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Die Rolle der additiven Kyphoplastie in der Stabilisierung thorakolumbaler Wirbelkörperfrakturen

Die dorsale bisegmentale Stabilisierung thorakolumbaler Frakturen erfolgt häufig perkutan mittels polyaxialer Pedikelschrauben. Nach gedeckter Reposition kann der frakturierte Wirbelkörper bzw. die vordere Säule mittels additiver Ballonkyphoplastie abgestützt werden. Ziel dieses zusätzlichen OP-Schrittes ist es, die vordere Säule zusätzlich zu unterstützen, um so die bestmögliche Wiederherstellung des sagittalen Profils zu gewährleisten. Ob die additive Zementaugmentation des frakturierten Wirbelkörpers die potenziellen biomechanischen Nachteile der polyaxialen Schrauben überwinden kann und somit das Nachsintern bzw. ein postoperativer Korrekturverlust verhindert wird, ist Gegenstand dieser Untersuchung.

Im Rahmen unserer retrospektiven Studie wurden in einem Zeitraum von 24 Monaten all jene Patienten im Alter von 16 bis 65 Jahren erfasst, welche mit rezenten traumatischen Wirbelkörperfrakturen (Typ A entsprechend der AO Spine Classification)1 des thorakolumbalen Überganges (T12–L3) dorsal bisegmental stabilisiert wurden.

Das klinische und radiologische Follow-up erfolgte nach frühestens 3 Monaten. Die radiologische Vermessung erfasste sowohl den lokalen und segmentalen Kyphosewinkel nach Cobb als auch die Wirbelkörperhöhe zu vier Zeitpunkten (präoperativ, postoperativ, 3 Monate postoperativ sowie gegebenenfalls auch vor Metallentfernung), ausgedrückt durch die VBCR („vertebral body compression rate“) und die AVBC („anterior vertebral body compression percentage“). Um ein möglichst homogenes Patientenkollektiv zu analysieren, kamen stringente Ein- und Ausschlusskriterien zur Anwendung, welchen 42 Patienten entsprachen (u.a. waren atraumatische Frakturen, mehrsegmentale Stabilisierungen, zementierte Schrauben und Revisionsoperationen ausgeschlossen).

Abb. 1: Vermessung des lokalen Kyphosewinkels (grüne Linie) bzw. des segmentalen Kyphosewinkels

Es erfolgte bei 12 Patienten eine bisegmentale dorsale Stabilisierung ohne additive Ballonkyphoplastie (BK) (Kontrollgruppe) sowie bei 30 Patienten eine dorsale Stabilisierung mit additiver BK (Studiengruppe), die Patienten hatten ein Durchschnittsalter von 44,6 bzw. 52,9 Jahren. Der lokale Kyphosewinkel ließ sich durch die additive BK (Studiengruppe) unmittelbar postoperativ um im Mittel 9,25° steigern (präoperativ: 12,6°±4,81° zu postoperativ: 3,35°±4,79°, p=0,001). Auch bei Patienten ohne BK (Kontrollgruppe) wurde eine signifikante Zunahme des lokalen Kyphosewinkels um 5,3° beobachtet (präoperativ: 9,95°±6,59° zu postoperativ: 4,65±2,15°, p=0,003). Im Rahmen des 3-Monats-Follow-ups hatte sich sowohl bei Patienten mit BK als auch bei jenen ohne BK der lokale Kyphosewinkel an die präoperativen Parameter angenähert (Studiengruppe: 10,5°±5,0° bzw. Kontrollgruppe: 9,15±4,91°). Ähnlich verhielten sich sowohl die VBCR als auch die AVBC. Es wurden keine zementassoziierten Komplikationen im Rahmen der additiven BK dokumentiert.

Die BK ist im Rahmen der dorsalen Stabilisierung thorakolumbaler Frakturen eine sichere Methode zur Aufrichtung von Wirbelkörperkompressionsfrakturen. Es wurde in beiden Gruppen eine signifikante Verbesserung des unmittelbar postoperativen vertebralen Kyphosewinkels beobachtet. Dennoch kam es trotz BK zu einem Korrekturverlust innerhalb des Beobachtungszeitraums von 3 Monaten.

Unsere retrospektive Analyse zeigt auf, dass die additive BK in Verwendung mit polyaxialen Schrauben zwar eine kurzfristige Reposition der vorderen Säule erlaubt, mittelfristig die Reposition jedoch nicht erhalten werden konnte. Im Rahmen einer größeren Studie sollte eine weiterführende Subgruppenanalyse der unterschiedlichen Frakturtypen, welche unter „Typ A“ entsprechend der AO Spine Classification zusammengefasst sind, erfolgen, um jene Frakturtypen zu identifizieren, welche von einer additiven BK eventuell tatsächlich profitieren.

Starlinger J et al.: Bisegmental posterior stabilisation of thoracolumbar fractures with polyaxial pedicle screws: does additional balloon kyphoplasty retain vertebral height? PLoS One 2020; 15(5): e0233240

1 Schnake KJ et al.: AOSpine classification systems (subaxial, thoracolumbar). J Orthop Trauma 2017; 31 Suppl 4: S14-23

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