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Die Polypille

Mehr Adhärenz durch einfachere Therapie

Medikamentöse Strategien in der Sekundärprävention kardiovaskulärer Ereignisse sind etabliert und wissenschaftlich gesichert. Ihre Schwäche liegt in der meist suboptimalen Adhärenz der Patienten. Fixkombinationen, sogenannte Polypillen, könnten die Situation verbessern.


Während in Ländern mit mittlerem und niedrigem Bruttosozialprodukt die kardiovaskuläre Mortalität zunimmt, ist sie in den wohlhabenderen Ländern rückläufig. Dies sei, so Prim. Priv.-Doz. Dr. Hans Altenberger von der Sonderkrankenanstalt Rehabilitationszentrum Großgmain, zu 50 % auf die medikamentöse Sekundärprävention zurückzuführen. Kernelemente der Sekundärprävention sind einerseits Modifikationen des Lebensstils, andererseits aber auch die mittlerweile vielfältigen medikamentösen Optionen wie Statine, Plättchenaggregationshemmer, Renin-Angiotensin-Aldosteron- Inhibitoren, Betablocker und Ca-Antagonisten. Altenberger: „Wir verfolgen in der Sekundärprävention einen zielorientierten Ansatz mit klaren, von den Leitlinien vorgegebenen Zielwerten.“ Werden alle indizierten medikamentösen Maßnahmen eingesetzt, so ergibt sich damit in der Sekundärprävention eine Risikoreduktion um 75 % . D.h., dass eine Eventrate über zwei Jahre von beispielsweise 8 % auf 2–3 % Prozent gesenkt werden kann.1

Altenberger: „Das Problem ist allerdings, dass viele Patienten die Medikamente nicht verschrieben bekommen oder nicht einnehmen. Daten aus der PUREStudie zeigen, dass in den Industriestaaten fünf Jahre nach einem kardiovaskulären Ereignis 25 % der Patienten Plättchenhemmer nehmen, 17,4 % Betablocker, 19,5 % ACE-Hemmer/Sartane und 14,6 % Statine.“2 Altenberger sieht Handlungsbedarf und weist auf noch unpublizierte österreichische Versicherungsdaten hin, die bei Herzinsuffizienz ein ganz ähnliches Bild zeigen. Verschriebene Medikamente werden von einem erheblichen Teil der Patienten nicht in den Apotheken abgeholt. Man schätzt, dass die Adhärenz bei der Einnahme kardiovaskulärer Medikation nach zwei Jahren bei 57 % liegt. Der soziökonomische Status spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Medikation. Die Komplexität der Medikation und die Zahl der verordneten Medikamente sind wichtige Faktoren für die Adhärenz. Weiters haben unter anderem der Zustand des Patienten und die Besonderheiten des Gesundheitssystems Einfluss auf die Adhärenz.3 Die Leitlinien empfehlen einen multiprofessionellen Zugang zur Therapie – wie etwa die Zusammenarbeit mit Psychologen und Diätologen –, um Compliance und Adhärenz zu verbessern.4

Bessere Blutdruck- und Cholesterinwerte durch Fixkombination

Ein ganz anderer Ansatz wurde erstmals vor rund 15 Jahren propagiert: eine Polypille, in der mehrere Medikamente für die kardiovaskuläre Sekundärprävention kombiniert werden. Diese Überlegungen gingen von Erfahrungen in der Blutdrucktherapie aus, die zeigten, dass die Kombination mehrerer Antihypertensiva in einer Pille die Adhärenz bei Kombinationstherapien und damit die Blutdruckkontrolle verbessert. Allerdings hat sich dieser Ansatz, so Altenberger, über die Blutdrucktherapie hinaus nicht durchgesetzt, obwohl Studiendaten durchaus dafür sprechen. So konnte in der FOCUS-Studie gezeigt werden, dass die Kombination von ASS, Simvastatin und Ramipiril in einer Tablette die Adhärenz im Vergleich zur Einnahme der Einzelsubstanzen signifikant verbesserte.5 Eine Metaanalyse von Studien zur Polypille (SPACE-Studienprogramm) zeigte neben einer Verbesserung der Adhärenz auch eine bessere Blutdruckkontrolle und niedrigere LDL-Cholesterinspiegel durch Einnahme der Fixkombination.6

Hinsichtlich der Sicherheit zeigt eine Metaanalyse keine signifikanten Differenzen zwischen Polypille und Einzelkomponenten. Lediglich Hypotonie trat unter der Polypille numerisch häufiger auf.7 Ein potenzielles Problem der Polypille liege jedoch, so Altenberger, darin, dass im Falle eines eigenmächtigen Absetzens gleich alle relevanten Wirkstoffe gleichzeitig abgesetzt werden. Gegenwärtig laufen große, kontrollierte Studien zum Einsatz von Polypillen bei mehreren Tausend Patienten. Altenberger weist auch auf gewisse Bedenken hinsichtlich der Lebensstilmodifikation hin. Patienten, die eine Polypille einnehmen, könnten zu dem Gedanken verleitet werden, damit sei die Prävention erledigt. Studiendaten aus dem SPACE-Trial stützen diese Annahme allerdings nicht.8

Quelle: Jahrestagung der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft, 6.–9. Juni 2018, Salzburg

1 Yusuf S.: Lancet 2002; 360(9326): 2-3 2 Yusuf S et al.: Lancet 2011; 378(9798): 1231-43 3 Naden SH et al.: Am J Med.: 2012; 125(9): 882-7.e1 4 Piepoli ME et al.: Eur Heart J 2016; 37(29): 2315-81 5 Castellano JM et al.: J Am Coll Cardiol 2014; 64(20): 2071-82 6 Webster R et al.: Int J Cardiol 2016; 205: 147-56 7 Selak V, Webster R.: Ther Adv Drug Saf 2018; 9(2): 157-62 8 Selak V et al.: Eur J Prev Cardiol 2016; 23(13): 1393-400

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