Was ist HFpEF?
Autor:
Dr. Gustav Huber
Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Angiologie
ZIM9, Wien
E-Mail: office@sportkardio.at
Webseite: www.sportkardio.at
HFpEF ist eine Form der Herzinsuffizienz (HI). Die Herzinsuffizienz ist aktuell mit einer Prävalenz von 1–3% in der Gesamtbevölkerung ein relevantes gesundheitsökonomisches Problem und 50% der Patientinnen und Patienten haben eine HFpEF. Welche Kriterien diagnostisch auf eine HFpEF hinweisend sind und wie sie sich von anderen Formen der HI unterscheidet, wird im Folgenden erläutert.
Keypoints
-
Die Herzinsuffizienzepidemie ist neben dem Leid für die Betroffenen auch eine große Belastung für die Gesundheitssysteme.
-
50% aller Patienten haben eine HFpEF.
-
HFpEF ist aber keine eigenständige Diagnose – wenn überhaupt handelt es sich dabei um eine Ausschlussdiagnose.
-
HFpEF ist ein Syndrom mit hoher Prävalenz und schlechter Prognose.
-
Die umfassende Standardechokardiografie ist die Methode der Wahl zur Diagnose und Differenzialdiagnose und entscheidend für weitere Abklärung und individualisierte Therapie.
Von einer HI betroffene Patienten leiden unter den bekannten typischen Symptomen wie Atemnot (vor allem bei Belastungen), Müdigkeit und Ödemen. Es gibt aber auch weniger typische unspezifische Beschwerden wie Völlegefühl oder Appetitverlust, Verwirrung (besonders bei älteren Menschen), Palpitationen, Schwindel oder Depression.1
Die Herzinsuffizienz ein Syndrom?
Von dem Syndrom (also einer Kombination aus verschiedenen gemeinsam auftretenden Symptomen) der Herzinsuffizienz spricht man, wenn bei Vorliegen von entsprechenden kardiovaskulären Risikofaktoren zusätzlich zu oben genannten Beschwerden bestimmte Laborbefunde wie die Erhöhung des natriuretischen Peptids (BNP >35pg/ml oder NT-proBNP >125pg/ml) und Veränderungen in der Herzstruktur (dokumentiert in einem dafür geeigneten Herzbildgebungsverfahren) oder EKG-Auffälligkeiten erhoben werden.1
Die Einteilung der Herzinsuffizienz richtet sich nach der Beurteilung der systolischen Funktion. Die dafür bewährteste (am besten validierte) und am meisten angewandte Methode ist die Echokardiografie.
Ausgehend von der zurzeit noch überwiegend mit 2D-Sonden vermessenen linksventrikulären Auswurffraktion (EF) unterscheidet man zwischen Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF, EF unter 40%), einer HI mit mild reduzierter Ejektionsfraktion (HFmrEF, EF: 41–49%) und einer HFpEF (normale systolische Funktion und daraus resultierenden EF von über 50%).1
Die Inzidenz der Herzinsuffizienz bewegt sich abhängig von der betrachteten geografischen Region zwischen 1 und 20 Fällen pro 1000 Einwohner. Diese Zahlen sind, wenn man alleine die HFrEF betrachtet, erstmals leicht rückläufig.2 Prognosen bezüglich Morbidität und Mortalität sind bei HFpEF und HFrEF annähernd gleich schlecht.3 Bei der HFrEF, für die es evidenzbasierte Behandlungskonzepte gibt, die mehr und mehr umgesetzt werden, ist eine leichte Tendenz zur Verbesserung der Prognose erkennbar, für die HFpEF gilt das nicht. Älteren, Adipösen, Frauen und Patienten mit Hypertonie und/oder Diabetes mellitus Typ 2 wird häufiger eine HFpEF attestiert.
(K)eine Diagnose?
Um die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer HFpEF einzuschätzen, vergibt man mittels validierten klinischen Scores Punkte für Adipositas, Hypertonie, Vorhofflimmern, Alter, für echokardiografische Hinweise auf erhöhte Füllungsdrücke und eine Druckerhöhung im kleinen Kreislauf (Tab. 1).4
Tab. 1: Punktevergabe beim H2FPEF-Score (adaptiert nach Reddy et al., Circulation 2018)
Die echokardiografische Beurteilung ist auch das Herzstück eines 2019 publizierten Diagnosealgorithmus.5 In diesem werden im 2. Schritt nach der initialen Aufarbeitung die bei der HFpEF relevanten funktionellen und morphologischen echokardiografischen Messungen angeführt. Es sind dies im Wesentlichen die zur Abschätzung der diastolischen Funktion notwendigen Parameter, die in jeder ausführlichen echokardiografischen Untersuchung erhoben werden sollten (Tab. 2).
Tab. 2: HFA-PEFF-Score (adaptiert nach Pieske et al., Eur Heart J 2019)
Diastolische Dysfunktion Grad 5?
HFpEF ist aber nicht gleichzusetzen mit diastolischer Dysfunktion.
Die klinische Manifestation einer Herzinsuffizienz kann viele Ursachen haben und kann als gemeinsame Endstrecke von kardiovaskulären Erkrankungen gesehen werden. Auf der Suche nach der zugrundeliegenden Ätiologie muss berücksichtigt werden, dass mehrere relevante Erkrankungen oft zeitgleich auftreten, und darauf geachtet werden, dass relevante behandlungsmögliche/-pflichtige Hauptursachen nicht übersehen werden.6
HFpEF – eine Ausschlussdiagnose?
Gerade für die Differenzialdiagnose ist die transthorakale Standardechokardiografie die Methode der Wahl. Damit kann man in vielen Fällen die Hauptätiologie identifizieren. Das ist essenziell für das weitere Management der Patienten und für deren suffiziente Behandlung. Hypertonie-Folgeschäden, Wandbewegungsstörungen bei KHK, symmetrische und asymmetrische Hypertrophie samt dynamischer Obstruktion des Ausflusstraktes bei hypertrophen Kardiomyopathien, Hinweise auf Speicherkrankheiten durch Deformations-Imaging mittels Speckle-Tracking-Strain-Echokardiografie und vieles mehr (Klappenvitien, Konstriktion, Rechtsherzerkrankungen, seltene Kardiomyopathien, ARVD) können bei einer umfassenden Echokardiografie mit modernen Geräten dokumentiert werden (Tab. 3).
Tab. 3: Übersicht zu den Ätiologien einer HFpEF und empfohlenen Untersuchungsmethoden
Mit zunehmendem Verständnis der großen Rolle, die genetische Mechanismen im individuellen Gesundheits- und Krankheitsverlauf spielen,7 sollte bei der Befundung der Echokardiografie die vorschnelle Festlegung auf eine bestimmte Kardiomyopathie vermieden werden. Zielführender ist es, den anhand bestimmter Echomerkmale definierbaren Phänotyp zu beschreiben. Für die HFpEF wurden 2015 erstmals drei unterschiedliche Phänotypen beschrieben.8 Ein gering remodellierter linker Ventrikel wurde häufig bei jüngeren Patienten mit mäßiger diastolischer Dysfunktion und relativ normalem BNP gefunden. Der 2. echokardiografische Phänotyp mit schlechten diastolischen Werten (niedriges E´) und Zeichen der pulmonalen Druckerhöhung fand sich bei übergewichtigen, diabetischen Patienten mit einer hohen Prävalenz einer obstruktiven Schlafapnoe. Die Gruppe der älteren Patienten mit schwerer chronischer Nierenerkrankung hatte noch ausgeprägtere Zeichen einer pulmonalen Hypertonie und der RV-Dysfunktion.8 In einem sehr lesenswerten 2022 publizierten Reviewwird dieses Konzept weiter präzisiert.9 Es erfolgt eine ausführliche Beschreibung der erhebbaren Kriterien eines echokardiografisch normalen Phänotyps, um diesen in der Folge von Phänotypen mit pathologischen Veränderungen des linken Ventrikels, des linken Vorhofes und der rechten Herzhöhlen abzugrenzen. Der normale kardiale Phänotyp weist bei Patienten mit HFpEF-Symptomen lediglich Zeichen der linksventrikulären (LV) Steifheit auf. Als zweites wird der LV-Phänotyp, der mit morphologischen oder funktionellen Anomalien des linken Ventrikels (erhöhte Masse, erhöhte Volumina) assoziiert ist, beschrieben. Der LA-Phänotyp (linker Vorhof) schließlich geht einher mit einer Zunahme der LA-Größe und einer daraus resultierenden Beeinträchtigung der LA-Funktion (LA-Speckle-Tracking-Strain-Analyse). Der RA-(=rechter Vorhof) und der RV-Phänotyp (=rechtsventrikulärer Phänotyp)sind ausschließlich mit Veränderungen der Morphologie und Funktion der rechten Herzhöhlen assoziiert. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Überschneidungen (die Kombination von LA- und LV-Phänotyp, die Kombination aller drei Phänotypen und seltene Kombinationen von LA und RA/(RV)-Phänotyp oder LV und (RA)/RV-Phänotyp häufig vorkommen.9
Die Konzepte haben den Anspruch, eine zielgerichtete Therapie für die Hauptpathologie zu identifizieren. Simplifizierende „One fits all“-Therapiekonzepte sind im angebrochenen Zeitalter der individualisierten Präzisionsmedizin–vorsichtig formuliert–unelegant und kritisch zu hinterfragen.
Auch aus diesem Grund dürfen die für den ESC-Kongress im September 2023 in Amsterdam angekündigte Publikation der neuen Kardiomyopathie-Leitlinien mit Spannung erwartet werden.
Literatur:
1 McDonagh TA et al.: 2021 ESC-Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J 2021; 42(36): 3599-726 2 Becher PM et al.: An update on global epidemiology in heart failure. Eur Heart J 2022; 43(32): 3005-07 3 Yancy CW et al.: Clinical presentation, management, and in-hospital outcomes of patients admitted with acute decompensated heart failure with preserved systolic function: a report from the Acute Decompensated Heart Failure National Registry (ADHERE) database. J Am Coll Cardiol 2006; 47(1): 76-84 4 Suzuki S et al.: H2FPEF score for predicting future heart failure in stable outpatients with cardiovascular risk factors. ESC Heart Fail 2020; 7(1): 65-74 5 Burkert P et al.: How to diagnose heart failure with preserved ejection fraction: the HFA–PEFF diagnostic algorithm: A consensus recommendation from the Heart Failure Association (HFA) of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2010; 40(40): 3297-317 6 Obokata M et al.: Diastolic dysfunction and heart failure with preserved ejection fraction: Understanding mechanisms with non-invasive methods. JACC Cardiovasc Imaging 2020; 13(1): 245-57 7 Hamdani N et al.: Leveraging clinical epigenetics in heart failure with preserved ejection fraction: a call for individualized therapies. Eur Heart J 2021; 42(20): 1940-58 8 Shah SJ et al.: Phenotype-specific treatment of heart failure with preserved ejection fraction: A multiorgan roadmap. Circulation 2016; 134(1): 73-90 9 Hagendorff A et al.: Expert proposal to characterize cardiac diseases with normal or preserved left ventricular ejection fraction and symptoms of heart failure by comprehensive echocardiography. Clin Res Cardiol 2023; 112(1): 1-38
Das könnte Sie auch interessieren:
ESC-Guideline zur Behandlung von Herzvitien bei Erwachsenen
Kinder, die mit kongenitalen Herzvitien geboren werden, erreichen mittlerweile zu mehr 90% das Erwachsenenalter. Mit dem Update ihrer Leitlinie zum Management kongenitaler Vitien bei ...
ESC gibt umfassende Empfehlung für den Sport
Seit wenigen Tagen ist die erste Leitlinie der ESC zu den Themen Sportkardiologie und Training für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen verfügbar. Sie empfiehlt Training für ...
Resultate zur Transthyretin-Amyloidose-Therapie im Real-World-Setting
Die Longitudinalstudie THAOS zeigt, dass die Behandlungserfolge, die mit dem Transthyretin-Stabilisator Tafamidis in der Behandlung der Transthyretin-Amyloidose (ATTR) mit ...