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Update Lungenhochdruck

Was ist im Umgang mit Lungenhochdruckpatienten zu beachten?

<p class="article-intro">Bis zur Diagnose von pulmonalarteriellem Hochdruck vergeht immer noch viel wertvolle Zeit. Ein systematischer Diagnose-Algorithmus, individuell abgestimmte Kombinationstherapien und eine Krankheitsbegleitung, die auch die psychische Komponente berücksichtigt, tragen wesentlich zu einer besseren Prognose bei.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Eine fr&uuml;he Diagnose der pulmonalen Hypertonie verbessert die Prognose. Bei Krankheitsbeginn zeigen sich keine Symptome.</li> <li>Hochrisikopatienten: Screening 1x j&auml;hrlich</li> <li>Risikofaktoren: Sklerodermie, HIV-Infektion, portale Hypertension, Schistosomiasis, Drogen-/ Toxinkonsum, positive Familienanamnese, Schwangerschaft, H&ouml;henexposition</li> <li>Risikobeurteilung und individuell abgestimmte Kombinationstherapien lt. ESC/ERS Guidelines 2015</li> <li>Treprostinil: Die Verabreichung implantierbarer Pumpen ist wesentlich schonender f&uuml;r die Patienten &ndash; weniger Nebenwirkungen, mehr Komfort, bessere Compliance</li> <li>Psychische Belastung ber&uuml;cksichtigen, bei Bedarf Therapie!</li> <li>Enge interdisziplin&auml;re Zusammenarbeit gefordert!</li> </ul> </div> <p><em>Ich bin nicht mehr belastbar &ndash; jede kleinste Anstrengung bedeutet Atemnot&ldquo;, klagt die Patientin S. K. Die Laborchecks bei der 26-J&auml;hrigen, die zwei Schwangerschaften hinter sich hat, zeigen einen erh&ouml;hten NTpro BNP von 2785pg/dl. Im EKG finden sich deutliche Zeichen einer Rechtsherzbelastung mit einem P-Pulmonale und einem rechtsventrikul&auml;ren Strain (Abb. 1). Die Patientin kann im 6-Minuten-Gehtest (6 MWT) 356m bew&auml;ltigen.<br /><br /> In der Echokardiografie (Abb. 2) kann man anhand der Tricuspidalinsuffizienz die Druckwerte im kleinen Kreislauf einsch&auml;tzen. Es finden sich bei der Patientin Hinweise auf eine schwere Drucksteigerung im Lungenkreislauf mit systolischen PA-Werten von 80mmHg. Die Untersuchung mittels Rechtsherzkatheter (Swan-Ganz-Katheter) &uuml;ber den rechten Herzvorhof und die rechte Herzkammer in den Stamm der Arteria pulmonalis zeigt einen &bdquo;pulmonary capillary wedge pressure&ldquo; (PCW) von 5/2/3mmHg (normal: =15), einen erh&ouml;hten pulmonalarteriellen Druck von 77/33/&bdquo;mean&ldquo; 45mmHg (normaler PA &bdquo;mean&ldquo;: =25) und einen erh&ouml;hten mittleren RA-Druck von 8mmHg. Die Vasoreaktivit&auml;t ist negativ. Es findet sich ein deutlich erniedrigter Cardiac Index (CI) mit 1,47l/min/m&sup2; (normal: =2,5l/min/m&sup2;). Es errechnet sich ein pulmonalvaskul&auml;rer Widerstand von 16 Wood (normal: =3 Wood).</em><br /><br /> Laut WHO-Klassifikation unterscheiden wir PAH, PH bei Linksherzerkrankungen, bei Lungenerkrankungen, chronisch thromboembolische PH sowie PH mit unklaren oder multifaktoriellen Mechanismen.<sup>1</sup> Bei chronisch-thromboembolischer PH (CTEPH) ist die Thrombendarteriektomie die Therapie der ersten Wahl, eine weitere Option ist die Ballonangioplastie. Ist keine Operabilit&auml;t gegeben, so kann Riociguat als medikament&ouml;se Therapie verabreicht werden.<br /><br /> <em>Bei unserer Patientin S. K. stellen wir eine Drucksteigerung im kleinen Kreislauf fest. Folgen wir dem Diagnose-Algorithmus,<sup>2</sup> so ist vorab zu eruieren, ob eine durch Drogen bzw. Toxine induzierte PAH infrage kommt. K&ouml;nnen wir weiters eine Sklerodermie (CTD), eine HIV-Infektion, eine portale Hypertension und angeborene Herzfehler sowie Schistosomiasis als Ursachen f&uuml;r die PAH ausschlie&szlig;en, so bleiben die idiopathische PAH und die vererbliche (heritable) PAH als m&ouml;gliche Ursachen &uuml;brig. Da die Patientin berichtet, dass ihre Gro&szlig;mutter an den Symptomen einer PAH verstorben ist, gehen wir von einer heritablen PAH aus. Mutationen von BMPR2 best&auml;tigen unseren Verdacht.</em></p> <p><em><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s26_abb1.jpg" alt="" width="1087" height="617" /></em></p> <p><em><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s26_abb2.jpg" alt="" width="1089" height="617" /></em></p> <h2>Fr&uuml;he Diagnose &ndash; bessere Prognose</h2> <p>Untersuchungen einer franz&ouml;sischen Arbeitsgruppe<sup>3</sup> zeigen, dass von den ersten Symptomen einer PAH bis zur Diagnose im Durchschnitt 2,5 Jahre vergehen und 4,4 &Auml;rzte konsultiert werden. 80 % der Patienten sind im NYHA-Stadium III oder IV und weisen einen mMPAP von 50mmHg auf (entspricht ca. einem systolischen PAP von 80mmHg).<br /> Eine fr&uuml;he Diagnose verbessert die Prognose der Patienten ma&szlig;geblich und ist daher anzustreben &ndash; sie gestaltet sich jedoch schwierig, weil die Erkrankung im Anfangsstadium keine Symptome zeigt. Es empfiehlt sich daher bei Hochrisikopatienten &ndash; etwa solchen mit systemischer Sklerose oder Angeh&ouml;rigen ersten Grades von Patienten mit Lungenhochdruck (PAH) &ndash; ein j&auml;hrliches Screening. Mit Fortschreiten der Erkrankung zeigen sich eine zunehmende Belastungsdyspnoe, M&uuml;digkeit, Palpitationen, Thoraxschmerzen, belastungsinduzierte Synkopen und Husten. Im Endstadium kommen Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz wie &Ouml;deme und Aszites dazu. Ohne Therapie haben PAH-Patienten eine mittlere &Uuml;berlebensrate von 2,8 Jahren.<sup>4</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s26_abb3.jpg" alt="" width="1417" height="1401" /></p> <h2>Was steckt hinter PAH ?</h2> <p>Die Entstehung einer PAH ist multifaktoriell: Eine endotheliale Dysfunktion f&uuml;hrt zu einem Ungleichgewicht vasoaktiver Substanzen: Stickstoffmonoxid (NO) und Prostazyklin werden vermindert produziert. Sie sind Vasodilatatoren, durch eine verminderte Produktion kommt es zu einer Vasokonstriktion. Gleichzeitig bewirkt die vermehrte Produktion von Endothelin und Thromboxan eine Vasokonstriktion. Die Folgen sind eine &uuml;berm&auml;&szlig;ig Proliferation von Myozyten, Fibroblasten und Endothelzellen, in Kombination mit einer vermehrten Matrixsynthese in der Adventitia und einer Mediahypertrophie der Gef&auml;&szlig;w&auml;nde. Es kommt zu einem Strukturumbau der Gef&auml;&szlig;e und in der Folge zu einem erh&ouml;hten Gef&auml;&szlig;widerstand im kleinen Kreislauf. Mit fortschreitender Erkrankung steigt der Druck im Lungenkreislauf, dadurch kommt es zu einer Rechtsherzbelastung, die letztendlich zur Rechtsherzinsuffizienz f&uuml;hrt.</p> <h2>Risikofaktoren &ndash; systematische Diagnose</h2> <p>Neben den erw&auml;hnten Hochrisikofaktoren f&uuml;r PAH &ndash; Sklerodermie und positive Familienanamnese &ndash; k&ouml;nnen eine Schwangerschaft, H&ouml;henexposition und der Konsum von Drogen und Toxinen (&bdquo;toxic oil syndrome&ldquo;, Appetitz&uuml;gler Aminorex, Methamphetamine &ndash; &bdquo;Crystal Meth&ldquo; etc.) zu PAH f&uuml;hren.<br /> Zur systematischen Diagnose empfiehlt sich der von der European Society of Cardiology 2016 herausgegebene Diagnose- Algorithmus, der auch in der deutschsprachigen Version von der Deutschen Kardiologischen Gesellschaft in den Pocket-Leitlinien downloadbar ist.<sup>2, 5</sup><br /> F&uuml;r die Risikobeurteilung und die Therapien sind die ESC/ERS Guidelines 2015 heranzuziehen, unterst&uuml;tzend wirkt moderate k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t. Kontrazeption, Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken sowie Rehabilitation sind angezeigt.</p> <h2>State of the Art: Kombinationstherapien</h2> <p>Die moderne Therapie der PAH baut auf drei S&auml;ulen auf:</p> <ul> <li>Endothelin-Signalweg</li> <li>Stickstoff-Monoxid-Signalweg: <ul> <li>sGC-Stimulatoren: Riociguat</li> <li>PDE-5-Inhibitoren: Revatio (Sildenafil), Adcirca (Tadalafil)</li> </ul> </li> <li>Prostazyklin-Signalweg: <ul> <li>Prostaglandinanaloga: Flolan (Epoprostenol), Ventavis (Iloprost), Remodulin (Treprostinil)</li> <li>IP-Rezeptor-Agonist: Selexipag</li> </ul> </li> </ul> <p>Treprostinil wird subkutan oder intraven&ouml;s verabreicht. Nachteile der subkutanen Therapie sind h&auml;ufig Schmerzen im Bereich der Einstichstelle (80 % der Patienten leiden darunter), die bei 15 % der Patienten zu einem Abbruch der Therapie f&uuml;hren. Auch Infektionen k&ouml;nnen auftreten (Abb. 4).<br /><br /> Um die Nachteile der subkutanen Therapie zu &uuml;berwinden, wurde eine implantierbare Pumpe zur i.v. Therapie entwickelt. Diese Pumpe muss alle 4 Wochen bef&uuml;llt werden.<br /><br /> <em>Die Patientin S. K. erh&auml;lt von Beginn an eine Dualtherapie mit Macitentan und Treprostinil s.c. Im Juli 2016 wird aufgrund der Nebenwirkungen der subkutanen Therapie eine Pumpe zur i.v. Therapie implantiert. Nach 25 Monaten Therapie hat sich ihr Zustand wesentlich verbessert und ist stabil (Tab. 1).</em></p> <p><em><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s26_abb4.jpg" alt="" width="1417" height="554" /></em></p> <p><em><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s26_abb5.jpg" alt="" width="1417" height="918" /></em></p> <p><em><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s26_tab1.jpg" alt="" width="350" height="219" /></em></p> <h2>Psychische Auswirkungen ber&uuml;cksichtigen</h2> <p>Die Diagnose einer chronischen Erkrankung ist f&uuml;r die Patienten immer auch psychisch belastend: Wie wird die Behandlung aussehen, welche Nebenwirkungen, welche Einschr&auml;nkungen und welche finanziellen Belastungen sind zu erwarten? Das Leben mit einer chronischen Erkrankung bedeutet oft, sich von Pl&auml;nen, Tr&auml;umen und Lebensentw&uuml;rfen (z.B. Kinderwunsch) verabschieden zu m&uuml;ssen. Der gewohnte Lebensstil &ndash; etwa die Mobilit&auml;t, die Urlaubsplanung, die Leistungsf&auml;higkeit &ndash; kann nicht mehr beibehalten werden, auch die Funktion im Familiensystem und andere Rollen werden infrage gestellt. Oft leiden die Betroffenen unter Selbstwertproblemen und ziehen sich zur&uuml;ck. Bis zu 50 % der PAH-Patienten leiden unter depressiven Symptomen und Angstst&ouml;rungen, bei rund 15 % treten schwere depressive Episoden auf, es kann auch zu kognitiven Einschr&auml;nkungen kommen.</p> <h2>Conclusio</h2> <p>Da eine fr&uuml;he Diagnose und Therapie die Prognose von PAH wesentlich verbessern, sind bei Hochrisikopatienten j&auml;hrliche Screenings empfohlen. Sind Risikofaktoren bekannt oder deuten Symptome auf einen Lungenhochdruck hin, sind Prim&auml;rbehandler gefordert, rasch zu reagieren und die Patienten an spezialisierte Zentren zur Abkl&auml;rung zu &uuml;berweisen. Zus&auml;tzlich zur systematischen Diagnose, Risikobeurteilung und auf die Patienten abgestimmten Kombinationstherapie ist der psychischen Belastung, die schwere chronische Erkrankungen fast immer nach sich ziehen, Rechnung zu tragen. Die gute interdisziplin&auml;re Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Fachgruppen und des Pflegepersonals sowie psychologische Betreuung und Selbsthilfegruppen tragen wesentlich zum Behandlungserfolg bei.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Simonneau G et al.: J Am Coll Cardiol 2013; 62(25 Suppl): D34-41 <strong>2</strong> Gali&egrave; N et al.: Eur Heart J 2016; 37: 67-119 <strong>3</strong> Humbert M et al.: Am J Respir Crit Care Med 2006; 173: 1023-30 <strong>4</strong> D&rsquo;Alonzo GE et al.: Ann Intern Med 1991; 115: 343-9 <strong>5</strong> https://leitlinien.dgk.org/2016/pocket-leitlinie-diagnostik- und-therapie-der-pulmonalen-hypertonie-2/</p> </div> </p>
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