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Was ist im Umgang mit Lungenhochdruckpatienten zu beachten?
Jatros
Autor:
Dr. Regina Steringer-Mascherbauer
2. Interne Abteilung<br> Ordensklinikum Linz der Barmherzigen Schwestern und Elisabethinen<br> E-Mail: regina.steringer-mascherbauer@ ordensklinikum.at
30
Min. Lesezeit
20.09.2018
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<p class="article-intro">Bis zur Diagnose von pulmonalarteriellem Hochdruck vergeht immer noch viel wertvolle Zeit. Ein systematischer Diagnose-Algorithmus, individuell abgestimmte Kombinationstherapien und eine Krankheitsbegleitung, die auch die psychische Komponente berücksichtigt, tragen wesentlich zu einer besseren Prognose bei.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Eine frühe Diagnose der pulmonalen Hypertonie verbessert die Prognose. Bei Krankheitsbeginn zeigen sich keine Symptome.</li> <li>Hochrisikopatienten: Screening 1x jährlich</li> <li>Risikofaktoren: Sklerodermie, HIV-Infektion, portale Hypertension, Schistosomiasis, Drogen-/ Toxinkonsum, positive Familienanamnese, Schwangerschaft, Höhenexposition</li> <li>Risikobeurteilung und individuell abgestimmte Kombinationstherapien lt. ESC/ERS Guidelines 2015</li> <li>Treprostinil: Die Verabreichung implantierbarer Pumpen ist wesentlich schonender für die Patienten – weniger Nebenwirkungen, mehr Komfort, bessere Compliance</li> <li>Psychische Belastung berücksichtigen, bei Bedarf Therapie!</li> <li>Enge interdisziplinäre Zusammenarbeit gefordert!</li> </ul> </div> <p><em>Ich bin nicht mehr belastbar – jede kleinste Anstrengung bedeutet Atemnot“, klagt die Patientin S. K. Die Laborchecks bei der 26-Jährigen, die zwei Schwangerschaften hinter sich hat, zeigen einen erhöhten NTpro BNP von 2785pg/dl. Im EKG finden sich deutliche Zeichen einer Rechtsherzbelastung mit einem P-Pulmonale und einem rechtsventrikulären Strain (Abb. 1). Die Patientin kann im 6-Minuten-Gehtest (6 MWT) 356m bewältigen.<br /><br /> In der Echokardiografie (Abb. 2) kann man anhand der Tricuspidalinsuffizienz die Druckwerte im kleinen Kreislauf einschätzen. Es finden sich bei der Patientin Hinweise auf eine schwere Drucksteigerung im Lungenkreislauf mit systolischen PA-Werten von 80mmHg. Die Untersuchung mittels Rechtsherzkatheter (Swan-Ganz-Katheter) über den rechten Herzvorhof und die rechte Herzkammer in den Stamm der Arteria pulmonalis zeigt einen „pulmonary capillary wedge pressure“ (PCW) von 5/2/3mmHg (normal: =15), einen erhöhten pulmonalarteriellen Druck von 77/33/„mean“ 45mmHg (normaler PA „mean“: =25) und einen erhöhten mittleren RA-Druck von 8mmHg. Die Vasoreaktivität ist negativ. Es findet sich ein deutlich erniedrigter Cardiac Index (CI) mit 1,47l/min/m² (normal: =2,5l/min/m²). Es errechnet sich ein pulmonalvaskulärer Widerstand von 16 Wood (normal: =3 Wood).</em><br /><br /> Laut WHO-Klassifikation unterscheiden wir PAH, PH bei Linksherzerkrankungen, bei Lungenerkrankungen, chronisch thromboembolische PH sowie PH mit unklaren oder multifaktoriellen Mechanismen.<sup>1</sup> Bei chronisch-thromboembolischer PH (CTEPH) ist die Thrombendarteriektomie die Therapie der ersten Wahl, eine weitere Option ist die Ballonangioplastie. Ist keine Operabilität gegeben, so kann Riociguat als medikamentöse Therapie verabreicht werden.<br /><br /> <em>Bei unserer Patientin S. K. stellen wir eine Drucksteigerung im kleinen Kreislauf fest. Folgen wir dem Diagnose-Algorithmus,<sup>2</sup> so ist vorab zu eruieren, ob eine durch Drogen bzw. Toxine induzierte PAH infrage kommt. Können wir weiters eine Sklerodermie (CTD), eine HIV-Infektion, eine portale Hypertension und angeborene Herzfehler sowie Schistosomiasis als Ursachen für die PAH ausschließen, so bleiben die idiopathische PAH und die vererbliche (heritable) PAH als mögliche Ursachen übrig. Da die Patientin berichtet, dass ihre Großmutter an den Symptomen einer PAH verstorben ist, gehen wir von einer heritablen PAH aus. Mutationen von BMPR2 bestätigen unseren Verdacht.</em></p> <p><em><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s26_abb1.jpg" alt="" width="1087" height="617" /></em></p> <p><em><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s26_abb2.jpg" alt="" width="1089" height="617" /></em></p> <h2>Frühe Diagnose – bessere Prognose</h2> <p>Untersuchungen einer französischen Arbeitsgruppe<sup>3</sup> zeigen, dass von den ersten Symptomen einer PAH bis zur Diagnose im Durchschnitt 2,5 Jahre vergehen und 4,4 Ärzte konsultiert werden. 80 % der Patienten sind im NYHA-Stadium III oder IV und weisen einen mMPAP von 50mmHg auf (entspricht ca. einem systolischen PAP von 80mmHg).<br /> Eine frühe Diagnose verbessert die Prognose der Patienten maßgeblich und ist daher anzustreben – sie gestaltet sich jedoch schwierig, weil die Erkrankung im Anfangsstadium keine Symptome zeigt. Es empfiehlt sich daher bei Hochrisikopatienten – etwa solchen mit systemischer Sklerose oder Angehörigen ersten Grades von Patienten mit Lungenhochdruck (PAH) – ein jährliches Screening. Mit Fortschreiten der Erkrankung zeigen sich eine zunehmende Belastungsdyspnoe, Müdigkeit, Palpitationen, Thoraxschmerzen, belastungsinduzierte Synkopen und Husten. Im Endstadium kommen Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz wie Ödeme und Aszites dazu. Ohne Therapie haben PAH-Patienten eine mittlere Überlebensrate von 2,8 Jahren.<sup>4</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s26_abb3.jpg" alt="" width="1417" height="1401" /></p> <h2>Was steckt hinter PAH ?</h2> <p>Die Entstehung einer PAH ist multifaktoriell: Eine endotheliale Dysfunktion führt zu einem Ungleichgewicht vasoaktiver Substanzen: Stickstoffmonoxid (NO) und Prostazyklin werden vermindert produziert. Sie sind Vasodilatatoren, durch eine verminderte Produktion kommt es zu einer Vasokonstriktion. Gleichzeitig bewirkt die vermehrte Produktion von Endothelin und Thromboxan eine Vasokonstriktion. Die Folgen sind eine übermäßig Proliferation von Myozyten, Fibroblasten und Endothelzellen, in Kombination mit einer vermehrten Matrixsynthese in der Adventitia und einer Mediahypertrophie der Gefäßwände. Es kommt zu einem Strukturumbau der Gefäße und in der Folge zu einem erhöhten Gefäßwiderstand im kleinen Kreislauf. Mit fortschreitender Erkrankung steigt der Druck im Lungenkreislauf, dadurch kommt es zu einer Rechtsherzbelastung, die letztendlich zur Rechtsherzinsuffizienz führt.</p> <h2>Risikofaktoren – systematische Diagnose</h2> <p>Neben den erwähnten Hochrisikofaktoren für PAH – Sklerodermie und positive Familienanamnese – können eine Schwangerschaft, Höhenexposition und der Konsum von Drogen und Toxinen („toxic oil syndrome“, Appetitzügler Aminorex, Methamphetamine – „Crystal Meth“ etc.) zu PAH führen.<br /> Zur systematischen Diagnose empfiehlt sich der von der European Society of Cardiology 2016 herausgegebene Diagnose- Algorithmus, der auch in der deutschsprachigen Version von der Deutschen Kardiologischen Gesellschaft in den Pocket-Leitlinien downloadbar ist.<sup>2, 5</sup><br /> Für die Risikobeurteilung und die Therapien sind die ESC/ERS Guidelines 2015 heranzuziehen, unterstützend wirkt moderate körperliche Aktivität. Kontrazeption, Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken sowie Rehabilitation sind angezeigt.</p> <h2>State of the Art: Kombinationstherapien</h2> <p>Die moderne Therapie der PAH baut auf drei Säulen auf:</p> <ul> <li>Endothelin-Signalweg</li> <li>Stickstoff-Monoxid-Signalweg: <ul> <li>sGC-Stimulatoren: Riociguat</li> <li>PDE-5-Inhibitoren: Revatio (Sildenafil), Adcirca (Tadalafil)</li> </ul> </li> <li>Prostazyklin-Signalweg: <ul> <li>Prostaglandinanaloga: Flolan (Epoprostenol), Ventavis (Iloprost), Remodulin (Treprostinil)</li> <li>IP-Rezeptor-Agonist: Selexipag</li> </ul> </li> </ul> <p>Treprostinil wird subkutan oder intravenös verabreicht. Nachteile der subkutanen Therapie sind häufig Schmerzen im Bereich der Einstichstelle (80 % der Patienten leiden darunter), die bei 15 % der Patienten zu einem Abbruch der Therapie führen. Auch Infektionen können auftreten (Abb. 4).<br /><br /> Um die Nachteile der subkutanen Therapie zu überwinden, wurde eine implantierbare Pumpe zur i.v. Therapie entwickelt. Diese Pumpe muss alle 4 Wochen befüllt werden.<br /><br /> <em>Die Patientin S. K. erhält von Beginn an eine Dualtherapie mit Macitentan und Treprostinil s.c. Im Juli 2016 wird aufgrund der Nebenwirkungen der subkutanen Therapie eine Pumpe zur i.v. Therapie implantiert. Nach 25 Monaten Therapie hat sich ihr Zustand wesentlich verbessert und ist stabil (Tab. 1).</em></p> <p><em><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s26_abb4.jpg" alt="" width="1417" height="554" /></em></p> <p><em><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s26_abb5.jpg" alt="" width="1417" height="918" /></em></p> <p><em><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s26_tab1.jpg" alt="" width="350" height="219" /></em></p> <h2>Psychische Auswirkungen berücksichtigen</h2> <p>Die Diagnose einer chronischen Erkrankung ist für die Patienten immer auch psychisch belastend: Wie wird die Behandlung aussehen, welche Nebenwirkungen, welche Einschränkungen und welche finanziellen Belastungen sind zu erwarten? Das Leben mit einer chronischen Erkrankung bedeutet oft, sich von Plänen, Träumen und Lebensentwürfen (z.B. Kinderwunsch) verabschieden zu müssen. Der gewohnte Lebensstil – etwa die Mobilität, die Urlaubsplanung, die Leistungsfähigkeit – kann nicht mehr beibehalten werden, auch die Funktion im Familiensystem und andere Rollen werden infrage gestellt. Oft leiden die Betroffenen unter Selbstwertproblemen und ziehen sich zurück. Bis zu 50 % der PAH-Patienten leiden unter depressiven Symptomen und Angststörungen, bei rund 15 % treten schwere depressive Episoden auf, es kann auch zu kognitiven Einschränkungen kommen.</p> <h2>Conclusio</h2> <p>Da eine frühe Diagnose und Therapie die Prognose von PAH wesentlich verbessern, sind bei Hochrisikopatienten jährliche Screenings empfohlen. Sind Risikofaktoren bekannt oder deuten Symptome auf einen Lungenhochdruck hin, sind Primärbehandler gefordert, rasch zu reagieren und die Patienten an spezialisierte Zentren zur Abklärung zu überweisen. Zusätzlich zur systematischen Diagnose, Risikobeurteilung und auf die Patienten abgestimmten Kombinationstherapie ist der psychischen Belastung, die schwere chronische Erkrankungen fast immer nach sich ziehen, Rechnung zu tragen. Die gute interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Fachgruppen und des Pflegepersonals sowie psychologische Betreuung und Selbsthilfegruppen tragen wesentlich zum Behandlungserfolg bei.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Simonneau G et al.: J Am Coll Cardiol 2013; 62(25 Suppl): D34-41 <strong>2</strong> Galiè N et al.: Eur Heart J 2016; 37: 67-119 <strong>3</strong> Humbert M et al.: Am J Respir Crit Care Med 2006; 173: 1023-30 <strong>4</strong> D’Alonzo GE et al.: Ann Intern Med 1991; 115: 343-9 <strong>5</strong> https://leitlinien.dgk.org/2016/pocket-leitlinie-diagnostik- und-therapie-der-pulmonalen-hypertonie-2/</p>
</div>
</p>
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