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Plättchenhemmung: Wie lange ist lange genug?
Jatros
30
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31.05.2017
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<p class="article-intro">Duale Plättchenhemmung mit Aspirin und einem Thrombozytenaggregationshemmer ist nach akutem Koronarsyndrom Standard. Die Empfehlung lautet auf eine Therapiedauer von einem Jahr, wobei zahlreiche Patienten von einer Verlängerung der Therapie profitieren dürften.</p>
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<p class="article-content"><p>Nach einem überstandenen kardiovaskulären Ereignis bleibt das Risiko für weitere Ereignisse ungeachtet der raschen Entwicklungen in der interventionellen Therapie hoch. Schwedische Registerdaten zeigen, dass rund 20 % der Patienten im ersten Jahr nach einem akuten Koronarsyndrom (ACS) von Herzinfarkt, Schlaganfall oder kardiovaskulärem Tod betroffen sind.<sup>1</sup> „Den Hauptanteil an diesen Ereignissen haben die kardiovaskulären Todesfälle“, sagt Prim. Priv.-Doz. Dr. Hannes Alber und verweist auf die auch weiterhin suboptimale Prognose dieser Patienten. Patienten mit zusätzlichen Risikofaktoren wie Diabetes mellitus oder Niereninsuffizienz leben noch deutlich gefährlicher.</p> <h2>Indikationen für eine dAPT</h2> <p>Aus diesem Grund wird nach einem ACS die duale Anti-Plättchentherapie (dAPT) empfohlen. Unter den eingesetzten Substanzen haben sich Ticagrelor und Prasugrel (jeweils in Kombination mit ASS) in großen Studien gegen den früheren Standard Clopidogrel durchgesetzt, da sie zu einer signifikanten Reduktion der Zahl kardiovaskulärer Ereignisse führen, während das Blutungsrisiko in den meisten Patientenpopulationen lediglich in einem vertretbaren Maß ansteigt – was insgesamt in einer Reduktion der Mortalität resultiert. Alber verweist auf Daten aus dem Austrian Acute PCI Registry, denen zufolge zwar weit über 90 % der österreichischen ACS-Patienten dAPT bekommen, dabei aber nach wie vor bei rund 30 % Clopidogrel zum Einsatz kommt.</p> <h2>Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl</h2> <p>Eine ganz rezente Analyse österreichischer Sozialversicherungsdaten ergab sogar, dass mehr als die Hälfte der Patienten Clopidogrel erhielten.<sup>2</sup> Dafür zeigen diese Daten auch, dass Clopidogrel, aber auch die neueren Substanzen oft über ein Jahr hinaus gegeben werden. Dies geschah zum Zeitpunkt der Untersuchung entgegen den Empfehlungen und, so Albers, „vermutlich aus einem Bauchgefühl heraus“. Mittlerweile sprechen einige Daten für die verlängerte dAPT. Ein rezenter Review der verfügbaren Studien gelangte zu dem Schluss, dass stabile Patienten, die im Rahmen einer perkutanen Intervention einen „drug eluting stent“ der neuesten Generation erhalten, für mindestens sechs Monate dAPT bekommen sollten.<sup>3</sup> Eine verkürzte dAPT ist nur gerechtfertigt bei triftigen Gründen wie etwa einer anstehenden Operation oder oraler Antikoagulation. Bei Patienten mit niedrigem Blutungsrisiko könne eine verlängerte dAPT sinnvoll sein. Die Autoren empfehlen daher ein individualisiertes Vorgehen mit regelmäßiger Evaluation des Verhältnisses von Nutzen zu Risiko. Alber: „Die Frage, wie lange eine dAPT nach ACS gegeben werden soll, kann daher mit ‚eher lange‘ beantwortet werden.“ Dieses Statement spiegelt sich auch in der ESC-Leitlinie von 2015 in der Formulierung „may be considered“ wider.<sup>4</sup></p> <p>Mittlerweile liegen zumindest für Ticagrelor auch prospektive Daten vor. In der Studie PEGASUS-TIMI 54 wurden Risikopatienten ein bis drei Jahre nach einem ACS mit Ticagrelor plus ASS oder Placebo plus ASS behandelt. Die Studie ergab über weitere drei Jahre einen signifikanten Vorteil hinsichtlich aller Wirksamkeitsendpunkte für Ticagrelor 2x 60mg/d. Dies wurde mit einem erhöhten Blutungsrisiko erkauft, wobei aber die Differenz bei den intrakraniellen und/oder tödlichen Blutungen nicht signifikant war. Fasst man die Wirksamkeits- und Sicherheitsendpunkte zu dem Endpunkt „irreversibler Schaden“ zusammen, so zeigt sich ebenfalls eine signifikante Überlegenheit der verlängerten dAPT mit Ticagrelor.<sup>5</sup> Damit besteht für Ticagrelor in der verlängerten dAPT das Evidenzniveau B, während für Prasugrel und Clopidogrel keine entsprechenden prospektiven Daten vorliegen.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Jernberg T et al: Eur Heart J 2015; 36(19): 1163-70<br /> <strong>2</strong> Sheikh Rezaei S et al: Int J Cardiol 2017; 235: 61-6<br /> <strong>3</strong> M ontalescot G , S abatine M S: Eur H eart J 2016; 3 7(4): 344-52<br /> <strong>4</strong> Roffi M et al: Eur Heart J 2016; 37(3): 267-315<br /> <strong>5</strong> Bonaca MP et al: N Engl J Med 2015; 372(19): 1791-800</p>
</div>
</p>