
Hypertoniezielwerte mittels Lebensstil, medikamentöser Kombinationstherapie und renaler Denervierung erreichen
Bericht: Reno Barth
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Die Empfehlungen der European Society of Cardiology (ESC), der European Stroke Organisation (ESO) und der European Society of Endocrinology (ESE) 2024 in den gemeinsamen Leitlinien zum Management von erhöhtem Blutdruck und Hypertonie unterscheiden sich von den Empfehlungen der europäischen Blutdruckgesellschaft (ESH) aus dem Jahr 2023.1,2 Insbesondere in der Definition von Bluthochdruck bestehen Unterschiede. Das Behandlungsziel wird von beiden Gesellschaften auf unter 130/80mmHg festgelegt.
Das Management des Bluthochdrucks beginnt mit der Diagnose. Dafür werden automatisierte Messungen mittels Oberarmmanschette empfohlen“, so Priv.-Doz. Dr. Thomas Weber, Abteilung Innere Medizin II, Klinikum Wels-Grieskirchen, und derzeitiger Präsident der European Society of Hypertensiology. Für die Diagnostik eines Bluthochdrucks sollten nur validierte Geräte eingesetzt werden. Der Experte weist jedoch darauf hin, dass die meisten aktuell auf dem Markt befindlichen Devices nicht validiert sind und folglich auch nicht eingesetzt werden sollten.
Die ESC bezeichnet mittlerweile die „Out-of-office“-Messung (außerhalb der Arztpraxis) als Goldstandard, allerdings betont Weber, dass die relevanten Studien zur Blutdrucktherapie auf Messungen in der Ordination basieren.
Bluthochdruck ab wie viel mmHg?
Für das Vorliegen einer Hypertonie gilt nach wie vor als Grenzwert ein Blutdruck von 140/90mmHg. Weber fügt allerdings hinzu, dass es sich dabei um einen arbiträren Grenzwert handelt, da das Myokardinfarktrisiko mit dem Blutdruck linear ansteigt. Bei Werten zwischen 140/90mmHg und 120/70mmHg spricht die ESC von einem erhöhten Blutdruck, darunter von nicht erhöhtem Blutdruck. Im Gegensatz dazu hat die ESH die alte Einteilung in optimal, normal, hochnormal und Hypertonie beibehalten. Der Nachteil der ESC-Grenzwerte liegt darin, dass mehr als drei Viertel der Gesamtbevölkerung einen erhöhten Blutdruck aufweisen, wenn man diese Grenzwerte anwendet. Nach den älteren und von der ESH nach wie vor verwendeten Grenzwerten leiden hingegen nur rund 30% der Bevölkerung unter erhöhtem Blutdruck – eine hohe Schwankungsbreite.
Bluthochdruck-Übertherapie?
Personen mit Blutdruckwerten über 140/90mmHg sollen sowohl laut ESH als auch laut ESC medikamentös antihypertensiv behandelt werden. Schwerer fällt die Indikationsstellung bei niedrigeren Blutdruckwerten. Patient:innen sollen gemäß ESH mit Werten über 130/80mmHg (a.g. hochnormaler Blutdruck) Antihypertensiva erhalten, wenn sie zusätzlich eine kardiovaskuläre Erkrankung aufweisen. Dies entspricht auch den Empfehlungen der ESC, wobei die ESC auch Endorganschäden z.B. an der Niere einbezieht und sich dabei stärker am Gesamtrisiko orientiert. „Es ergibt sich daher ein ähnliches Problem wie bei der Blutdruckmessung: Werden Risikoscores herangezogen, so wird praktisch die gesamte ältere Bevölkerung behandlungspflichtig, da sie ein Gesamtrisiko für ein kardiovaskuläres Ereignis von mehr als 10% innerhalb der nächsten zehn Jahre aufweist“, so Weber.
Hinsichtlich der Blutdruckziele besteht zwischen den Fachgesellschaften Übereinstimmung. Ein erhöhter Blutdruck sollte auf Werte von 120–130/70–80mmHg abgesenkt werden, sofern dies möglich ist. In der Praxis gelingt diese Regelung – insbesondere bei älteren Menschen – aufgrund von Nebenwirkungen der Therapie nicht in jedem Fall.
„Dennoch sollte man sich bemühen, diese Zielwerte anzustreben“, so Weber. Die ESC hat dafür das Akronym ALARA („As Low As Reasonably Achievable“) entwickelt. Der Experte betont an dieser Stelle, dass diese niedrigen Zielwerte evidenzbasiert sind und in Studien und Metaanalysen mit besserem Outcome verbunden waren. Bei älteren Menschen jenseits der 80 oder 85 richten sich die Empfehlungen nach dem biologischen Alter. Für fitte Patient:innen gelten die gleichen Grenz- und Zielwerte wie bei Jüngeren. Bei Gebrechlichen soll entsprechend dem ALARA-Prinzip vorsichtiger vorgegangen werden.
Medikamentöse Therapie mit Kombination beginnen
Die medikamentöse Therapie soll bereits mit einer Kombinationstherapie begonnen werden. Die empfohlenen Medikamentengruppen sind RAAS-Blocker, Kalziumkanalblocker und Diuretika. Laut ESH muss eine der Komponenten immer ein RAAS-Blocker sein. „Der Vorteil der Kombinationstherapie im Vergleich zur höher dosierten Monotherapie liegt in besserer Wirkung bei verringerten Nebenwirkungen“, so Weber. Wenn mit der Ersttherapie nicht der gewünschte Erfolg erzielt wird, bestehen laut ESH die Optionen auf eine Dosissteigerung oder eine Therapieeskalation mittels Dreifachtherapie. Laut ESC sollte zunächst die Umstellung auf eine Dreifachtherapie gewählt werden, wobei Kombinationspräparaten der Vorzug zu geben ist. Bei älteren Patient:innen mit geringfügig erhöhtem Blutdruck kann initial eine Monotherapie eingesetzt werden.
Renale Denervierung in den Guidelines mit Klasse-II-Indikation
Für die renale Denervierung gab es in den letzten gemeinsamen Guidelines von ESH und ESC noch eine Klasse-III-Empfehlung. Weber: „Das bedeutet, man soll das nicht außerhalb von Studien machen. Mittlerweile hat sich die Evidenzlage allerdings so verändert, dass es in beiden Guidelines eine Klasse-II-Indikation gibt.“ Das bedeutet, dass die renale Denervierung eingesetzt werden kann, bei resistenter Hypertonie trotz medikamentöser Kombinationstherapie oder im Fall von ernsten Nebenwirkungen der Therapie und schlechter Lebensqualität. In beiden Guidelines wird betont, dass der Eingriff an einem spezialisierten Zentrum mit entsprechender Erfahrung durchgeführt werden soll. Voraussetzung ist eine einigermaßen erhaltene Nierenfunktion (eGFR ab 40ml/min/1,73m2), potenzielle Vor- und Nachteile der Methode müssen mit den Patient:innen besprochen werden. In Wels-Grieskirchen wird die renale Denervierung seit vielen Jahren mit guten Erfarungen eingesetzt, erklärte Weber.
Weniger Natrium – mehr Kalium
Hinsichtlich der Lebensstilmaßnahmen wird die seit Langem etablierte Empfehlung zur Natriumreduktion ergänzt durch eine Empfehlung zur verstärkten Kaliumzufuhr, die ähnlich wirksam sein dürfte.
Quelle:
Vortrag: ESC Guidelines Session (Joint Session ESC/ASC) 2024. ESC-Leitlinien für erhöhten Blutdruck und Hypertonie. Präsentiert im Rahmen der ÖKG-Jahrestagung am 6.Juni 2025 von Priv.-Doz. Dr. Thomas Weber, stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung für Innere Medizin II, Kardiologie und Intensivmedizin am Klinikum Wels-Grieskirchen und Präsident der Europäischen Gesellschaft für Hypertonie
Literatur:
1 McEvoy JW et al.: 2024 ESC Guidelines for the management of elevated blood pressure and hypertension. Eur Heart J 2024; 45(38): 3912-4018 2 Mancia G et al.: 2023 ESH Guidelines for the management of arterial hypertension The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Hypertension: endorsed by the International Society of Hypertension (ISH) and the European Renal Association (ERA). J Hypertens 2023; 41(12): 1874-2071
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