
Asthmatherapie auf dem Weg zur Individualisierung
Bericht:
Reno Barth
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Mit den mittlerweile zahlreichen verfügbaren Biologika für die Therapie des schweren Asthma bronchiale steigt der Bedarf nach Individualisierung der Therapie. Den Weg zum geeigneten Biologikum weist eine Phänotypisierung der Erkrankung anhand von Biomarkern. Diese gewinnt auch bei leichterem Asthma an Bedeutung.
Die Global Initiative for Asthma (GINA) gibt in ihren Leitlinien für das personalisierte Asthmamanagement bei Erwachsenen und Jugendlichen ab dem 12. Lebensjahr einen stufenweisen Zugang zur Asthmamedikation über zwei mögliche „Tracks“ vor:
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In Track 1 (Controller und empfohlener Reliever) wird zunächst eine reine Bedarfstherapie mit einem inhalativen Kortikosteroid (ICS) und dem langwirksamen Beta-2-Agonisten (LABA) Formoterol empfohlen. Auf Stufe 1 (den früheren Stufen 1 und 2 entsprechend) ist keine Erhaltungstherapie vorgesehen (=AIR). Ab der Stufe 3 werden ICS und Formoterol sowohl als Erhaltungstherapie als auch bei Bedarf verabreicht (=[S]MART). Die ICS-Dosis wird mit der Stufe gesteigert. Kurzwirksame Beta-2-Agonisten (SABA) spielen in Track 1 keine Rolle mehr.
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Im Track 2 (Controller und alternativer Reliever) kommen nach wie vor SABA (immer in Kombination mit ICS) zum Einsatz. Auf Stufe 1 soll ein ICS mit jedem Hub des „Relievers“ (SABA) inhaliert werden, auf Stufe 2 wird das ICS als Erhaltungstherapie verwendet. SABA sind in allen Stufen des Track 2 bei Bedarf erlaubt.1
Prof. Dr. Guy Brusselle von der Abteilung für respiratorische Medizin am Universitätsspital in Ghent weist darauf hin, dass Track 1 der Vorzug zu geben sei, da SABA keinen Einfluss auf die dem Asthma zugrundeliegende Entzündung der Atemwege haben und daher als reine Symptomtherapie gewertet werden müssen. GINA empfiehlt weiter, den Therapieerfolg anhand von Symptomen, Lungenfunktion und Exazerbationen zu kontrollieren und bei Bedarf die Therapie anzupassen. Brusselle weist jedoch darauf hin, dass in diesem Schema der klinische und der immunologische Phänotyp der Atemwegsinflammation fehlen.
Phänotypisierung als Bestandteil der Asthmadiagnostik
Ein Leitfaden für die Planung einer Asthmatherapie wurde kürzlich als sogenanntes A2BCD-Schema publiziert.2 Brusselle unterstreicht, dass die Intention dieser Strategie über die Asthmakontrolle hinausgehe und auf Remission abziele. Diese sei heute ein realistisches Ziel, da man über krankheitsmodifizierende Asthmamedikamente („disease modifying antiasthmatic drugs“; DMAAD) verfüge. Die vier Komponenten des A2BCD-Schemas bedeuten:
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A2 („dual assessment“): duale Bewertung (Diagnose – Phänotyp, Asthmakontrolle – Risiko)
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B („basic measures“): grundlegende Maßnahmen wie Aufklärung, Selbstmanagement, körperliche Aktivität, Allergenkarenz
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C („comorbidities“): Komorbiditäten wie Adipositas, Schlafapnoesyndrom, chronische Rhinosinusitis
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D (DMAAD): Phänotyp-spezifische, individuelle, zielgerichtete Behandlung mit DMAAD
Entscheidend für die Wahl einer zielgerichteten Behandlung mit DMAAD ist die Phänotypisierung der Inflammation. Die wichtigste Unterscheidung wird dabei zwischen T2-high- und T2-low-Asthma getroffen. T2-high-Asthma ist assoziiert mit einem vermehrten Auftreten eosinophiler Granulozyten (assoziiert mit systemisch erhöhtem IL-5) und/oder erhöhtem fraktioniertem exhaliertem Stickstoffmonoxid (FeNO), einem Marker für die Präsenz von IL-13 in den Atemwegen. Brusselle: „Ist nur eines der für T2-high-Asthma typischen Zytokine erhöht, so fällt die betroffene Person in die Gruppe des Typ-2-hohen Asthmas. Sind beide Marker auch bei wiederholten Messungen niedrig, so handelt es sich um T2-low-Asthma.“ Das hat wichtige Konsequenzen für die Praxis, denn aktuell stehen für die Behandlung des T2-high-Asthmas mehrere Biologika für eine zielgerichtete Therapie zur Verfügung, während bei T2-low-Asthma die Optionen sehr begrenzt sind und die Betroffenen selbst auf Steroide schlecht ansprechen.
Inflammation bestimmt das Exazerbationsrisiko
Eine Differenzierung zwischen T2-high- und T2-low-Asthma ist auch im Hinblick auf die Abschätzung des Exazerbationsrisikos von Bedeutung. Eine relativ rezente Studie untersuchte Risikofaktoren für Exazerbationen und identifizierte zunächst die klassischen Prädiktoren Exazerbationen in der Anamnese, schlechte Symptomkontrolle und schlechte Lungenfunktion, darüber hinaus jedoch auch Typ-2-Inflammation. Bei einem Eosinophilenspiegel im Blut über 300 Zellen/µl und einem FeNO über 50ppb war das Exazerbationsrisiko im Vergleich zu Patienten mit einem Eosinophilenspiegel unter 150 Zellen/µl und einem FeNO unter 25ppb unabhängig von anderen Risikofaktoren um das Vierfache erhöht.3 Diese Überlegungen werden beispielsweise durch Analysen des Placebo-Arms der Zulassungsstudien des Anti-TSLP-Biologikums Tezepelumab gestützt, die zeigen, dass die Exazerbationsrate mit den Eosinophilen und mit dem FeNO ansteigt.4
Für die Behandlung des schweren Asthmas stehen mittlerweile mehrere Biologika zur Verfügung. Ein Algorithmus für die Wahl einer geeigneten Therapie im klinischen Alltag wurde im vergangenen Jahr publiziert.5 Empfohlen wird, vor allem bei schwerem Asthma die Wahl des Biologikums anhand der Eosinophilenzahl sowie des Bedarfs nach oralen Glukokortikoiden zu treffen. Nehmen Patienten keine oralen Steroide, so sollte bei einer Eosinophilenzahl jenseits der 1500 Zellen pro Mikroliter nach Ausschluss einer Parasiteninfektion oder einer hämatologischen Erkrankung ein Antikörper gegen IL-5 oder den IL-5-Rezeptor (Reslizumab, Mepolizumab; Benralizumab) eingesetzt werden. Bei einer Eosinophilenzahl zwischen 150 und 1500 Zellen/µl können alle in der Indikation schweres Asthma bronchiale zugelassenen Biologika gegeben werden. Im konkreten Fall soll die Wahl nach klinischen Kriterien und Komorbiditäten erfolgen. Omalizumab richtet sich gegen IgE und ist daher bei schwerem allergischem Asthma und insbesondere bei Asthma mit Beginn in der Kindheit indiziert. Liegt die Eosinophilenzahl unter 150, wird die Wahl des Biologikums anhand des FeNO sowie anhand der Frage nach einer möglichen Allergie entschieden. Das gegen den Rezeptor für IL-4 und IL-13 gerichtete Dupilumab ist in einer breiten Population von Patienten mit nicht-allergischem, unkontrolliertem, schwerem Asthma angezeigt. Lediglich bei einer Eosinophilenzahl unter 150 war Dupilumab in den Zulassungsstudien nicht mehr wirksam. Für den Einsatz von Dupilumab spricht ein hohes FeNO bei fehlender Allergie.
Sind sowohl die Eosinophilenzahl als auch FeNO niedrig, so stellt der erst kürzlich zugelassene und gegen das Alarmin TSLP („thymic stromal lymphopoietin“) gerichtete Antikörper Tezepelumab die einzige Option dar. In den Zulassungsstudien führte Tezepelumab bei Patienten mit schwerem, unkontrolliertem Asthma zu einer Reduktion der Zahl der Exazerbationen um rund 50 Prozent. Die Wirkung war unabhängig von IgE und bei hohen Eosinophilenzahlen und/oder hohem FeNO besser. Eine Reduktion von Exazerbationen wurde allerdings in allen Patientengruppen, auch bei den niedrigsten Eosinophilenzahlen, festgestellt.4 Im zuvor beschriebenen Algorithmus wird Tezepelumab bei allen Formen von schwerem Asthma mit Ausnahme des hochgradig eosinophilen Phänotyps (mehr als 1500 Eos) empfohlen.
In der Praxis zu beachten ist auch, dass Steroide das Biomarker-Profil verändern und eine Eosinophilie verschleiern können. Bleiben Patienten unter Therapie mit systemischen Steroiden schwer symptomatisch, so muss die Biologika-verschreibung anhand der historischen Evidenz aus der Zeit vor Verschreibung der systemischen Steroide erfolgen. Gelingt es nicht, eine Reduktion der Exazerbationen um mindestens 50 Prozent sowie eine Reduktion der oralen Glukokortikoiddosis um mindestens 50 Prozent zu erreichen, so sollen (Differenzial-)Diagnose und Adhärenz hinterfragt und allenfalls sollte ein anderes Biologikum versucht werden.
Phänotypisierung auch beim leichten oder moderaten Asthma?
Diese Empfehlungen gelten für schweres Asthma. Ob und wie weit eine Phänotypisierung auch bei Patienten mit moderatem oder sogar leichtem Asthma hilfreich sein kann, steht in Diskussion, so Brusselle, und er weist in diesem Zusammenhang auf die bereits vor mehr als einem Jahrzehnt getroffene Unterscheidung zwischen konkordantem und diskordantem Asthma hin. Konkordant bedeutet, dass Inflammation und Exazerbationsrisiko mit den Symptomen zunehmen. Diskordantes Asthma liegt vor, wenn entweder bei geringer Inflammation die Symptomlast hoch ist oder wenn bei geringen Symptomen eine ausgeprägte eosinophile Entzündung besteht.6 In solchen Fällen kann es beispielsweise indiziert sein, auch bei leichter Symptomatik die ICS-Dosis zu erhöhen, so Brusselle. Im Gegensatz zu den ICS beeinflussen SABA die Inflammation der Atemwege nicht. Aus diesem Grund können SABA-Monotherapien auch bei leichter Symptomatik gefährlich sein und werden generell nicht mehr empfohlen. Eine ICS-Monotherapie wäre bei Patienten mit wenig Symptomen und ausgeprägter Entzündung durchaus sinnvoll, wird jedoch in der Regel von den Patienten nicht eingehalten, weshalb sich GINA für die Empfehlung für ICS-Formoterol entschieden hat. Als zusätzliche Bedarfstherapie reduziert ICS-Formoterol im Vergleich zu SABA die Exazerbationsrate – vor allem bei Patienten mit höherer Eosinophilenzahl.
Brusselle betont allerdings, dass auch die optimale Erhaltungstherapie vom Asthmaphänotyp abhängt. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in den GINA-Empfehlungen wieder, die beispielsweise bei Patienten, die unter ICS/LAMA nicht ausreichend kontrolliert sind, die Wahl zwischen einer Erhöhung der ICS-Dosis und dem Umstieg auf ICS/LABA/LAMA offenlassen.1
Quelle:
„Is stepwise medication adjustment really the only way to manage asthma?”, Vortrag im Rahmen der European Respiratory Society (ERS) Satellites 2023, virtuell am 2. März 2023
Literatur:
1 Global Initiative for Asthma (GINA): www.ginasthma.org; zuletzt aufgerufen am 21.4.2023 2 Lommatzsch M et al.: Lancet Respir Med 2023; S2213-2600(22)00490-8 3 Couillard S et al.: Thorax 2022; 77(2): 199-202 4 Menzies-Gow A et al.: N Engl J Med 2021; 384(19): 1800-9 5 Brusselle GG, Koppelman GH: N Engl J Med 2022; 386(2): 157-71 6 Haldar P et al.: Am J Respir Crit Care Med 2008; 178(3): 218-24
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