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Infarktbedingter kardiogener Schock
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Siostrzonek
Abteilung Interne II – Kardiologie<br> Barmherzige Schwestern<br> Ordensklinikum Linz GmbH<br> E-Mail: peter.siostrzonek@ordensklinikum.at
30
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20.09.2018
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<p class="article-intro">Der kardiogene Schock ist durch die flächendeckende Akutrevaskularisation bei akutem Myokardinfarkt seltener geworden. Dennoch ist die Prognose im Schock trotz optimaler Intensivtherapie und Einsatz moderner Herz-Kreislauf-Unterstützungsverfahren ernst geblieben.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Ursachen, Häufigkeit</h2> <p>Die Ursachen für einen kardiogenen Schock sind in Tabelle 1 aufgelistet. Die häufigste Ursache des kardiogenen Schocks ist der akute Herzinfarkt. Rund 5–8 % aller Patienten mit ST-Hebungsinfarkt (STEMI) und 1–3 % aller Patienten mit Nicht-STHebungsinfarkt (NSTEMI) entwickeln einen kardiogenen Schock, wobei bei etwa der Hälfte der Patienten der Schockzustand schon bei Krankenhausaufnahme vorliegt und die übrigen Patienten erst Stunden oder Tage nach Aufnahme den Schockzustand entwickeln. Die Inzidenz des Schocks ist durch die heute vielerorts flächendeckend eingesetzte rasche koronare Revaskularisation insgesamt zurückgegangen. Dies betrifft nicht nur die Pumpinsuffizienz des linken Ventrikels, sondern auch verschiedene mechanische Infarktkomplikationen wie den Rechtsherzinfarkt, den ischämischen Ventrikelseptumdefekt und die akute Mitralinsuffizienz bei Papillarmuskeldysfunktion oder -abriss.<br /><br /> Weitere potenzielle Ursachen des kardiogenen Schocks abseits des akuten Koronarsyndroms sind das Tako-Tsubo-Syndrom, die fulminant verlaufende Myokarditis, seltene Nebenwirkungen einer Chemotherapie oder Intoxikationen. Auch akut auftretende Klappenfehler, etwa bei Mitralklappensegelabriss oder bei Endokarditis, können in manchen Fällen zum Schock führen. Darüber hinaus können sich eine chronische Herzinsuffizienz jeder Genese oder ein chronisches Klappenvitium im Endstadium im kardiogenen Schock präsentieren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s14_tab1.jpg" alt="" width="686" height="1005" /></p> <h2>Diagnose und Prognose</h2> <p>Die wichtigsten Kriterien für die Diagnose des kardiogenen Schocks sind in der Tabelle 2 zu finden. Blutdruck und Herzfrequenz, klinische Schockzeichen sowie eine echokardiografisch nachweisbare Schockursache sind für die Diagnosestellung unentbehrlich. Dagegen ist der Pulmonaliskatheter mit Bestimmung von „Cardiac Index“ und pulmonalkapillärem Verschlussdruck als essenzielles Diagnosetool obsolet und wird nur noch zum Monitoring von therapierefraktären oder unklaren Schockzuständen eingesetzt.<br /> Die Prognose im Schock kann durch verschiedene klinische Parameter und Scores (SAPS, APACHE), oder durch hämodynamische Parameter („Cardiac Index“, „Cardiac Power Index“) und Biomarker (BNP, IL-6) abgeschätzt werden.<sup>1</sup> Derartige prognostische Kriterien sind unter anderem bei notwendigen Entscheidungen für aufwendige Therapien (ECMO) hilfreich. Als bester hämodynamischer Prognosefaktor hat sich der „Cardiac Power Index“ dargestellt, der daher auch zur Therapiesteuerung bei protrahiertem Schock verwendet werden kann.<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s14_tab2.jpg" alt="" width="1419" height="828" /></p> <h2>Akutrevaskularisation</h2> <p>Die Prognose bei infarktbedingtem Schock hat sich insgesamt durch die rasche Wiedereröffnung des Infarktgefäßes deutlich verbessert. Lag die Letalität des kardiogenen Schocks 1990 noch bei über 80 % , so kam es in der Reperfusionsära zu einer deutlichen Reduktion der Spitalsmortalität auf etwa 50 % . Wegweisend war hier vor allem das SHOCK-Trial, das einen deutlichen akuten und auch längerfristigen Überlebensvorteil bei früher koronarer Revaskularisation gezeigt hat.<sup>3, 4</sup> Während im SHOCK-Trial noch rund die Hälfte der Patienten mit koronarer Bypassoperation behandelt wurde, hat sich weltweit nicht zuletzt aus logistischen Gründen die akute perkutane Koronarintervention (PCI) im Schock durchgesetzt. Sie stellt somit eine ebenso potenziell lebensrettende essenzielle Maßnahme wie beim Patienten ohne infarktbedingten kardiogenen Schock dar. Bei Patienten mit Mehrgefäßerkrankung wurde bislang versucht, durch Dilatation auch der nicht den Infarkt verursachenden Gefäße eine komplette Revaskularisation anzustreben, was jedoch durch die jüngst erschienene CULPRIT-SHOCKStudie infrage gestellt wird.<sup>5</sup> In dieser Studie an 706 Patienten mit kardiogenem Schock wurden 2 Behandlungsstrategien verglichen, nämlich die bisher geübte Praxis der kompletten Revaskularisation aller Koronarverschlüsse/Stenosen gegenüber einer „Culprit only“- Strategie, in der nur das Infarktgefäß interventionell behandelt wurde. Es zeigte sich eine höhere Überlebensrate in der „Culprit only“-Gruppe, was durch die geringere Kontrastmittelmenge und den kürzeren Untersuchungsstress am Herzkathetertisch erklärt werden könnte.</p> <h2>Pharmakologische Therapie</h2> <p>Neben der üblichen Infarkttherapie mit Schmerzbehandlung, Plättchenhemmern und Heparin steht die Aufrechterhaltung eines für die Versorgung lebenswichtiger Organe ausreichenden Blutdrucks im Vordergrund. Hämodynamische Zielkorridore wurden in den Leitlinien definiert und sind in Tabelle 3 angeführt.<sup>6</sup> Generell ist ein arterielles Blutdruckmonitoring mit einem mittleren arteriellen Blutdruck zwischen 65 und 75mmHg anzustreben. Dies kann initial durch einen Volumenversuch mit 500ml kristalloider Lösung (Ausnahme Lungenödem), gefolgt von einer Infusion mit Dobutamin, angestrebt werden. Bei Nichterreichen des Blutdruckziels ist Noradrenalin die Substanz der ersten Wahl, während Dopamin und Adrenalin aufgrund ihres pharmakologischen Profils, aber auch angesichts der bisherigen Datenlage nicht empfohlen werden.<sup>7</sup><br /><br /> Zu Levosimendan gibt es in dieser Indikation nur kleine Fallserien, vermutlich kann es aber statt Dobutamin in Kombination mit Noradrenalin verwendet werden.<sup>8</sup><br /><br /> Da pathophysiologisch neben einem hämodynamischen Circulus vitiosus (weniger Blutdruck führt zu mehr Ischämie) zumindest bei protrahiertem Schock auch ein inflammatorischer Pathway (Erhöhung von Zytokinen, Aktivierung der induzierbaren NO-Synthethase) angenommen wird, erschien auch ein diesbezüglicher Therapieansatz sinnvoll. Leider hat die TRIUMPH-Studie mit Tilarginin, einem Hemmer der NO-Synthethase, trotz Verbesserung der hämodynamischen Parameter keinen Überlebensvorteil gezeigt, sodass dieser Therapieweg heute verlassen ist.<sup>9</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s14_tab3.jpg" alt="" width="1419" height="516" /></p> <h2>Mechanischer hämodynamischer Support (Abb. 1)</h2> <p>Die intraaortale Ballonpumpe (IABP) wurde über viele Jahrzehnte zur hämodynamischen Stabilisierung von Patienten mit kardiogenem Schock eingesetzt. Das Wirkprinzip beruht auf einer Erhöhung des Koronarperfusionsdrucks bei gleichzeitiger Nachlastsenkung mit Verbesserung der myokardialen Sauerstoffbilanz. Gerade nach Lysetherapie und beim Transport von hämodynamisch instabilen Infarktpatienten erwies sich der Einsatz der IABP als hilfreich. Wie bei vielen scheinbar etablierten Verfahren wurde die Ballonpumpe erst in den letzten Jahren in einer größeren randomisierten Multicenter- Studie untersucht, in der sich kein mit der Verwendung einhergehender Überlebensvorteil zeigen ließ.<sup>10</sup> Seither ist der Einsatz der IABP bei kardiogenem Schock in Europa stark zurückgegangen und es kommen andere Unterstützungssysteme wie die Impella-Pumpe, das „Tandem Heart“ oder die ECMO vermehrt zum Einsatz.<sup>1</sup><br /><br /> Die Impella-Pumpe ist eine axiale Schraubenpumpe, die Blut vom linken Ventrikel in die Aorta ascendens pumpt. Sie kann entweder chirurgisch oder auch perkutan über die Leistenarterie eingebracht werden und in der perkutanen Version einen Blutfluss von bis zu 3l/min erzielen. Das „Tandem Heart“ kann ebenfalls perkutan im Katheterlabor installiert werden. Es wird dabei über eine transseptale Kanüle bis zu 4l/min arterialisiertes Blut vom linken Vorhof durch eine extrakorporale Zentrifugalpumpe in die Aorta descendens gepumpt, sodass im Gegensatz zum ECMO-Verfahren (siehe unten) kein Oxygenator verwendet werden muss. Beide Verfahren sind aufwendiger und komplikationsträchtiger als die IABP, können jedoch auch bei stärker eingeschränkter Linksventrikelfunktion einen ausreichenden hämodynamischen Support gewährleisten. Im Gegensatz zur ECMO wird bei beiden Verfahren der linke Ventrikel druckentlastet, was per se einen wesentlichen Vorteil darstellt.<br /><br /> Die ECMO gewährleistet auch bei völligem Herz-Kreislauf-Stillstand einen ausreichenden Blutfluss, sie ist also auch im Setting der Reanimationspflichtigkeit einsetzbar. Es wird ein extrakorporaler Kreislauf mit Zentrifugalpumpe und Oxygenator etabliert, wobei venöses Blut über eine großkalibrige femorale Kanüle entnommen und über eine arterielle Kanüle in die Aorta descendens retrograd gepumpt wird. Dieses aus der Herzchirurgie bekannte Verfahren kann in einer mobilen Version auch für den Transport von kritisch hämodynamisch kompromittierten Patienten eingesetzt werden. Es ermöglicht mit Flussraten bis zu 6l/min zwar einen kompletten Herz-Kreislauf-Ersatz, kann jedoch vor allem bei längerer Anwendung auch zu schweren Komplikationen wie Beinischämie, Lungenödem oder Infektionen führen. Obwohl es unbestritten ist, dass die genannten potenteren Herz-Kreislauf-Unterstützungssysteme bei einzelnen Patienten die einzige Chance auf ein Überleben darstellen, fehlen zu allen genannten Devices entsprechende randomisierte Studien, sodass ein zu großzügiger oder prophylaktischer Einsatz nicht angebracht erscheint.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1803_Weblinks_s14_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="787" /></p> <h2>Management bei mechanischen Infarktkomplikationen</h2> <p>Abschließend sei auf einige mechanische Infarktkomplikationen eingegangen, die häufig zum Schock führen, aber durch die moderne Revaskularisationsbehandlung erfreulicherweise im klinischen Alltag selten geworden sind.<br /><br /> Der Rechtsventrikelinfarkt tritt fast ausschließlich bei größeren Hinterwandinfarkten mit proximalem Verschluss der rechten Koronararterie auf. Klinische Charakteristika sind Hypotension und AVBlock sowie eine ausgeprägte Nitrat- und Volumensensitivität. Diagnostisch wegweisend sind präklinisch die rechtsventrikulären Brustwandableitungen, im Krankenhaus dann das Echokardiogramm. Wie bei jedem akuten STEMI ist die rasche Wiedereröffnung des Infarktgefäßes essenziell.<br /><br /> Eine hämodynamisch wirksame akute Mitralinsuffizienz bei Infarkt kann zum einen durch eine Ruptur eines infarzierten Papillarmuskels auftreten, was eine rasche herzchirurgische Versorgung notwendig macht, zum anderen kann die Mitralinsuffizienz durch ein Zurückweichen des Papillarmuskels bei myokardialer Dysfunktion bedingt sein. In diesem Fall ist die chirurgische Sanierung besonders schwierig und mit einer Überlebensrate von maximal 50 % verbunden.<br /><br /> Auch die Ruptur des infarzierten Ventrikelseptums ist meist trotz Operation mit einer sehr schlechten Prognose verbunden. Strittig ist immer noch der optimale Zeitpunkt der Operation, da einerseits viele Chirurgen das Einnähen eines Patches in das frisch infarzierte Myokard vermeiden wollen und es andererseits jederzeit zu einer Größenzunahme des Defekts mit einhergehender rascher klinischer Verschlechterung kommen kann. Neben der Operation ist daher vor allem bei Apexnahen Defekten und älteren Patienten ein perkutaner Verschluss mit einem Septum- Okkluder zu überlegen.<sup>11</sup></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Werdan G et al.: Eur Heart J 2014; 35: 156-67 <strong>2</strong> Fincke R et al.: JACC 2004; 44: 340-8 <strong>3</strong> Hochman JS et al.: NEJM 1999; 341: 625-34 <strong>4</strong> Hochman JS et al.: JAMA 2006; 295: 2511-5 <strong>5</strong> Thiele H et al.: NEJM 2017; 377: 2419-32 <strong>6</strong> Pöss et al.: Kardiologe 2014; 8: 302-12 <strong>7</strong> DeBacker D et al.: NEJM 2010; 362: 779-89 <strong>8</strong> Tarvasmäki T et al.: Critical Care 2016; 20: 1-11 <strong>9</strong> TRIUMPH investigators: JAMA 2007; 297: 1657-66 <strong>10</strong> Thiele H et al.: NEJM 2012; 367: 1287-96 <strong>11</strong> Thiele H et al.: Eur Heart J 2009; 30: 81-8</p>
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