur Arbeit ebenfalls wichtige Punkte. Und natürlich nicht zu vergessen – als wesentliche Auswirkung der Verbesserung präoperativer Leistungsfähigkeit – eine Reduktion der postoperativen Mortalitätsrate.
Ausblick
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine wie eben beschriebene umfangreiche Prähabilitation zu einer Verbesserung der respiratorischen Ausgangssituation sowie zu einer Optimierung und Steigerung der kardiorespiratorischen Leistungsfähigkeit führt und für Patienten sicher ist. Es ist wünschenswert, auch in Österreich Prähabilitationsprogramme nach internationalem Vorbild zu etablieren.
Literatur:
bei der Verfasserin
Das könnte Sie auch interessieren:
CROI 2024: „Long-acting“-Konzepte im Fokus der Forschung
Bereits zum 31. Mal fand mit der Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections eine der wichtigsten Konferenzen im HIV-Bereich statt. Von 3. bis 6.März 2024 kamen ca. 4000 ...
Einsatz von künstlicher Intelligenz im Bereich E-Mental-Health
Künstliche Intelligenz wird bei E-Mental-Health-Maßnahmen aktuell nur vereinzelt genutzt – ihr Potenzial ist allerdings groß und vielversprechend. Nicht nur für Fachpersonal, sondern vor ...