
Supraventrikuläre Tachykardien – Update ESC-Guidelines 2019
Klinische Abteilung für Kardiologie<br>Medizinische Universität Graz<br>E-Mail: daniel.scherr@medunigraz.at
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Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) veröffentlichte im September 2019 nach mittlerweile 16 Jahren aktualisierte Leitlinien zur Behandlung supraventrikulärer Tachykardien (SVT). In den vergangenen Jahren haben sich aufgrund der technologischen Fortschritte und wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bereich der Elektrophysiologie nicht nur das Verständnis und die Diagnostik, sondern auch die Therapieoptionen geändert.
Keypoints
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Die Katheterablation ist eine sichere und erfolgversprechende Therapieoption als kurative Alternative zur medikamentösen Therapie.
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In speziellen Situationen sollte die Katheterablation bereits früh angeboten und durchgeführt werden.
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Die Katheterablation kann nicht nur die Lebensqualität verbessern, sondern sogar das Risiko eines plötzlichen Herztodes senken.
Definition
Der Begriff „supraventrikuläre Tachykardie“ bezeichnet eine Vielzahl an Arrhythmien, bei der Sinustachykardie angefangen bis hin zu Makro-Reentry-Tachykardien wie Vorhofflattern. Somit bezeichnet dieser Begriff generell eine Tachykardie (Herzfrequenz >100/Min.) mit klassischerweise schmalen QRS-Komplexen (<120ms), deren Ursprung anatomisch oberhalb des His-Bündels liegt. Diese Tachykardien können sich aufgrund von aberranter Leitung, Schenkelblöcken oder unter antiarrhythmischer Therapie jedoch als Breitkomplextachykardien (QRS ≥120ms) präsentieren. Von diesem Begriff ausgeschlossen sind üblicherweise Vorhofflimmern und ventrikuläre Tachykardien, die in separaten Leitlinien adressiert werden.
Im Folgenden werden die Klasse und der Empfehlungsgrad, wie sie in den Leitlinien angeführt sind, in Klammern angegeben. BulletPoints mit den wichtigsten Fakten finden Sie in der Tabelle 1.

Tab. 1
Akutbehandlung einer SVT ohne Vorliegen einer Diagnose
Im Rahmen einer akuten Tachykardie sollte bei einer Schmalkomplextachykardie ohne etablierte Diagnose nach Aufzeichnung eines 12-Kanal-EKG (IC) ein Vagusmanöver (IB) durchgeführt werden. Bei weiterhin bestehender Tachykardie sollte Adenosin (IB) als Bolusgabe i.v. (6 bis 18mg) eingesetzt werden. Sollte auch dies nicht erfolgreich sein, wird die Gabe von Verapamil i.v. (IIa B) oder Betablockern (IIa C) empfohlen.
Sollten diese Maßnahmen die Tachykardie weiterhin nicht beenden, kann eine synchronisierte elektrische Kardioversion durchgeführt werden, bei hämodynamischer Instabilität sollte diese bereits vor jeglicher medikamentöser Therapie durchgeführt werden (IB) (Abb. 1).

Abb. 1: Akuttherapie Schmalkomplextachykardie
Bei Breitkomplextachykardien kann nach EKG-Dokumentation (IC) ebenso ein Vagusmanöver (IC) versucht werden, die Gabe von Adenosin (IB) wird nur bei vorliegendem Ruhe-EKG ohne Präexzitation empfohlen. Der nächste Schritt besteht in der Gabe von Amiodaron (IB). Analog zur Schmalkomplextachykardie soll bei persistierender Tachykardie und bei hämodynamischer Instabilität sofort eine elektrische Kardioversion durchgeführt werden (IB). Abgesehen davon, werden bei bereits etablierter Diagnose einer Sinustachykardie oder einer multifokalen atrialen Tachykardie (MAT) die Suche und gegebenenfalls die Behebung der zugrundeliegenden Erkrankung bzw. Ursache empfohlen.
Spezifische Therapie
Reentry-Tachykardien (AVRT/AVNRT)
Diese Art von SVT bezeichnet einen Reentry-Kreis im Bereich des AV-Knotens (AV-nodale Reentry-Tachykardie, AVNRT) oder das Vorhandensein einer zusätzlichen Leitungsbahn (AV-Reentry-Tachykardie, AVRT). In 95% der Fälle besteht eine typische AVNRT, die übrigen 5% teilen sich in atypische AVNRT und AVRT auf. Patienten mit selten auftretenden und/oder selbstlimitierenden Episoden brauchen nicht zwingend eine antiarrhythmische Dauertherapie (IIa C). Die Katheterablation sollte dem Patienten angeboten werden und ist auf Wunsch des Patienten beziehungsweise bei wiederkehrenden, symptomatischen Tachykardien empfohlen (IB). Als medikamentöse Dauertherapie werden Verapamil oder Betablocker (IIa B) empfohlen, sollte eine Ablation nicht gewünscht oder nicht durchführbar sein. Bei bekannter orthodromer AVRT (die Leitung erfolgt antegrad über den AV-Knoten und retrograd über die akzessorische Leitungsbahn) wären Propafenon oder Flecainid Optionen einer medikamentösen Dauertherapie (IIb B). Bei der Sonderform von Vorhofflimmern mit Präexzitation sollte mit einer Klasse-III-Empfehlung auf eine antiarrhythmische Therapie mit Digoxin,Betablocker, Verapamil und Amiodaron verzichtet werden. In der Akuttherapie wird die synchronisierte elektrische Kardioversion empfohlen, gegebenenfalls kann auf i.v. Ibutilid (IIa B) oder i.v. Flecainid/Propafenon (IIb B) zurückgegriffen werden.
Macro-Reentry-atriale Tachykardien (MRAT)
Dieser Begriff bezeichnet sowohl typisches Vorhofflattern, das seinen Macro-Reentry im rechten Atrium im Bereich des cavotrikuspidalen Isthmus (CTI) hat und mit Vorhofflimmern assoziiert ist, als auch „atypisches Vorhofflattern“. Atypisches oder nicht CTI-abhängiges Vorhofflattern tritt typischerweise nach Ablationen, herzchirurgischen Operationen z.B. bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern oder aufgrund von Narben im Vorhof auf. Eine Unterscheidung dieser beiden Formen im Oberflächen-EKG ist jedoch nicht immer eindeutig möglich.
Bei symptomatischen und wiederkehrenden Tachykardien besteht eine Klasse-IA-Empfehlung zur Katheterablation für typisches Vorhofflattern, eine IB-Empfehlung für atypisches Vorhofflattern (Abb. 2, Tab. 2). Eine MRAT kann nach einer vorangegangenen Ablation im Vorhof (z.B. Pumonalvenenisolation bei Vorhofflimmern) auftreten und sollte möglichst zeitnah mittels einer neuerlichen Ablation behandelt werden. Zur chronischen medikamentösen Therapie werden Betablocker oder Verapamil (IIa C) empfohlen, bei Versagen ebendieser ist Amiodaron eine mögliche Therapie (IIb C).

Abb. 2: Abklärung und Empfehlungen bei Vorhofflattern oder Macro-Reentry-atriale Tachykardien

Tab. 2: Katheterablation bei SVT
Die Entscheidung über eine dauerhafte Antikoagulation sollte analog zur Vorhofflimmerarrhythmie mittels CHA2DS2 VASc erfolgen.
Fokale atriale Tachykardie
Die Arrhythmogenese dieser SVT besteht in einem genau lokalisierbaren Ursprung im Bereich des rechten oder linken Vorhofes mit einer zentrifugalen Ausbreitung. Je nach zugrundeliegendem Arrhythmiemechanismus kann eine fokale atriale Tachykardie mit oben beschriebener medikamentöser/elektrischer Akuttherapie beendet werden. Eine Konversion kann auch durch die i.v.Gabe von Ibutilid, Flecainid oder Amiodaron erfolgen (IIb C).
Im Fall von häufigen symptomatischen oder sogar einer „incessant“ fokalen atrialen Tachykardie (AT) oder einer dadurch verursachten Tachymyopathie (TCM) wird eine Katheterablation empfohlen (IB), wie zum Beispiel in Abbildung 3. Als medikamentöse Dauertherapie werden Betablocker und Kalziumkanalantagonisten oder Propafenon/Flecainid empfohlen (IIa C). Bei Ineffektivität kann Ivabradin mit einem Betablocker kombiniert werden oder Amiodaron als Monotherapie erwogen werden (IIb C).

Abb. 3: Ablation bei AT im Bereich der lateralen Wand des linken Atriums
Empfehlungen für spezielle Patientengruppen
In den neuen Leitlinien werden diverse spezielle Umstände gesondert betrachtet, die individualisierte Therapien durch spezialisierte Zentren benötigen: pädiatrische Patienten, SVT bei Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern, Arrhythmien bei Leistungssportlern, asymptomatische Präexzitation, die Tachykardie-induzierte Kardiomyopathie. Im Folgenden wird jedoch nur auf Handlungsempfehlungen für die asymptomatische Präexzitation und SVT in der Schwangerschaft eingegangen.
Asymptomatische Präexzitation und SVT in der Schwangerschaft
Beim Vorhandensein einer asymptomatischen Präexzitation im 12-Kanal-EKG entwickeln 20% aller Patienten im Laufe ihres Lebens symptomatische Arrhythmien. Diese Patientengruppe hat ein mit 2,4/1000 Personenjahre angegebenes Risiko, an einem plötzlichen Herztod zu sterben. Somit sollte das individuelle Risiko jedes Patienten evaluiert werden und in speziellen Fällen (Leistungssportler, hohes privates oder berufliches Risiko oder auffällige nicht invasive Abklärung bei Nichthochrisikopatienten) sollten eine invasive Risikostratifizierung mittels elektrophysiologischer Untersuchung(IB) und gegebenenfalls eine Ablation der akzessorischen Leitungsbahn erfolgen (IB), (Abb. 4).

Abb. 4: Abklärung und Empfehlungen bei einer asymptomatischen Präexzitation
Supraventrikuläre Tachykardien treten im Rahmen der Schwangerschaft gehäuft auf, es kann auch zu diesem Zeitpunkt zu einer Erstmanifestation kommen. Bezüglich der Akuttherapie gibt es wenig Unterschiede: Vagusmanöver (IC) und Adenosin i.v. (IC) bzw. die synchronisierte elektrische Kardioversion (IC) bei hämodynamischer Instabilität werden als sicher angesehen. Während des ersten Trimesters sollten Antiarrhythmika als Dauertherapie aufgrund der aktuellen Datenlage vermieden werden (IC), danach ist es im Einzelfall und nach sorgfältiger Abwägung möglich, beta-1-selektive Betablocker oder Verapamil sowie Klasse-I-AAD wie Propafenon oder Flecainid zu verordnen (IIa). Amiodaron wird in der Schwangerschaft dezidiert nicht empfohlen (Klasse III). Bei Patientinnen mit bekannten SVT besteht die Empfehlung einer Katheterablation bei Kinderwunsch noch vor der Schwangerschaft (IB).
Zusammenfassung
Die neuen Leitlinien betonen die Katheterablation als sichere und erfolgversprechende Therapieoption und als kurative Alternative zur medikamentösen Therapie. In speziellen Situationen sollte diese bereits früh angeboten und gegebenenfalls durchgeführt werden. Sie kann nicht nur die Lebensqualität verbessern, sondern in speziellen Fällen sogar das Risiko eines plötzlichen Herztodes senken.
Literatur:
Brugada J et al.: 2019 ESC Guidelines for the management ofpatients with supraventricular tachycardia. The Task Force for the management of patients with supraventricular tachycardia of the European Society of Cardiology (ESC): developed in collaboration with the Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC). Eur Heart J 2019 [E-pub ahead of print]. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz467 (zuletzt gesehen: 9.2.2020)