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Asthma: Mehr Aufklärung tut not!
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10.05.2018
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<p class="article-intro">Neue Erkenntnisse über die Pathomechanismen, bessere Behandlungsmöglichkeiten: Im Bereich Asthma hat sich viel getan. Doch bisher ist nur wenig von dem Wissen auch bei den Betroffenen angekommen. Die kürzlich lancierte Informationskampagne ist ein erster Schritt, um das zu ändern.</p>
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<p class="article-content"><p>Die Wissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten viel Wissen über Asthma generiert und damit grosse Fortschritte in der Behandlung ermöglicht. Asthma ist heute ein Überbegriff für verschiedene Phänotypen der Atemwegserkrankung, deren charakteristische Zeichen eine chronische bronchiale Inflammation und variable Bronchokonstriktion sind.<br /> Trotz der Unterschiede bei der Krankheitsentstehung kann die Mehrzahl der Betroffenen mit der üblichen Basistherapie mit inhalierbaren Steroiden (ICS) gegebenenfalls in Kombination mit lang wirksamen Beta-2-Agonisten (LABA) und der bedarfsweisen Therapie mit kurz wirksamen Beta-2-Agonisten (SABA) gut behandelt werden. Die Medikamente werden gemäss GINA-Guidelines stufenweise an die Symptome der Erkrankung angepasst und bei unzureichender Asthmakontrolle z.B. durch eine Behandlung mit Leukotrien-Antagonisten und Tiotropium ergänzt.<sup>1</sup> In Fällen von unkontrolliertem schwerem Asthma kann abhängig vom zugrunde liegenden Phänotyp (schweres allergisches oder nicht allergisches eosinophiles Asthma) eine Behandlung mit Biologika wie dem Anti-IgE-Antikörper Omalizumab oder den Anti-IL-5-Antikörpern Reslizumab oder Mepolizumab erwogen werden. Mit dem Anti-IL-5-Rezeptorantagonisten Benralizumab sollte in absehbarer Zeit ein weiterer Antikörper für die Asthmabehandlung in der Schweiz zugelassen werden. Eine Add-on-Therapie mit Biologika wird empfohlen, wenn sich mit einer hoch dosierten Inhalationstherapie keine genügende Asthmakontrolle erzielen lässt. Damit sollen auch der Langzeiteinsatz oraler Glukokortikosteroide und die bekannten Nebenwirkungen einer solchen Behandlung vermieden werden.</p> <h2>Mangelnde Therapietreue und fehlerhafte Inhalationstechniken</h2> <p>Obwohl das Wissen über Asthma in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat, sind die Fortschritte auf Patientenebene ausgeblieben: Sowohl nationale wie auch internationale Untersuchungen zeigen, dass bei rund der Hälfte der untersuchten Personen das Asthma nicht ausreichend kontrolliert ist.<sup>2–4</sup> Eine gute Krankheitskontrolle fand sich nur bei ca. 30–40 % der untersuchten Patienten.<br /> Die Ursachen, die zu einer ungenügenden Asthmakontrolle führen, sind vielfältig. Wie die Ergebnisse einer kürzlich durchgeführten, repräsentativen Befragung bei Personen mit oder ohne Asthma in der Schweiz zeigen, ist das Wissen über Asthma ungenügend. So betrachteten beispielsweise 45 % der direkt Betroffenen ihr Asthma nicht als chronische Erkrankung, sondern eher als Beschwerde und ca. 60 % gaben an, ihr Asthma nicht mit Medikamenten zu behandeln.<sup>5</sup><br /> «Medikamente, die nicht oder falsch angewendet werden, können nicht wirken », sagte Prof. Dr. med. Claudia Steurer- Stey, Zürich, am Medienevent der Publikumskampagne «Erdmission Asthma», die kürzlich auf Initiative von AstraZeneca und mit Unterstützung des Institutes für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention (EBPI) der Universität Zürich und «Lunge Zürich» lanciert wurde. Mit dieser Aussage zielte die Spezialistin auf zwei häufige Phänomene in der Asthmabehandlung ab: die ungenügende Therapietreue und den fehlerhaften Umgang mit den Inhalationsgeräten.<br /> «Die Therapietreue ist bei chronisch kranken Menschen generell schlecht», erklärte Steurer-Stey. Bei Asthma kommt erschwerend hinzu, dass die Erkrankung nicht zu jeder Zeit spürbar ist, auch wenn die zugrunde liegende Pathologie weiterhin vorhanden ist.<br /> «Eine häufige Beobachtung ist, dass die Patienten ihre Medikamente nur dann einnehmen, wenn Beschwerden auftreten, und sie weglassen, wenn sie das Gefühl haben, sie seien unnötig», schreiben die Autoren eines kürzlich im «European Respiratory Journal» erschienenen Review- Artikels, in dem sie die Probleme der Asthmabehandlung analysieren.<sup>6</sup> Eine weitere Beobachtung ist, dass viele Patienten bei Zunahme ihrer Beschwerden vermehrt zu ihren Bedarfsmedikamenten greifen, aber nur selten die Dosis ihrer Basistherapie mit ICS erhöhen, obwohl es sich bei Asthma um eine chronisch-entzündliche Atemwegserkrankung handelt. Wie die Autoren schreiben, birgt die rein symptomatische Behandlung mit SABA verschiedene Risiken. Dazu gehören eine Überdosierung mit Bedarfsmedikamenten und der verzögerte Einsatz entzündungshemmender Basismedikamente mit der Gefahr von potenziell lebensbedrohlichen Exazerbationen.<br /> Die Beobachtungen der Autoren decken sich mit den Erfahrungen von Prof. Steurer- Stey: «An diesem Verhalten zeigen sich die Wissenslücken hinsichtlich der chronisch- entzündlichen Erkrankung und das ungenügende Verständnis für die nachgewiesenen Vorteile einer Basistherapie», so die Spezialistin.</p> <h2>Kombinationspräparate verhindern eine rein symptomatische Behandlung</h2> <p>Um einer solchen Fehlbehandlung vorzubeugen, schlagen die Autoren des Reviews vor, die Behandlungsempfehlungen anzupassen.<sup>6</sup> Demnach sollten Patienten mit einem milden Asthma (Stufe 1 und Stufe 2), die im vergangenen Jahr mehr als einen Asthmaanfall erlitten haben, anstelle der alleinigen Behandlung mit einem SABA mit einem Kombinationspräparat behandelt werden, das zusätzlich ein ICS enthält. Damit die Behandlung sowohl die Ansprüche einer Basis- als auch einer Bedarfstherapie erfüllt, empfehlen die Autoren einen Beta-2-Agonisten mit einem schnellen Wirkungseintritt und einer anhaltenden Wirkung, wie beispielsweise Formoterol.<br /> Auch Prof. Steurer-Stey unterstützt den Einsatz von Kombinationspräparaten: «Die Medikamente leisten einen sehr wichtigen Beitrag für eine bessere Asthmakontrolle, denn sie verhindern, dass mit der Behandlung quasi ‹Kosmetik› betrieben wird. Das bedeutet, der Patient kommt gar nicht erst in Versuchung, nur sein Notfallmedikament einzusetzen, dessen Wirkung er zwar spürt, das aber keinen Einfluss auf die Entzündung und damit auf die eigentliche Ursache des Problems hat.»</p> <p>Vielfach ungelöst bleiben die Probleme bei der Inhalation. Obwohl die Inhalatoren seit über 40 Jahren auf dem Markt sind, stellt die Inhalationstechnik eine anhaltende Fehlerquelle dar, wie ein systematischer Review zeigt.<sup>7</sup> Dieser hatte über zwei Zeitperioden, die ersten 20 Jahre nach der Einführung und die darauffolgenden 20 Jahre, die Inhalationstechniken analysiert und miteinander verglichen. Wie sich dabei zeigte, war die Inhalationstechnik bei 31 % der untersuchten Personen schlecht, bei 41 % akzeptabel und bei weiteren 31 % korrekt. An diesem Ergebnis änderte sich auch während der zweiten Zeitperiode nichts.</p> <h2>Angebote für ein erfolgreiches Asthmamanagement werden zu wenig genutzt</h2> <p>Um die Asthmakontrolle zu verbessern, sind verschiedene Massnahmen notwendig. «Damit die Betroffenen ihr Asthma als chronische, behandlungsbedürftige Erkrankung akzeptieren, braucht es in erster Linie mehr Wissen über die Natur der Erkrankung », sagte Steurer-Stey. Gleichzeitig sei es auch wichtig, sie dabei zu unterstützen, die Fertigkeiten zu erwerben, um ihre Erkrankung erfolgreich zu managen. «Die Instrumente und Hilfsmittel dafür sind vorhanden, das Angebot wird aber zu wenig genutzt.»<br /> Mit der Informationskampagne wurde ein erster Schritt in Richtung einer besseren Aufklärung getan. Dabei setzten die Initianten mit dem Comic «Erdmission Asthmakontrolle» auf eine neue Form der Ansprache. «Ein Comic vermittelt Wissen auf unterhaltsame Art und Weise», so Steurer-Stey. Zudem wolle man ein möglichst breites Publikum, vom Schulkind bis zum Erwachsenen, mit der Kampagne erreichen. «Ganz besonders am Herzen liegen uns Jugendliche und junge Erwachsene, die ihre Erkrankung oft verdrängen.»</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Medienanlass zur Publikumskampagne «Freier atmen,
freier leben: Erdmission Asthmakontrolle», 31. Januar
2018, Zürich
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<p><strong>1</strong> Global Initiative for Asthma, GINA Report. Global strategy for asthma management and prevention. Updated 2017. http://ginasthma.org/2017-gina-report-global-strategy- for-asthma-management-and-prevention/ <strong>2</strong> Price D et al.: Asthma control and management in 8,000 European patients: the REcognise Asthma and LInk to Symptoms and Experience (REALISE) survey. NPJ Prim Care Respir Med 2014; 24: 14009 <strong>3</strong> Partridge MR et al.: Attitudes and actions of asthma patients on regular maintenance therapy: the INSPIRE s tudy. BMC Pulm Med 2006; 6: 13 <strong>4</strong> Leuppi JD et al.: Asthma control in Switzerland: a general practitioner based survey. Curr Med Res Opin 2006; 22: 2159-66 <strong>5</strong> Institut für Marketing- und Sozialforschung Qualitest AG: Repräsentative Bevölkerungsumfrage zum Thema Asthma im Auftrag der AstraZeneca Schweiz AG. August 2017 <strong>6</strong> O’Byrne PM et al.: The paradoxes of asthma management: time for a new approach? Eur Respir J 2017; 50: 1701103 <strong>7</strong> Sanchis J et al.; Aerosol Drug Management Improvement Team (ADMIT): Systematic review of errors in inhaler use: has patient technique improved over time? Chest 2016; 150: 394-406</p>
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